Selbstbestimmtes Einschlafen

Selbstbestimmtes Einschlafen. Selbstbestimmte Kleiderwahl, Selbstbestimmt hier, selbstbestimmt da. Ich möchte, dass mein Kind zu einer selbstständigen, verantwortungsvollen Frau heranwächst. Selbstsicher soll sie sein. Ein ganz toller Mensch, voller Liebe, Fürsorge…. Ja. Genau. Das war mein Ziel. Als ich anfing mich mit alternativen Erziehungsstilen auseinanderzusetzen, klang das alles immer so toll. Lila-blasslau-rosa-hellgelb mit Glitzer obendrauf. Die Realität: Sie ist schwaaaaarz! Dunkelschwarz! Zumindest hier. An dieser Stelle sollte nämlich eigentlich ein Beitrag über Schwangerschafts-Helferlein entstehen. Stattdessen muss ich mich (leider) mal so richtig auskotzen und verzweifeln.

Leser, die bereits länger dabei sind, wissen, dass wir gerade sehr mit der Entthrohnung zu kämpfen haben und ich mit „Attachement Parenting“ bzw. bedürfnisorientierter Erziehung hadere. Ich tue mich echt schwer. An jeder Ecke heißt es was anderes, wenn man Hilfe sucht, heißt es meistens: Steck zurück! Oder es kommen Tipps, die man schon alle durch hat und man weiß nicht mehr, wo der Weg noch hinführen soll. So wie aktuell. Wir haben aktuell so richtig blöde Baustellen zu Hause und mir gehen die Ideen aus.

Selbstbestimmtes Einschlafen – am Arsch!

Seit längerer Zeit probieren wir das selbstbestimmte Einschlafen aus. Zuletzt weil die Einschlafbegleitung von 10 Minuten auf 2 Stunden angewachsen ist und ich das nicht mehr leisten konnte – und wollte. 2 Stunden im Schlafzimmer? Na Danke, kann ich ja gebrauchen. Meist endet es damit, dass ich dann mit Kind einschlafe – oder besser: ich schlafe, das Kind aber nicht. Der Abend war dann auch gelaufen. Seit das Baby da ist, klappt sowieso gar nix mehr, weil wir in der „Anti-Papa-Phase“ angekommen sind und das Baby dann mit muss. Klappt nicht. Papa darf nur selten Einschlafkuscheln. Meist fordert sie mich und wenn sie das nicht haben kann, gibt´s Tränen. Oke – Einschlafbegleitung ist also gerade nicht. Wir (also ich…) haben Alternativen gesucht und sind beim „selbstbestimmten Einschlafen“ hängen geblieben. Die Kinder entscheiden selber, wann sie müde sind.

Durch einen geregelten Tagesablauf und ihrem Müdigkeitslevel, würde sich das mit den überstrapazierten Schlafenszeiten schon von allein richten. HAHAHA!

Wir haben es so geregelt: Claire wird um 19.30 Uhr bettfertig gemacht, wir halten das übliche Ritual: Vorlesen mit Papa, Hörbuch (10 min) mit Mama, nochmal Hörbuch (10 min) allein und dann ist Schicht im Schacht. Im Schlafzimmer brennt ein helles Nachtlicht, die Tür zum Flur ist auf und im Flur ist das Licht an. Mir wäre Tür zu, Licht aus deutlich lieber, allerdings war das der Anfangskompromis, den wir mit Claire geschlossen hatten, damit das selbstbestimmte Schlafen überhaupt klappt! Wir haben abgemacht, dass sie im Schlafzimmer bleibt, dort gern spielen kann, aber nicht mehr zu uns ins Wohnzimmer kommen soll (Ausnahmen sind natürlich Krankheiten etc.). Wenn sie müde ist, kann sie sich dann hinlegen.

