„Und als sie dann in meinem Arm lag, da war alles vergessen“. Wie oft lese ich den Satz in intimen Geburtsberichten anderer Mütter und ich bin neidisch. Wirklich eifersüchtig. Denn bei mir ist das nicht so. In erinnere mich an jede Minute mit Grauen. An den Schmerz, die Verzweiflung, die Tränen. Alles. Und diese Erinnerungen bestärken mich auch ganz klar in meiner Einstellung kein weiteres Kind mehr zu bekommen. Zu groß ist die Angst jemals wieder diese Schmerzen erfahren zu müssen. Ich habe wirkliche Panik davor. Seit der Geburt hat mich eine unendliche Müdigkeit eingefangen. Eine Müdigkeit die mir auch zweieinhalb Jahre später nicht aus den Gliedern gewichen ist und mir das Leben manchmal wirklich sehr schwer macht. Ich könnte gar kein Kind mehr bekommen, selbst, wenn ich wollte. Mein Körper ist schon jetzt auf Standby… Und dann lese ich wieder über die Glücksmomente anderer Mütter und frage mich:

Bin ich eine schlechte Mutter? Bin ich eine Mimose? Muss ich nicht pures Glück empfinden, statt unendlicher Müdigkeit, wenn ich mein Kind das erste Mal im Arm halte? Was läuft falsch mit mir?

Die Vorwürfe sind zermürbend. Ich hoffe auf diesem Wege andere Mütter zu finden, die ähnlich empfinden oder empfunden haben. Die andere Seite der Medaille. Ich kann doch nicht die einzige Mutter sein, die das so empfunden hat, oder doch? Wenn ihr mich da draußen hört, schreibt mir, auch gern anonym per Mail. Ich würde mich freuen, wenn ich nicht alleine bin!

Geburtstrauma

Mit der Einleitung auf den Highway to hell

Was war passiert? Meine Schwangerschaft war relativ easy. Die Beschwerden wie Übelkeit und Sodbrennen habe ich gut weggesteckt. Kurzatmigkeit beim Treppen steigen war lästig, aber nicht schlimm. Während der Schwangerschaft hatte ich ein wirklich, wirklich anregendes Sexleben – schwangerer konnte ich ja eh nicht werden 😉 Mein Mann hat das sehr genossen. Und ich erst. Bis zuletzt war ich da sehr aktiv, es hieß ja auch das wäre gut für die Geburt 😉 Ihr seht: Es ging mir wirklich gut. So gut, dass ich sogar bei 38 Grad anfing meine Fenster zu schrubben – typischer Nestbautrieb. Da war ich bereits überfällig, aber ich war gechillt. Ich fuhr an den See, hab den Bauch in der Sonne gebräunt, war schwimmen. Der Muttermund hat ohnehin auf stur geschalten. Ich war echt entspannt. Dann aber war ich bereits 10 Tage überfällig. Dem Baby ging es gut. Dennoch hieß es, dass wir nun mit dem Einleiten anfangen müssten. Also die Krankenhaustasche geschnappt und auf nach Erkelenz.

Ich wusste, dass Wehen die durch die Einleitung hervorgerufen werden schlimmer sein sollen, als normale Wehen. Daher hatte ich ein bisschen Angst. Allerdings wollte ich es auf normalem Wege probieren. Ein Kaiserschnitt kam nicht in Frage. Und damit ging der Höllentrip dann los..

Mein Einleitungs-Tagebuch

Tag 1: Ich bekam so eine Art „Zäpfchen“ eingeführt. Ein Band mit einem Wirkstoff, der die Wehen auslösen soll. Tatsäxchlich stellten sich nach kurzer Zeit Schmerzen ein, die immer schlimmer wurden. Wehen hatte ich auf dem CTG aber angeblich keine. Auch der Muttermund schien unbeeindruckt zu sein. Nach ein paar Stunden waren die Schmerzen so stark, dass ich gewimmert habe und darum bat dieses Ding zu entfernen. Es tat sich absolut nix und ich litt. Für mich einfach nur logisch das dumme Ding wieder zu entfernen. Das Band wurde gezogen, die Schmerzen blieben. Immer im Abstand von wenigen Minuten überkam mich ein neuer Schmerzschub. Stark genug, um mich nachts am Einschlafen zu hindern. Mein Mann blieb bis knapp 3 Uhr bei mir, tröstete mich, hielt mich im Arm. Ich musste regelmäßig zum CTG, aber es tat sich einfach nichts. Um 3 Uhr dann bekam ich endlich Schmerzmittel von einer Schwester. Damit konnte ich tatsächlich 2,5 Stunden schlafen. So lange, bis das Mittel nicht mehr gewirkt hatte. Also war ich ab halb 6 wach. Mein Mann war zu Hause, denn schlafen durfte er nicht im Krankenhaus. Meine Zimmergenossin hat noch geschlafen. Da ich sie nicht wecken wollte, gab es dann auch kein TV für mich. Irgendwie versuchte ich die Zeit bis 9 Uhr zu überstehen, bis mein Mann wieder da war. Ich versuchte die Schmerzen weg zu atmen, was aber irgendwie schwer fiel. Gott sei Dank gab es Facebook schon, was mich ein wenig ablenken konnte – zwischen den Schüben.

