Entthronung der Prinzessin Claire

Bevor ich schwanger war, wusste ich gar nicht was das ist, diese Entthronung. Als die ersten Signale kamen war ich dementsprechend überfordert und genervt. Hat die Prinzessin gerade eine Phase? Kommt ein Schub? Liegt es am Stress in der Kita? Was haben wir falsch gemacht? Haben wir überhaupt was falsch gemacht? Ist das normaaaal? Fragen über Fragen. Uff.

Drama on: Die Babyphase

Die Maus wollte plötzlich wieder Baby sein. Anfangs wollte sie nur als Baby getragen werden. Ok, anstrengend, aber kann man mal machen. Noch habe ich mir nichts dabei gedacht. Allerdings äußerte sie den Wunsch immer öfter – auch bei wachsendem Babybauch. Das konnte ich irgendwann nicht mehr. Und ich wollte auch gar nicht. Immerhin wird sie bald 4 Jahre alt – warum soll ich sie überall tragen? Und dann auch noch so unvorteilhaft…

Hinzu kam, dass sie wieder anfing in „Babysprache“ zu sprechen. Sie kann schon fließend sprechen, konjugieren, zusammenhängende Sätze bilden. Und dann fängt sie an mit „Guggagaga“. Uff. Besonders anstrengend, wenn sie dabei etwas von uns will und das Guggagagga dabei immer fordernder wird. Da half es auch nichts, dass wir sie baten bitte einen Satz zu formulieren, weil wir nicht kapieren, was sie will. Wutausbruch incoming….

Verrückt ist auch, dass sie nun im Bett die Flasche gehalten bekommen möchte. Wir haben eine Sportflasche im Bett mit Wasser, damit sie nicht ausläuft. Jetzt muss ich sie damit vor dem Schlafen gehen wie ein Baby „füttern“. Mittlerweile will sie übrigens aktiv mit mir Baby spielen und dabei „in meinem Bauch wohnen“. Dann legt sie eine Decke über sich und bleibt im Bauch, bis sie „schlüpft“. Eigentlich voll niedlich, manchmal aber auch voll anstrengend…

Und dann ist da noch die wiederkehrende orale Phase. Dieses Kind steckt alles in den Mund! Der Rockzipfel ist ständig angelutscht, Steine, Stöcke… ALLES! Bald habe ich zwei Babies hier… Ächz.

Zweiter Akt: Wildtierfütterung

Als wäre das nicht genug, hat sie dann auch noch gefordert, dass wir sie füttern. FÜTTERN! Das Kind kann schon prima mit Gabel und Löffel essen und nun sollten wir sie wieder füttern. Ächz. Haben wir nicht gefüttert, hat sie nicht gegessen. Da ich finde, dass sie ohnehin recht dünn wirkt, war mir dabei nicht so geheuer. Ich wollte, dass sie satt ins Bett geht – und hab mitgespielt. Ja, keine erzieherische Glanzleistung und manchmal war ich auch total sauer und habe gesagt „Dann isst du halt nix“. Tränen, Streit, sie aß ein bisschen. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen soll. EY!

Hinzu kam dann noch, WENN sie mal selber gegessen hat, sah es immer nach Mord und Totschlag aus. Plötzlich landeten nur noch 5 Prozent der Nahrungsmittel in ihrem Mund. Der Rest auf Klamotten, in den Haaren, auf der Stirn, auf dem Tisch, dem Boden, dem Stuhl… Orrr! Ich dachte darüber wären wir weit hinaus. Und nun fangen wir wieder von vorne an…

Die „Nein zu Papa will ich nicht!“-Phase ist zurück

Wir dachten auch das wäre vorbei. Der Bann sei gebrochen und die Verknüpfung zwischen Papa und Tochter endlich hergestellt. Wir dachten es. Papa Michael hat sich so sehr bemüht, so sehr angestrengt und dennoch die ersten Jahre immer wieder nur eine Statistenrolle für Claire gespielt. Als sie ihn dann endlich akzeptiert hatte, war er überglücklich! Das Abendprogramm gehörte allein ihm. Nach dem Abendessen hatte ich endlich „frei“. Zähneputzen, Pyjama, Bett – alles Papas Aufgaben.