Toilettenmarathon

Seit dieser Regelung muss sie abends plötzlich bis zu 4 Mal auf Klo (ja, das kenne ich noch aus der eigenen Kindheit – man könnt ja was verpassen, im Klo bekommt man noch was vom Tag mit). Bis der Papa dann ein Machtwort spricht und unmissverständlich klar macht, dass es mal Zeit zu schlafen wäre. Versuche sie anders davon zu überzeugen sind bereits gescheitert. Aber sie ist nicht müde, kann nicht schlafen und fängt an unser Schlafzimmer umzudekorieren. Jede Nacht. Bis 23 Uhr. Irgendwann wird das wohl zu langweilig (ggf. gab es ein paar 100 „Mama“-Rufe aus dem Zimmer, weil Stofftier X noch fehlt, weil sie gekuschelt werden muss oder weil ein Pups quer sitzt) und sie schläft ein. JUHU! Endlich Ruhe. Ab 23 Uhr. Herrlich!

Jetzt werden eIn paar gescheite Geister sagen: Ja gut, das Kind braucht halt nur 8 Stunden Schlaf. Damit muss man klar kommen. Ja… SO IST ES ABER NICHT! Dieses Kind ist JEDEN TAG todmüde. Man bekommt sie kaum aus dem Bett (ja, wir haben schon versucht sie früher zu wecken, nein, es kLappt nicht!). Am Wochenende schläft sie 12 bis 14 Stunden – schon seit ihrem ersten Lebensjahr. Das Kind braucht den Schlaf eigentlich. Aber sie schafft es ums Verrecken nicht sich dahingehend selbst zu regulieren. Selbstbestimmtes Einschlafen klappt hier einfach nicht. Für uns ist es übrigens auch keine Option, dass sie im Wohnzimmer herumspringt, bis sie müde ist. Dann können wir nämlich gar nix mehr machen und auch Eltern brauchen Freizeit. Ja ich weiß, für Manche unverständlich, dass man sich nicht 24/7 am Kind ergötzen kann – aber wir ticken nun mal so. Sind egoistischer. Wir wollen Freizeit! Wobei das auch eher Schein als Sein ist, immerhin ist da noch mein Monchihi, was auch erst gegen 23/24 Uhr so richtig Schlafen geht. Da brauch ich erst Recht keinen Flummiball mehr im Wohnzimmer umherhüpfen.

Bevor es nun erste Tipps hagelt, kurz was bisher geschah:

  1. Natürlich haben wir sie gefragt, ob sie Ideen hat, damit es besser läuft.
  2. Ja es gibt Rituale. Ja diese wurden auch schon geändert/angepasst.
  3. Nein, es ist keine Option 2 Stunden im Schlafzimmer zu bleiben.
  4. Ja, wir wissen, dass die Entthronung schwierig ist, schlafen muss sie trotzdem.
  5. Ja, ich will Feierabend haben und es ist mir SEHR wichtig.
  6. Ja, wir haben versucht sie länger wach (bei uns) zu lassen. Dann schlief sie noch später ein.
  7. Ja, auch Bewegung an der frischen Luft ändert das nicht. Baden auch nicht.

Wir möchten sie nicht zwingen zu schlafen, sie nicht anschreien, ihr nicht mit Strafen drohen. Allerdings wissen wir nicht, wie wir sie noch dazu bewegen können die Äuglein einfach freiwillig zu schließen. Ich versuche es nochmal mit einer Änderung der Rituale auf eine gemeinsame Fußmassage statt Hörbuch (wurde mir bei Twitter empfohlen, bin gespannt), stehe aber kurz davor die Flinte bald ins Korn zu werfen. Denn natürlich gerate ich damit auch mit meinem Mann immer wieder aneinander… Er möchte bestrafen und…durchsetzungsstärker werden. Ich nicht. Er möchte sie auch mal weinend einschlafen lasssen, ich nicht. Das führt zu noch mehr Konflikten, noch mehr Kraft, noch mehr Ausgelaugt sein. Früher lief es so leicht. Aber aktuell ist einfach alles Banane.

