Tag 14: Eskalation incoming
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Der Tag startet wie jeder andere. Allerdings bin ich ein wenig gestresst, da ich meinen ersten Termin bereits um 8.45 Uhr habe. Es fällt mir schwer beide Kinder gleichzeitig fertig zu machen. Claire befindet sich gerade in einer Art Babyphase und möchte durchweg Unterstützung: Beim Anziehen, beim Zähneputzen, beim Laufen… Also eigentlich habe ich gerade zwei unselbstständige Kleinkinder dabei. Respekt an alle Zwillingseltern – Uff.
Beschäftigungstherapie für Eltern
Ich liefere Claire – eher schlecht als Recht – in der Gruppe ab und verspäte mich bei der Mutter-Kind-Interaktion mit Marie: Wir basteln ein Schneemann-Bild und singen dazu recht lieblos ein Winterlied. Ich finde das Basteln unpassend, da keines der Kinder die notwendige Motorik hat um die Papierkügelchen zu formen oder aufzukleben. Für Kinder in diesem Alter gibt es sehr viel bessere Mal- und Bastelmöglichkeiten, die in Betracht kommen.
Es ist mehr eine Beschäftigungstherapie für die Eltern, die versuchen lustige Schneemann-Bilder zu machen, während die Kinder unruhig auf ihrem Schoß herumhüpfen und sich lieber bewegen möchten. Schade. Da hätte man anders ansetzen können…
Marie scheint auch nicht so glücklich damit zu sein, macht aber tapfer mit. Dann hole ich Claire wieder ab – Kinder dürfen ja nur zur Anwendungen in die Betreuung. Der Erlebnispädagogik-Tag fällt leider aus. Dafür gehen die Kinder am Nachmittag ein wenig nach draußen. Es ist das das erste Mal, seit wir hier sind, dass Claire mit der Betreuung auch mal vor die Tür geht (zählt man den Ausflug in den Indoor-Spielplatz nicht mit).
Undefinierbare Schmerzen
Ich merke, wie Marie unleidig wird. Wir gehen aufs Zimmer, da ich versuchen möchte sie schlafen zu legen. Aber sie will nicht schlafen. Sie ruft immer wieder „AU!“ und weint bitterlich. Ich versuche zu trösten, da zu sein, die Quelle zu finden: Hat sie Zahnweh? Bauchweh? Eine Verletzung? Ich kann nichts finden. Ich versuche es mit Ablenkung, Stillen, einem Ortswechsel. Nichts hilft… Eigentlich hatte ich geplant, während ihres Mittagsschlaf zur Entspannungsgruppe zu gehen. Sie liegt zeitlich so, dass ich es schaffen könnte. Könnte. Stattdessen beruhige ich Marie über zweieinhalb Stunden. Immer wieder schläft sie kurz auf meinem Arm ein – um dann laut weinend wieder aufzuwachen.
Ich frage eine Mutter via WhatsApp, ob sie mir das Mittagessen bringen kann. In dem Zustand kann ich mit Marie nicht in den Speisesaal. Ein paar Minuten später haben wir das Essen auf dem Zimmer, sodass wir zumindest nicht verhungern müssen. Ganz viel Liebe und Dank für diese Mama 🙂
Fieber oder nicht Fieber
Nach gut zweieinhalb Stunden wird es besser. Marie macht einen langen Mittagsschlaf (3 Stunden), der in erhöhter Temperatur endet. Ich entscheide die Krankenstation aufzusuchen. Die Krankenschwester stellt allerdings keine Temperatur fest (hö?) und fragt, ob das Kind vielleicht einfach zahnen würde. Ich lasse mich beruhigen und gehe wieder auf das Zimmer. Marie ist immernoch sehr anhänglich und kuschlig. Ich messe erneut erhöhte Temperatur (38,5) und bin skeptisch. Hat die Schwester vorhin wirklich richtig gemessen?
Ich entscheide wieder im Zimmer zu bleiben, um Marie zu schonen. Die Temperatur steigt im Laufe des Abends noch. Ich besuche nochmals die Krankenstation und stelle Marie dem Arzt vor. Der kann nichts finden. Vielleicht Zähne, vielleicht ein Infekt. Ich bekomme Zäpfchen für Marie – Claire darf weiterhin zur Betreuung und in den Speisesaal. Auch Marie darf zum Essen, sofern sie nicht ans Buffet geht. Ich husche mit den Mädchen schnell in den Speisesaal und mache schnell. Mir ist das nicht ganz geheuer.
That escalated quickly
Nach einem Versuch mit meinem Mann zu skypen – Marie war sehr weinerlich und hatte nicht viel Lust – gebe ich auf und mache uns bettfertig. Maries Temperatur ist über 39. Ihr geht es zusehends schlechter. Gegen 23 Uhr weint sie erneut. Ich nehme sie hoch und versuche sie zu kuscheln. Sie bekommt einen Hustenanfall, ringt nach Luft. „Claire! Mach mir das große Licht an, schnell!“ rufe ich. Ich habe nur eine Nachtlampe an und kann kaum was sehen. Marie beginnt zu würgen. Ich habe Angst, dass sie ersticken könnte und will die Nachtschwester rufen.