Here we are again. Anfangs musste ich die Einschlafbegleitung wieder übernehmen. Dann den Pyjama anziehen, nun auch noch das Zähne putzen. „Nein“ Mama soll!“ wird zum abendlichen Mantra. Irgendwann haben wir die Machtkämpfe aufgegeben. Weder reden, noch Konsequenzen noch sonst was haben Erfolg gezeigt. Claire möchte, dass ich die Abendrituale übernehme, also mach ich das. Das ständige streiten ist anstrengender geworden, als es selbst zu machen. Scheinbar braucht sie es, keine Ahnung warum.

Leider wird meine Aufgabenliste dadurch immer länger, meine Abende und ruhigen Minuten kürzer. Aber was will ich machen? Es ärgert mich aber dennoch: Immerhin hat sich Papa so sehr bemüht und nun ist er doch wieder abgeschrieben. Und er dadurch enttäuscht, frustriert und ja, auch wütend. Immerhin hat er sich wirklich die letzten Jahre den Allerwertesten aufgerissen. Ich habe nichts getan, außer dem Baby die ersten 6 Monate die Brust gegeben. Und dennoch ist unser Band irre stark. Manchmal habe ich das Gefühl, dass es sich wie eine Schlinge um meinen Hals legt. Andere Mütter können das total genießen. Erfreuen sich daran. Ich hätte gern einfach mal Pause. Seufz.

4. Akt: Die Klo-Affäre = Mamas Entthronung

Am aller, aller, aller coolsten, ist aber ihre Neigung dazu, aus allem eine Art Wettbewerb zu machen. Sie muss IMMER Erste sein. Beispielsweise beim Treppensteigen. Wenn wir die Treppe, muss jedes Mal ein „Wettrennen“ stattf inden (natürlich muss sie als Gewinnerin hervorgehen, wenn ich kein Heulkonzert möchte). Es gibt aber weitere Regeln: Sie muss den Startschuss geben. Wenn wir das mal vergessen und ein paar Stufen gegangen sind, fordert sie, dass ich zurückkomme und wir von unten anfange. Mein Kompromis den Wettbewerb einfach von der aktuellen Stufe zu starten, wird nicht entgegengenommen. Mir bleiben zwei Möglichkeiten: Wieder nach unten gehen und mich ihrem Willen beugen oder den Wunsch ignorieren. Ignoriere ich den Wunsch, steht mir ein halbstündiges Weinkonzert bevor. Im Treppenhaus mit Nachbarn ist das ja besonders toll. Und hochtragen geht aktuell einfach gar nicht mehr… Davon abgesehen nervt es mich einfach. Also heißt es: Jedes Mal fragen, ob wir ein Wettrennen machen möchten und, ob sie anzählen mag. Wehe dir liebe Schwangerschaftsdemenz du lässt es mich mal wieder vergessen!

Kritisch wird es auch, wenn ich dringend mal Pippi muss. In der Schwangerschaft ja nichts abnormales. Allerdings darf Claire davon nix mitbekommen. Wenn sie merkt, dass ich auf´s Klo gehe, will sie IMMER vor mir auf Klo. Da hilft alles erklären und bitten nichts. Sie muss vor mir gegangen sein. Manchmal stand ich schon mit hochrotem Gesicht davor und habe ihr gesagt, dass ich jetzt auf den Boden pinkeln werde, wenn sie die Schüssel nicht frei macht. Hat bisher gut funktioniert. Was passiert, wenn ich mich einfach drauf setze? Dreimal dürft ihr raten…