Selbstbestimmte Virenfalle – Klamottendrama

Natürlich versuche ich Claire in allen Lebenslagen mitbestimmen zu lassen, übergebe auch das Zepter und chille ne Runde, auch, wenn ich ihre Handlungen manchmal für PlemPlem halte. Immerhin soll sie ja ein glücklicher, selbstständiger Mensch werden. Es sollte also das Learning-by-Doing-prinzip greifen. Sollte. Denn in manchen Punkten ist sie lernressistent. Zum Beispiel im Punkt anziehen. Da ist sie eine richtige Prinzessin. Sie will aktuell jeden Tag im Kleid raus. Für mich kein Thema. Es gibt aber Anforderungen: Bei kaltem Wetter muss ein dünner Pulli drunter, ich bestehe auf Leggins oder Strumpfhose und geschlossene Schuhe (vor allem bei Regen). Nun ergibt es sich immer wieder, dass das Kind die Sandalen hübscher findet, oder der Pullover darunter doof aussieht. Früher gab es dann Machtkämpfe, Streit, Wut, Tränen – auf beiden Seiten. Das fand ich scheiße, ich wollte das nicht mehr. Dann laß ich davon, dass Kinder das selbst bestimmen sollen. Juhu, eine neue Idee war geboren (Mein Mann hält mich ja ohnehin schon für bekloppt).

Anfangs hatten wir die üblichen Strategien probiert: Claire sucht sich am Abend aus, was sie anziehen möchte. Morgens war das aber schon nicht mehr schick. Dann sollte sich Claire eben morgens aussuchen, was sie anziehen möchte – aussuchen war noch ok, anziehen dann plötzlich nicht mehr. Man(n) hat versucht zu erklären, warum passende Klamotten so wichtig sind. Wir haben sogar die Entstehung von Erkältungen und Co. auf biologischem Wege erklärt (Ok, es war die Folge „Es war einmal das Leben“) Wir haben das Immunsystem erklärt und wieso Kälte dieses angreifbar macht. – An dieser Stelle kurz: JA, Kälte löst keine Krankheiten aus. ABER Kälte schwächt das Immunsystem dahingehend, dass Krankheiten sich effektiver ausbreiten können, weil der Körper mit der Kälte beschäftigt ist, und dann die bösen Bakterien/Viren an der Körperpolizei vorbeistapfen kann.  Gute Kleidung IST einfach wichtig. – Natürlich hat das alles nichts gebracht. Mit Logik kommt man bei Kindern selten weiter (wieso auch, hilft ja auch bei manch Erwachsenem nichts). Mit Erklärungen auch nicht.

Ohne Jacke bei kaltem Wetter

Einer krank, alle krank

Ich hatte die Machtkämpfe satt und habe mich breitschlagen lassen, ihre Vorstellungen zu akzeptieren: Es ist kalt aber trocken? Ok, dann nimm deine Sandalen mit. War es nass, sind sie in die Kita-Tasche gewandert. Vielleicht kommt ja noch Sonne… Dass sie damit dann in der Kita im nassen Sand spielt, nasse Socken bekommt, es sie aber rein gar nicht stört, war dann ein blöder Nebeneffekt (dort gibt es Gummistiefel, aber keiner achtet drauf, welche Schuhe sie trägt). Das wurde dann auch direkt mit einer Erkältung geahndet. KANN natürlich Zufall gewesen sein. Klar. Kein passendes Schuhwerk, nasse Füße, Erkältung. Muss kein Zusammenhang bestehen. Blöd nur, dass der Papa sich angesteckt hat und über ne Woche ausgeknockt war. Dödöm. Passiert. Einige Zeit später rennt sie ohne Jacke herum und wir dürfen über das Wochenende plötzlich Fieber in unserer Mitte begrüßen. Toll. Was ein Zufall.

