Entthronung deluxe in der Autonomiephase

Bild: Andreas Wosnitza Fotografie

Was passiert hier gerade? Während ich mit Marie den Flow scheinbar gefunden habe und sie einfach ein super pflegeleichtes Baby – mit merkwürdigen Schlafgewohnheiten – ist, pralle ich immer öfter mit Claire aneinander. Sie befindet sich voll in der „Entthronungsphase“. Das ist mir bewusst und schon in der Schwangerschaft fingen wir an sie darauf vorzubereiten, dass sie nun bald große Schwester wird und sich das Leben ändern würde. Wir haben immer betont, dass sie ja schon groß ist und viel mehr kann als Baby Marie. Sie hat sich gefreut und entschied, mich tatkräftig unterstützen zu wollen.

Der Baby-Zauber verflüchtigt sich

Leider hielt der Zauber „Neugeborenes“ nicht allzulange an. Das süße kleine Wesen ist nicht nur süß und schälft den ganzen Tag. Es ist wach und es erhebt Anspruch auf „ihren Herrschaftsbereich“ – Mich! Meine kleine große Prinzessin hat bemerkt, dass sich mit dem Baby eine Sache sehr stark verändert hat: Die Zeit, die ich für sie aufbringen kann. Gerade am Anfang lebte Marie quasi auf mir.

In dieser Zeit war aber der Papa zur Stelle, der extra einen Monat Elternzeit genommen hatte, um Claires Bedürfnisse stillen zu können, während ich es nicht kann. Sie unternahmen gemeinsame Papa-Tochter Ausflüge, er hat sich hauptsächlich um sie gekümmert. Sobald Marie schlief und ich konnte, habe ich mich dann um Exklusivzeit mit Claire bemüht. Abends gab es Kuscheleinheiten, die aber leider oft von einer schreienden Marie unterbrochen worden sind. Claire sagte dann immer. dass Marie einfach mitkuscheln sollte. Daraus resultierte aber, dass beide Kinder wach waren und keines mehr schlief…

Ein Schub? Ein Sprung? Eine Phase?

Claire zeigte sich anfangs noch verständnisvoll und meinte, Marie könne ja gestillt werden, während wir kuscheln oder ein Buch lesen  – meine süße Maus. Doch trotz aller Bemühungen und Kompromisse, habe ich gemerkt, dass die Entthronung immer weiter fortschritt. Je mehr Energie ich darauf aufgewandt habe, es zu stoppen, desto schlimmer wurde es – scheint mir. Claires Wutanfälle kamen häufiger, überraschender. Vielleicht ein Schub? Ein Sprung?

Anfangs richteten sich die Wutausbrüche stets gegen uns. Wir haben versucht zu begleiten, zu verstehen, geduldig zu sein. Hat natürlich nicht immer geklappt – da brauche ich euch nichts vorzumachen. Schlaflose Nächte und Stress sind fiese Gegner, wenn es darum geht, die Nerven zu behalten. Und dann waren uns der Rabenvati und ich auch noch uneinig mit der Erziehung (meine Weichspülpädagogik sollte der Grund all unserer Probleme sein).

Entthronung-der-Prinzessin

Rückentwicklung in die Babyphase

Es kam wie es (scheinbar?) kommen musste: Claire fing an Forderungen zu stellen, die mich ziemlich an meine Grenzen brachten. Körperlich, wie auch emotional. Gerade zu Anfang hatte ich Marie oft im Tuch und war dann total eingeschränkt. Ich konnte mich nicht richtig bücken, in die Hocke gehen oder sonst großartig agieren. Das fand Claire doof und es ging los mit:

Mama, fütter mich! Mama, zieh mich an! Mama, putz mich ab! Mama, trag mich! Mama, ich will an deine Brust!

Anfangs habe ich mich geweigert, ich wurde sauer. Ich habe erklärt, dass ich das jetzt nicht kann, dass sie schon groß ist und es allein kann. Die Folge waren stets fiese Wutausbrüche. Abends wollte sie nicht mehr einschlafen. Egal, was wir versucht hatten – es klappte nicht.

Erste Lösungansätze schlagen fehl

Und dann fiel es mir wie den Schuppen von den Augen: Claire ist frustriert. Frustriert, weil sie nicht mehr meine volle Aufmerksamkeit erhält. Weil sie sich zurückgesetzt fühlt. Das ergaben Diskussionen im Netz und Beobachtungen zu Hause. Ich entschied also meine Energien so einzuteilen, dass ich ihre Bedürfnisse nach Zuwendung stillen konnte, ohne dabei auszubrennen. Ich füttere Claire (sobald ich selbst gegessen habe). Ich trage Claire (wenn ich Marie in der Trage habe und nur Teilstrecken).

Ich ziehe Claire an, gebe Hilfestellung auf der Toilette. Ich habe Claire sogar einmal an die Brust gelassen, wobei sich das ziemlich blöd für mich angefühlt hat. Ich habe ihr angeboten, dass sie gern abgepumpte Milch haben kann, wenn es ihr wichitg ist, da sich das an der Brust total falsch für mich anfühlt.

Nicht die Mama!