In Panik klopfe ich auf ihren Rücken. Sie hustet und erbricht – auf mir, auf dem Bett. „Claire bring mir schnell ein Handtuch. Los jetzt!“. Ich bin noch ganz durch den Wind, klinge sicherlich panischer und strenger als ich sollte. Später entschuldige ich mich bei Claire dafür. Der Anruf bei der Nachtschwester misslingt. Claire versteht das Telefon nicht und ich bin voller Kotze. Aber ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich bin komplett überfordert: Zu wenig Schlaf, die Nerven liegen durch das viele Weinen blank, die Panik durch das heftige Würgen… Es war zu viel. Unser Zimmernachbar klopft an: „ Ob er uns helfen könne“. Scheinbar war ich ziemlich laut. Aber ich freue mich, dass er da ist. Er ruft für mich die Nachtschwester und gibt mir ein Handtuch.
Schritt für Schritt
Ich lege mir das Handtuch auf die Schulter und lege Marie darauf, um sie zu kuscheln. Sie weint und lässt sich kaum beruhigen. Langsam wiege ich sie hin und her, summe vor mich hin. Meine arme Maus… Die Nachtschwester kommt, instruiert mich, dass ich nun alles desinfizieren muss und fragt, was ich frühstücken möchte. Dann geht sie wieder und lässt mich in der Kotze und Verzweiflung zurück. Ich atme tief ein, versuche den Kopf frei zu kriegen und beginne Schritt für Schritt alles zu säubern: Erst ziehe ich mich und Marie aus. Wir duschen – unter lautem Protest.
Ich reinige den Boden, anschließend beziehe ich das Bett neu. Nach und nach ist die Ordnung wieder hergestellt und wir plumpsen zu dritt ins Bett. Maries Fieber ist nun auf über 40 Grad. Ich entscheide sie im Arm zu halten – die ganze Nacht liegt sie kuschelnd auf meinem Bauch. Nur in Windeln. Nach dem Zäpfchen fällt die Temperatur – aber nicht unter 38 Grad. Ich mache mir Sorgen… Ist das wirklich nur ein Infekt? Marie hat noch nie so gelitten, war noch nie so anhänglich. Sorgenvoll schlafe ich ein.
Tagesplan:
- 8.45 – 9.15 Uhr: Interaktion Marie
- 9.30 – 10.00 Uhr: Physiotherapie Gruppe (konnte ich nicht wahrnehmen)
- 11.30 – 13 Uhr: Mittagessen
- 12.00 – 14.00Uhr: Ruhezeit (auf dem Zimmer oder außerhalb d. Geländes)
- 14.30 – 15.15 Uhr: Entspannungsgruppe (konnte ich nicht wahrnehmen)
- 17.00 19.00 Abendessen
Ohwei… Liebe Rabenmutti, ich lese gerade deinen Bericht. Am Dienstag(07.01.) machen wir uns auf den Weg zu meiner Reha (Orthopädisch) und ich habe meine Sohn (im Februar 3) als Begleitkind (mit Vollzeitbetreuung) dabei. Ich mache mir schon länger Gedanken, obwohl ich sonst immer sehr aufgeschlossen war. Ich habe die gleichen Bedenken was die Betreuung angeht, die du sogar erlebt hast. Mein Mann begleitet uns 2 Nächte, dann muss er wieder los. Da ich auch beziehungsorientierter als „erzieherisch“ handle , habe ich jetzt schon das Gefühl das ich nicht ernstgenommen werde. (Die Damen an Telefon waren leider nicht sehr motivierend- eher… Read more »
Des isch echt heftig, wa du uns dahanne uffgschriebe hasch. Hann i leider scho von viele Leit ghört das dia Klinik nix als a Scheißhaufa isch. Wo kommsch du denn her wenns dei Heimat isch? A ganz liabes Grüßle ausm Allgäu
HI Benny,
ich komme aus der Nähe von Schwäbisch Hall 🙂
Ich freue mich SEHR zu lesen, dass es Mütter gibt, die verstanden haben, worauf es ankommt!
Bin durch Zufall hier her geraten, auf der Suche nach typischen Tagesplänen, vor meiner ersten Reha in einer anderen Celenus-Klinik. (ohne Kind, da meine schon erwachsen sind)
Ich leide bis heute unter den Folgen meiner frühkindlichen Bindungsstörung, da meine Eltern dein Wissen leider nicht hatten.
Ich wünschte, es gäbe mehr Eltern von deiner Sorte. Dann hätten wir bestimmt eine bessere Welt.
Danke und alles Gute,
Kai
Von Müttern wie mir, gibt es immer mehr 🙂 Die bindungsorientierte/beziehungsorientierte Erziehung wird immer bekannter. Ich hoffe auch sehr, dass dadurch gesunde Menschen mit einem starken Selbstbewusstsein, großer Empathiefähigkeit und Güte heranwachsen, damit die Welt irgendwann ein schöner Ort wird 🙂
Man man man, bis zu diesem Block war ich ja voll für die MuKi Kur.
Jetzt habe ich meine Zweifel!
Ich habe zwei Jungs 3 und 6 , Rabauken die doch sensibel sind.
Ich lasse mich grade scheiden, also fahren nur die Kinder und ich.
Aber das was du berichtet hast ist ja eine echte Katastrophe!
Ich hab schon die Kostenzusage und suche nun eine geeignete Klinik.
Jetzt habe ich richtig Angst!