Letztens wollte Madame dann mal wieder keinen Pullover anziehen. Ich habe mich mit ihr darauf verständigt, dass sie eine Jacke anzieht und diese auch in der Kita an behält (es war eine Fleecejacke). Claire stimmt zu. Als ich sie abhole, bot sich mir dieses Bild: Alle Kinder tragen Jacken oder zumindest einen Pullover. Die Erzieher tragen Jacken/Ponchos. Nur mein Kind (das kleine gallische Dorf?) spielt da im ärmellosen Kleid im Garten. Die Ärmchen entsprechend kalt. Die Erzieherin meinte dann auch, dass sie Claire mehrmals bat die Jacke anzuziehen, dies aber nicht erfolgt sei. Ja gut, im Sinne der Selbstbestimmung ist das ok. Dass sie am Abend drauf plötzlich irre gehustet hat und sich eklige Schleimklumpen im Hals manifestiert hatten, war semi-geil. Der Besuch im Krankenhaus (Notdienst am We, wie immer) ergab dann auch direkt: Bronchitis. Zudem bahne sich gerade eine Mittelohrentzündung an. Wir kamen noch rechtzeitig (mittlerweile entwickelt man ja ein Gespür für Kinderkrankheiten). Hm komisch. Wieder keine passende Kleidung, wieder krank. Komisch. Und damit es so richtig Spaß macht, sind Marie und ich auch direkt krank geworden – Jackpot. Wooohoo.

Zufall? Gibt´s hier nicht

Natürlich kann das alles immer wieder Zufall sein. Kinder ziehen sich natürlich selbstständig an, wenn sie frieren. So wie sie immer rechtzeitig auf Klo gehen, wenn sie müssen. Und, wie sie Esspausen mitten im Spiel einlegen, wenn der Hunger kommt. *Zwinker Zwinker* Ich bin mir sicher, es gibt so kompetente Kinder, die das alles beherrschen – liest man ja immer und überall – leider gehört mein Kind nicht dazu. Wenn sie spielt und im Flow ist, pinkelt sie sich ein. Wenn sie abgelenkt ist, isst sie auch mal einen ganzen Tag gar nix. Und, wenn sie sich nicht gut anzieht, wird sie schneller krank.

Scheinbar ist der serienmäßige Thermostat, den ein Kind so haben soll, nicht mitgeliefert worden. Vielleicht baller ich ihr jetzt proaktiv Vitaminkuren rein, damit das Immunsystem gestärkt wird? Wäre eine Methode.

Oder aber ich bestehe weiterhin darauf, dass sich das Kind wettergemäß anzieht. Ich habe beschlossen, nun doch darauf zu bestehen. Warum? Weil Claire halt doch noch ein Kind ist und eben NICHT immer die cleversten Entscheidungen trifft. Selbstbestimmtheit ist schön und gut, aber ich finde in Bereichen wie diesen, muss ich dann eben doch auch mal die Mama raushängen lassen. In unserem Fall wäre es sonst einfach fahrlässig (nicht zu merken, dass es zu kalt ist, hat sie übrigens von ihrem Vater, wie ich im Gespräch mit der Schwigermutter erfahren habe. Der ging sogar bei Schnee im T-Shirt aus dem Haus – ohne alles.)

Wie man diesem Beitrag anmerkt, bin ich gerade extrem genervt von „Selbstbestimmt“. Wenn jetzt noch jemand mit „Unerzogen“,“Achtsamkeit“ oder „Bindungsorientiert“ um die Ecke kommt, eröffne ich ein Buzzword-Bullshit-Bingo. Ich bin einfach mega genervt davon, dass es scheinbar überall klappt, nur nicht hier. Was Stimmt nicht mit uns? Warum klappt es nicht? Je gelassener ich werde, desto schlimmer wird es. Je mehr ich ihre Pläne zulasse, ihre Wünsche erfülle und selbst zurückstelle – desto MEHR will sie! Sie wird nicht kompromissbereiter, sondern eher unwilliger. Kompromisse entstehen hier meist dann, wenn ich mal wieder explodiert bin.  Claire will immer mehr und mehr und mehr… Am Beispiel KITA: Ich wollte, dass sie sich von der Situation verabschieden kann. Sie nicht sofort aus dem Alltag entreißen, die Möglichkeit geben den Situationswechsel zu meistern. Mit sehr vielen Methoden. Das Ende vom Lied: Ich stehe manchmal 45-60 Minuten in der Kita, mein Kind kommt nicht und irgendwann reißt mir der Geduldsfaden.