One-way-Ticket to hell

Wo wir beim letzten Punkt wären: Im Moment ist alles so anstrengend. Ständig droht die Maus zu platzen und Mama platzt dann mit. Meine Hormone haben aus mir einen wandernden Eiterpickel gemacht. Piekst man mich an, platze ich einfach auf. Jedes verdammte Mal. Ich habe das nicht im Griff. Mir bleibt also die Wahl zwischen, den Wunsch der Maus erfüllen, oder jedes Mal einen verdammt lauten Streit hervorzurufen. Natürlich wäre es sinnvoller die Konfrontation gelassen durchzustehen, damit die Maus lernt, dass nicht alles so läuft, wie sie es sich wünscht. Aber ich bin ehrlich: Ich habe momentan weniger Kraft und kann das nicht durchstehen. Es sei denn der Papa ist im Haus. Der kann dir Sirene dann ins Zimmer begleiten oder die Treppe herauftragen. Immerhin 😉 Ist das nun alles auf die Entthronung zurückzuführen? Ist das vielleicht einfach normal? Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nur eines: Wir müssen das meistern, denn leichter wird es nicht. Im Gegenteil… Ich hoffe, dass mich zumindest meine Hormone bald wieder in Ruhe lassen. Ich war durchaus mal gechillter!

Ihr habt jetzt bestimmt an einen Stellen gelacht und/oder den Kopf geschüttelt. Hätte ich vor einigen Monaten auch noch. Mittlerweile möchte ich eigentlich nur noch weinen – und mache das ganz oft (Hormone…). Weil ich gestresst bin, weil ich schreie, weil ich mich als Versager fühle, weil ich nicht weiß, was eine adäquate Reaktion auf ihr Verhalten wäre. Streng sein? Konsequenzen zeigen? Wünsche/Bedürfnisse erfüllen? Ich kann hier nicht mal unterscheiden, was Wunsch und was Bedürfnis wäre. Im Moment habe ich das Gefühl, die Prinzessin dreht am Rad und ich dreh mit…

Das schlechte Gewissen muss weg!

Mein Mann hat gefordert nun wieder mehr Konsequenzen walten zu lassen. Das versuche ich nun. Und es tut ganz schön weh. Das muss ich ehrlich gestehen. Mein Bauchgefühl fordert andere Reaktionen. Allerdings liegt das auch ein wenig an dem schlechten Gewissen, welches ich mir nach der Lektüre vom Wunschkind-Ratgeber angeeignet habe…  Das muss ich wieder abschütteln. Nun versuche ich einfach durchzuhalten. Denn ich habe gemerkt: Es wird auch irgendwie leichter damit.Ich fühle mich nur jedes Mal schlecht, wenn ich ihrem Bedürfnis/Wunsch nicht nachkomme und meine eigenen durchsetze. Das muss aufhören. Aktuell probieren wir das „Sanduhren-Prinzip“. Dazu aber später mal mehr. Erst probieren wir das durch 😉

Tja und was ist nun die Moral von der Geschicht? Ich weiß es nicht. Mein dickes Fell schrumpft mit jeder Schwangerschaftswoche und ich bin einfach froh, wenn ich sie hinter mir habe! Ehrlich… Die letzte Schwangerschaft ging mir so leicht von der Hand. Mittlerweile bin ich einfach nur noch müde, müde, müde… Alles erfordert gefühlt einen riesen Kraftaufwand. Ich möchte, dass es meiner Maus gut geht, das Nest bauen, meinen Mann glücklich machen – einfach alles. Und irgendwie vergesse ich mich dabei immer. Ich glaube das wäre der erste Schritt – Hilfe zur Selbsthilfe indem ich MICH in den Mittelpunkt stelle und einfach mal wieder öfter NEIN sage und dann konsequent bin. Das versuch ich ja gerade auch… Und ich versuche das schlechte Gewissen abzustreifen, wenn ich Claire in die Kita gebe, statt sie zu Haus zu lassen. Hilft ja nix, wenn ich mich kümmern will, es aber nervlich nicht schaffe und dann wieder einen Streit vom Zaun breche.

PS: Bevor es nun zu Fehlschlüssen kommt – Ja natürlich reden wir mit dem Kind. Natürlich stellen wir klar, dass wir sie auch mit Baby noch lieben werden. Natürlich weiß sie, dass wir weiter für sie da sind. Wir versuchen ihre Ängste/Probleme zu erkennen. Und ja, generell freut sie sich darauf große Schwester zu werden. Nur für alle, die jetzt gleich wieder Trugschlüsse ziehen…