Tag 12: Mach mir den doppelten Hund

Heute bin ich etwas angespannt. Mein Mann ebenfalls. Es tut ihm Leid, dass er mich allein lassen muss. Aber Arbeit geht vor. Wir verbringen den Tag mit Spielen auf dem Zimmer, im Foyer und Schlitten fahren. Am Abend habe ich mich mit Claire zum Familienyoga eingetragen. Beinahe platzt das, weil sie so richtig unkooperativ ist. Ist sie angespannt, weil ich es bin? Merkt sie, wie traurig mich Michaels abreise macht und spiegelt mich? Diese Gedanken kommen leider zu spät.

Ich merke, dass es auch in ihr arbeitet. Dennoch explodiere ich. Das erste Mal seit wir hier sind. Schnell und fies. Mir setzt alles zu sehr zu. Der Druck musste raus. Im Anschluss entschuldige ich mich bei ihr. Doch ich merke: Jetzt bin ich ebenso unemphatisch, wie die anderen Mütter, die ich beobachtet hatte und fühle mich schlecht. Das muss ich ändern und zwar schnell!

Wir gehen zum Yoga und lernen lustige Formen kennen: Katze, Hund, Brücke, Baum… Die Yoga-Lehrerin macht das auf so spielerische Art, dass es trotz der Anstrengung sehr lustig ist. Wir haben viel Spaß. Dennoch bleibe ich dabei: Yoga ist nix für mich…

Jedes Kind kann schl***- NEIN!

Am Abend sitzen wir mit anderen Eltern zusammen und quatschen ein wenig. Es ist eine recht illustre Runde und wir haben Spaß. Die Mädchen schlafen zeitig (also Marie, Claire spielt im Zimmer) und wir haben ein Babyphone platziert. So ist es möglich, dass Michael der Runde ebenfalls beiwohnt. Leider kommt das Thema Erziehung auf und, dass Kinder eben durch manche Dinge „durch müssen“. Ein Vater sagt, die Kinder seien heutzutage viel zu verweichlicht, es muss wieder mehr Härte in die Erziehung rein – kurz nachdem er damit angibt, dass er ja als Kind Gewalt erfahren habe und er das selbst nicht machen würde. Hä? Paradox.

Als ich von Claires Schlafproblemen berichte, kommt das Buch der Bücher zur Sprache: „Jedes Kind kann schlafen lernen“. Meine Schutzklappen fahren hoch und ich kann nicht länger weg hören. „Dieses Buch ist einzig und allein dazu da, Babys zu brechen! Das ist einfach eine große Scheiße! Das möchte ich nicht und ich halte mich jetzt auch aus weiteren Erziehungsthemen heraus, Sonst wird das unschön hier“.

Glaubenssätze aus der NS-Zeit halten sich weiterhin

Ich habe meinen Standpunkt klar gemacht und mich direkt der Diskussion entzogen. Bei dem Thema kann ich nicht sachlich bleiben. Da werde ich so sehr getriggert, dass sämtliche Emotionen hochkochen. Die Emotionen, die ich seit einer Woche bereits unter Verschluss halte, wollen nach oben ausbrechen! Da muss ich einen Riegel vorschieben. Immerhin möchte ich mir den Gesprächskreis erhalten. Ich nippe an meinem Weizen (alkoholfrei) und blende weitere dämliche Kommentare (anders kann ich es nicht formulieren) in puncto Erziehung aus.

Was mich am meisten schockiert? Auch eine Erzieherin saß mit am Tisch und hatte eine äußerst fragwürdige Einstellung zu Kindern… Kommunikation auf Augenhöhe und Wertschätzung habe ich nicht gefunden. Eher das typische Bild, welches uns bereits von Johanna Haarer eingeimpft wurde. Gehorsam und brav müssen Kinder sein! Anpassen müssen sie sich! Für´s Leben lernen… Ihr könnt euch denken, wie sehr ich damit kämpfen musste, nicht loszupoltern…

Tagesablauf: Nichts