Kita-Phänomen: Ich will, ich will nicht

Das Phänomen Kita ist doch recht merkwürdig. Morgens will sie nicht hin, mittags nicht zurück. Ich habe extra die Stunden reduziert, weil ich dachte „Ich bin jetzt zu Hause, da muss das Kind nicht den ganzen Tag zur Kita“. Pünktlich um 14 Uhr stehe ich meistens auf der Matte, um die Maus mitzunehmen. Und dann beginnt der Spießrutenlauf. Oft sieht sie mich und rennt mir dann nicht freudestrahlend in die Arme (wie bei anderen Eltern), sondern schaut mich böse an „Noch nicht Mama, ich will noch spielen!“. Natürlich verletzt mich sowas, aber ich versuche es zu überspielen. Keep cool! Ich lasse ihr die Führung: „Ok Schatz, spiel noch zu Ende. In 10 Minuten gehen wir aber!“.

Meist wird das (vorerst) akzeptiert. Ich bleibe bei ihr und schaue einfach beim Spielen zu. Nach 5 Minuten gibt es ein Handzeichen: Noch 5 Minuten Schatz! – Ok, Mama! – Noch 3 Minuten, noch 1 Minute, wir gehen! Und dann: „NEIN! Ich muss aber noch…“ zack weggerant. Sie muss dann noch hier hin und da hin. Sich verabschieden, das Bildchen umhängen, mir noch was zeigen. Ich habe schon beides versucht: konsequent, daran festhalten, dass wir gehen und einfach mitmachen, weil ich ja gerade eh Zeit habe. Beides funktioniert nicht. Wenn ich noch mitgehe, zögert es sie immer mehr hinaus, macht immer mehr, spielt dann vielleicht doch nochmal. Das geht so gar nicht! Konsequenz zeigen kann ich aber seit Marie da ist, auch nicht mehr so richtig. Ich bin hilflos!

Verzweifelte Mama

Und dann platze ich

Nach 45 Minuten (mittlerweile versuche ich schon diese Zeit auf 25 zu drücken) platzt mir dann auch der Geduldsfaden. Ich möchte gehen. Und zwar JETZT. Aber was kann ich tun? Schreien? Nein. Befehlen? Nein. Drohen? Nein.Wegtragen? Auch nicht: Ist Marie in der Trage, kann ich Claire nicht auf den Arm nehmen. Zumindest nicht ohne ihr weh zu tun. Es geht einfach nicht. Ja, vielleicht bin ich zu doof. Ich bin nunmal ein Tollpatsch. Schon, wenn ich Claire die Schuhe in der Kita anziehen soll, zerquetsch ich dabei die arme Marie in der Trage. Oft wird mir geraten die Trage auf den Rücken zu schnallen. Das kann ich aber nicht! Hinten habe ich einen enormen Kontrollverlust. Ich würde Marie zig mal weh tun.

Ich kann mit Dingen, die auf meinem Rücken sind, einfach keine Situationen einschätzen. Wer einen meiner alten Schulränzen gesehen hat, weiß wovon ich spreche. Rücken ist einfach tabu.