Ihr fragt euch jetzt bestimmt: Wo ist dein Mann dabei? Ja, das ist auch ein Problem. Sie scheint sich komplett von ihm zurückgezogen zu haben. Er darf so gut wie gar nichts mehr. Seine Aufgabe ist mir den Rücken freizuhalten und Marie so oft abzunehmen, wie es geht, damit ich mich um Claire und den Haushalt (die Dinge, die er nicht kann) kümmern kann. Das macht er auch sehr gut, sobald er von der Arbeit zu Hause ist, Irgendwer muss ja auch die Brötchen verdienen…

Aber es ist nicht genug. Es kommt immer mehr dazu. Mittlerweile nässt sie sich regelmäßig ein. Zunächst nur zu Hause. Dann auch in der Kita. Wieder bin ich explodiert. Ich war sauer. Habe sie richtig angekackt, warum sie denn nichts sagen würde! Ich hätte sie doch 2 Minuten vorher aufs Klo geschickt. Ich war am Ende. Es war so nervenaufreibend, ständig Wäsche waschen und Pippi beseitigen zu müssen…

Über Einsamkeit und das Ende meiner Kraftreserven

Aber auch hier hat es Klick gemacht: Die gesamte Situation (auch mit der Kita) ist einfach zu viel für Claire. Womöglich merkt sie es wirklich nicht. Vielleicht verliert sie auch einfach die Kontrolle, so wie ich auch. Was auch immer es ist, ich muss es annehmen, statt zu verurteilen. Ich versuche es nun also anzunehmen und für bestimmte Situationen greifen wir aktuell wieder zur Windel. Manchmal müssen wir auf Nummer sicher gehen…

„Claire ist eifersüchtig. Ignorier das am Besten und bleibe hart!“

Ich versuche mich mit Freundinnen auszutauschen und erhalte Beurteilungen, wie diese. Das Kind macht es mit Absicht. Das Kind sie nicht normal. Kein Kind, was ein Jahr trocken ist, nässt sich plötzlich wieder ein. Das macht mich traurig. Das macht mich einsam. Denn sie sehen Kinder anders als ich. Von ohnen kann ich keine Hilfe erwarten. Kein Verständnis.

In ihren Augen lese ich Verurteilung. Ich sehe in einen Spiegel und lese eine schlechte Mutter heraus. Ich glaube, die halten mich für unfähig. Zu weich? zu chaotisch? Zu inkonsequent? Es tut weh… Liegt das alles vielleicht doch an mir?

Die Selbstzweifel werden wieder größer

Die Streitereien werden emotionaler. Meine Kraftreserven erschöpften sich. Liegt es an mir? An der Entthronung? An den Kita-Problemen? Ich tappe im Dunkeln. Verstehe meine Große nicht und versuche einfach zu helfen und zu begleiten. Hilft ein Kita-Wechsel? Hilft mehr Exklusiv-Zeit? Hilft einfach nur die Zeit? Zuletzt gab es eine zielgerichtete Attacke gegen Marie. Sie hatte einen Wutanfall und hat versucht Marie zu schlagen. Ich ging dazwischen und reagierte verdammt sauer.

An diesem Punkt wurde mir klar, dass es nicht so weiter gehen kann. Wir haben darüber gesprochen die Kita zu wechseln. Sie fand die Idee gut, sie möchte das machen. Aber reicht es aus? Muss ich vielleicht mehr leisten? Mehr Zeit aufbringen? Aktuell haben wir täglich zwei Exklusivzeiten: Tagsüber, wenn Marie schläft und am Abend, wenn ich sie ins Bett bringe (lesen und kuscheln). Wo baue ich mehr Zeit ein? Oder nutze ich die Zeit falsch?

Entlastung durch Belastung

Ein weiterer Schritt ist, sie nur noch zweimal in der Woche in die Kita zu schicken. Ich hatte echt Angst, ob ich das hinbekomme, da mir die Wochenenden meist schon die Decke auf den Kopf fällt. Die ersten beiden Tage liefen überraschend entspannt. Claire beschäftigte sich mit Marie, während ich die Küche sauber gemacht habe. Es gab keine großartigen Wutanfälle oder andere Probleme. Nur eben MeTime habe ich nun keine mehr. Sollte es das gewesen sein? Lag es an der Kita? Oder hab ich gerade nur eine kleine Verschnaufpause? Leider lässt sich nun einfach laufen: Pippi und neuerdings auch Groß. Scheiße verdammte!

Was aber ungemein hilft, ist das Feedback aus meiner Twitter-Bubble. Ganz viele Eltern berichten, dass es ihnen ähnlich ging. Kinder, die plötzlich wieder einnässen. Kinder, die klammern. Das Verhalten sei TOTAL NORMAL! Das hat mir geholfen, denn ich dachte schon, wir sind hier am Vollversagen und bekommen nichts gebacken. Nein. Alles prima. Manche Kinder reagieren eben auf Veränderungen so. Akzeptieren, annehmen und Geduld sollen helfen. Ok. Ich geb mir Mühe. Indes bestelle ich wohl eine zweite Mülltonne, um den Windelbergen Herr zu werden…

Wer kann ähnliche Geschichten berichten? Wessen Kind hat auch sehr empfindsam auf die Entthronung reagiert. Wie lange hat es gedauert, bis sich eure Familie wieder eingegroovt hat?

 

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