Tag 2: Das Frühstück wollte ich nicht anrühren, mein Mann zwang mich dazu. Ich müsse bei Kräften bleiben. Und das mit nicht mal 3 Stunden Schlaf. An diesem Tag versuchten wir es dann mit Pillen. Die Abstände der Schmerzschübe wurden geringer. Mehr passierte nicht. Der Muttermund war wehrhaft. Das CTG bleib stumm… Ich versuchte zu schlafen, aber es ging nicht. Kaum war ich weggenickt kam ein neuer Schub und ich war wieder wach… Mein Mann hielt mich im Arm. Tröstete mich, das half. Nachmittags meinte eine Ärztin, sie könne versuchen den Muttermund mit der Hand zu weiten und damit versuchen die Geburt einzuleiten. Also haben wir es versucht. Erfolglos.

„Angenehm war es nicht, im Gegenteil… Es tat verdammte Scheiße nochmal weh.“

Nicht, dass ich eh schon genug Schmerzen hatte. In dieser Nacht flehte ich meinen Mann erneut zu bleiben. Bis knapp 4 Uhr blieb er, dann wurde er von der Schwester heimgeschickt. Wieder bekam ich kurzfristig ein Schmerzmittel. In einem Beutelchen, welches mich total benommen gemacht hat. Herrlich. Auch dieses hielt aber nur kurzfristig an. 3 Stunden Schlaf waren mir vergönnt. Dann fing der Spießrutenlaug von vorne an… Die Schmerzen waren einfach so stark, dass ich nicht länger ruhen konnte. Ich war übermüdet, entkräftet und gereizt.

Tag 3: Mittlerweile war ich angenervt, übermüdet und mutlos. Ich bat verzweifelt darum, einen Kaiserschnitt zu machen. Aber nein. Natürliche Geburten sind ja so viel besser, wir wollten es weiter versuchen. Diesmal direkt mit dem Tropf. Also erstmal eine PDA und dann ran an den Tropf. Herrlich! Die PDA tat so gut, dass ich direkt 2 Stunden weggeschlafen bin.

„Als ich aufgewacht bin der Schock: Mein gesamter Arm war dick geschwollen. Die haben mir den Tropf falsch gelegt und es lief in den Arm… er war einfach nur taub und unbrauchbar.“

Die Schwester entschuldige sich, und hat alles gerichtet. Mit dem Tropf ging der Muttermund immerhin auf 8 Zentimeter auf. Viel zu wenig aber für eine Geburt. Es tat sich nichts weiter.

„Nun kamen die Ärzte auf die glorreiche Idee die PDA ‚wegzunehmen‘ und mit den ‚Wehen zu arbeiten‘

Wenn ich den Satz jemals wieder höre, werde ich jemand in der Luft zerreissen. Isso. Ich willigte ein und war erstaunt, wie heftig die Schmerzen über mich kamen. Ich wurde gedrängt verschiedene Übungen im Vierfüßlerstand zu machen, um den Muttermund zu weiten. Und das mit einem tauben, geschwollenen Arm und scheiß Schmerzen (der andere Arm war übrigens durch ebenfalls unrbauchbar, weil da ein weiterer Zugang lag und ich die Hand eigtl. nicht knicken konnte). Ich habe mitgemacht und angefangen zu weinen. Wirklich zu heulen, denn es tat so weh. Ich habe gefleht, dass sie aufhören sollen. An diesem Tag habe ich meinen Mann das erste und einzige Mal weinen sehen. Er war so verzweifelt, dass er nichts tun konnte. Wusch mir den Schweiß von der Stirn, hielt meine Hand aber die Schmerzen konnte er nicht nehmen. Und die Verzweiflung ließ ihn weinen. Ich werde das Gesicht niemals vergessen.

Irgendwann war es zu viel. Nicht mehr nur für mich, auch für das Baby. Die Werte wurden schlechter. Gott sei Dank kam dann endlich der erlösende Kaiserschnitt. Es ging alles ganz schnell: PDA wieder an. Auf das Krankenhausbett und ab in den Op. Mein Mann war natürlich mit dabei. Binnen 7 Minuten war die klein Claire dann endlich da. In mir machte sich Erleichterung breit. Ich wurde in einen Kreissaal geschoben, bekam Claire in den Arm und gemeinsam schiefen wir einfach nur erschöpft ein. Nach knapp 2 Stunden bin ich aufgewacht und habe so langsam erst verstanden, dass es vorbei war. Dass ich jetzt Mutter war, konnte ich nicht verstehen. Lange nicht. Claire schlief die Nacht in meinem Arm und wurde immer von ihrem Papa oder den Schwestern gewickelt. Eigentlich alles prima.