Vorne ist die Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Schön. Also Kinderwagen. Flippt Claire da aus, kann ich sie zwar tragen, aber den Kinderwagen anschließend nicht einarmig schieben. Hilft also auch nicht weiter (ein Buggyboard habe ich nicht, sollte ich bei Gelegenheit wohl anschaffen). Kind aus der Kita tragen ist also keine Handlungsalternative. Was kann ich sonst tun? Versprechungen machen? Mit Belohnungen locken? Finde ich ehrlich gesagt nicht gut. Das Kind soll lernen, dass es in der Abholzeit abgeholt wird und dann einfach zu gehen hat. So sieht es die Kita nunmal vor (ich wurde, nachdem ich mehrmals länger blieb schon indirekt darauf hingewiesen, dass ich zu lang in der Kita abhänge. Ich hatte beispielsweise seelenruhig gestillt, während Claire gespielt hat). Immerhin bringe ich mit meinem Dasein ja auch alles durcheinander: Kaum tauche ich mit dem Baby auf, strömen die Kinder zu mir und wollen Marie anfassen. Wie im Streichelzoo. Ziemlich uncool. Die Erzieherinnen versuchen auch schon zu unterstützen und Claire sanft hinauszuschmeißen – mit wenig Erfolg…

 Verlass ich mich auf sie, bin ich verlassen

Nach den 45 Minuten, manchmal nach einer Stunde bin ich im Sack. Ich bin es leid zu diskutieren, zu erinnern, zu bitten. Und dann BUMM – ich werde sauer. So mächtig sauer. Ich explodiere. Sollte die KITA wieder erwarten nicht stressig gewesen sein, geht es spätestens beim Ausflug zum Spielplatz los oder beim Spaziergang. EGAL welches Versprechen sie mir gibt, welche Abmachung wir machen, welchen Kompromiss wir schließen – tritt die Situation ein, ist alles vergessen. Und das nervt mich so ab, denn ich kann mich derzeit auf absolut NICHTS verlassen. Ich bin schon gestresst, wenn ich daran denke, dass ich sie überhaupt aus der Kita abholen soll…

Spielplatz und Spazieren gehen habe ich bereits aus dem Vokabular gestrichen. Ich habe das Gefühl, dass ich mit Gelassenheit und Selbstbestimmung absolut nicht weiterkomme. Dass ich Grenzen setzen und durchziehen muss. Dass ich ihre Bedürfnisse ignorieren muss. Ich muss den Platzhirsch machen, um zu zeigen, dass ich die Zügel in der Hand halte – WAAAH. Aber genau das wollte ich doch nicht! Ich wollte nicht der Kuchen sein, der den Krümeln befiehlt.

Aber genau diese Gedanken kehren nun immer wieder zurück. Muss ich doch so handeln? Ist mein Kind einfach zu sehr außer Rand und Band?

Ich würde so gern die Problemstellen finden. Leider helfen Gespräche mit Claire auch nicht weiter. Sie kann mir nicht sagen, warum sie handelt, wie sie handelt. Klar ist einiges auf die Entthronung zu schieben. Aber muss ich mich jetzt um Affen machen? Jeden Tag? Jede Nacht? Das will ich nicht. Ich will sie nicht ewig in den Schlaf begleiten. Ich will nicht ständig ein Krankenlager zu Hause haben. Ich will nicht immer ewig aus sie warten müssen. Es ist so so so so anstrengend derzeit. Und ich bin so so so so so genervt. Ich weiß wirklich nicht, wie lang ich das noch packe…dieses…selbstbestimmt. Denn neben diesen täglichen Kämpfen mit ihr, muss ich auch noch mit meinem Mann kämpfen. Ich muss oft puffern. Muss ihn überzeugen es doch nochmal ohne die „Kuchen-Taktik“ zu versuchen.  Aber langsam legt sich mein Widerstand. Langsam sehe ich die Versuchung den Kuchen heraushängen zu lassen…  Langsam sag ich mir: Selbstbestimmung eines Vierjährigen? Selbstbestimmung am ARSCH!

Jetzt brauch ich dringend etwas Zuversicht. Habt ihr das auch durch? Wird es wieder besser? Oder werde ich letzten Endes zum Hampelmann meiner Tochter, wenn ich so weitermache? WO sagt ihr Stopp und vor allem: WIE?! Mir fehlen gerade die Handlungsalternativen…