babyfüße

Tag 4: Wenn ihr jetzt meint, das war´s, dann liegt ihr falsch. Mit dem Kaiserschnitt war es lange nicht vorbei. Wer das freiwillig macht. Wow. Niemals mehr würde ich das machen. Das Aufstehen war furchtbar. Das Pinkeln war schlimm. Und die Rückenschmerzen die sich durch das ständige gebückt gehen ergaben… Ich hatte wochenlang damit zu kämpfen… Die Narbe ist nie verheilt. Bauchmuskeln hatte ich keine mehr. Ich war nicht mehr ich, als ich in den Spiegel blickte. Schön war´s nicht. Und ich erinnere mich leider an alles. Seit dem Tag habe ich mich niemals mehr ausgeschlafen gefühlt, egal wie lange ich geschlafen habe (Was anfangs nicht viel war). Hinzu kamen dann die Stillbeschwerden. Entzündete, blutende Brüste. Koliken. Zu viel.

Geburtstrauma? Vielleicht. Vorwürfe? Oh Ja.

Ich denke, dass die Geburt und alles was danach kam auch mit Auslöser der Wochenbettdepressionen waren, die mich dann überkamen. In einem späteren Gespräch mit der Krabbelgruppen-Leiterin war von einem Geburtstrauma die Rede. Ob es so ist, keine Ahnung. Jeder sagte mir immer nur, wie toll sich Claire entwickelt. Was für eine wundervolle Beziehung wir miteinander haben würden. Wie verbunden wir seien. Für mich fühlte es sich anders an. Ich habe lange gebraucht um zu verstehen, dass ich jetzt Mutter bin. Habe alles aus Reflexen und Intuition gemacht. Nicht etwa aus Schmetterlingshaften Muttergefühlen. Da habe ich schon bemerkt, dass was nicht stimmt. Und je mehr ich von glücklichen Müttern gelesen habe, desto schlimmer wurde es… Auch heute noch habe ich Bilder der Geburt im Kopf. Wenn ich kleine, süße Neugeborene sehe, macht sich kurz ein Ziehen in meiner Magengegend breit. Dann habe ich ein paar Sekunden den Wunsch nach so einem Bauchzwerg. Doch blitzschnell schießen mir alle Bilder und negative Gefühle in den Kopf und ich weiß: Ich bin nicht bereit für noch ein Kind. Und ich werde es wohl nie mehr sein.

EDIT:

Tausend Dank für eure Lieben Stimmen und Zusprüche in den Kommentare, auf Facebook auf Twitter und via Direktnachricht! Mädels: Wir sind NICHT allein. Es geht vielen ähnlich wie uns <3

„Danke,dass Du es aufgeschrieben hast!! Vielleicht hilft es Dir! Ich hatte übrigens nach beiden Geburten (eine traumatisch und eine wunderschön) keine Glücksgefühle. Gar keine. Es gibt sicher mehr Frauen als man denkt, wo das so war“ (Anonym)

„Hallo, dein Blogeintrag zu deiner Geburt war sehr mutig! Das wollte ich einfach nur loswerden.“ (Anonym)

Hallo. Sehr schön geschrieben. Du bist nicht alleine mit deinen Empfindungen. Was ich bei mir merke das mein Kind mein Sensor ist wie es mir geht. Geht’s mir nicht so gut, dann dreht er hohl und hat Wutanfälle. Vll ist es ja bei euch genauso.“ (Anonym)

Ich musste grad weinen… Fast genauso wie bei mir… Mir fehlen die Worte… Sehr schön geschrieben! Nur eins: du bist nicht allein!„(Anonym)

Ich drück dich mal aus der Ferne! Ich habe eine sehr ähnliche Geschichte, die mich bis heute nicht loslässt und meine Tochter ist schon 6. Geburtstrauma – das umschreibt das erlebte ziemlich gut und wird man wohl nie verarbeiten. Leider wird es bei uns auch kein 2. Kind geben“ (Anonym)

Anmerkung: Ich weiß, dass es ein sehr emotionales Thema ist, was die Gemüter hochkochen lässt. Dennoch wäre ich froh, wenn ihr euch um einen fairen Ton bemüht. Claire ist trotz allem ein fröhliches, kluges und herzlichen Kind. Mittlerweile habe ich mich in die Mutterrolle eingefunden, versuche aber dennoch eine Working-Life-Balance zu schaffen. Das Thema hat mich lange beschäftigt und belastet. Dass Claire so ein wundervolles Kind geworden ist, zeigt mir, dass ich nicht alles falsch gemacht habe. Dennoch wäre es toll nicht beleidigt zu werden. Danke!

Einleitung mit Not Kaiserschnitt