Kein böser Weihnachtsmann

Kurz vor Weihnachten höre ich immer wieder einen fiesen Satz (in veschiedensten Abwandlungen): „Mach das nicht, das kann der Weihnachtsmann sehen!“, „Willst du, dass ich das dem Weihnachtsmann sage?“ oder noch schlimmer: „Pass auf, sonst gibt es die Rute zu Weihnachten!“. Drohungen. Mit dem Weihnachtsmann. Oder Christkind, oder Nikolaus. Knecht Ruprecht kommt mit der Rute und versohlt den Kindern den Po. Oder die Geschenke fallen in diesem Jahr aus. Autsch.

[Anmerkung] Wer an Weihnachten weder das Christkind, noch den Weihnachtsmann kommen lässt und dies sogar als „Anlügen der Kinder“ bezeichnet, möge hier bitte nicht mehr weiterlesen. Das würde nur umsonst zu Ärger führen.

Warum schenkt der Weihnachtsmann? Weil er es kann

Wir vermeiden Sätze wie diese, denn der Weihnachtsmann ist hier jemand „Gutes“. Er beschenkt ALLE Kinder zu Weihnachten, weil – er es kann. Ganz einfach. Vielleicht hat er Kohle ohne Ende, vielleicht ein Herz aus Gold, letztlich erhält jedes Kind zu Weihnachten ein kleines Geschenk. Völlig egal, wie es sich verhalten hat. Aber ich weiß auch, dass es nicht überall so ist. Manchmal bekommt auch Claire Sprüche gedrückt wie:

„Jetzt hör aber mal auf deine Mama, sonst bringt dir der Weihnachtsmann nichts!“.

Ich nehme Claire in so einer Situation dann zur Seite und sage ganz klar – mit fiesem Seitenblick – das Person X nur einen Witz gemacht hat und der Weihnachtsmann natürlich allen Kindern Geschenke bringt. Dann sage ich natürlich auch noch, dass ich es aber denn besser fände, wenn XY funktionieren würde. Oder, dass wir eine Abmachung hatten, oder, oder oder. Ich komme dann auf das eigentliche Problem zu sprechen und lasse den Weihnachtsmann komplett außen vor.

Mir ist klar, dass das viele Personen ohne böse Absicht machen. Bei vielen sitzt der Spruch einfach auf den Lippen, weil sie es nicht anders kennen. Weil sie es vielleicht nicht böse meinen und sogar helfen wollen. Statt selbst der „Böse“ zu sein und eine Ansage zu machen, lockt man eben mit der Strafe durch den Weihnachtsmann. Ja, das kann funktionieren. Aber das ist nicht der Weg, den ich gehen möchte. Ich möchte, dass die Maus frei von Strafen groß wird – irgendwie…. Daher bin ich den meisten Menschen nicht einmal böse, die das sagen. Ich „bereinige“ den Fehltritt und lass es gut sein. Es sind schließlich auch (meist) nur Eltern, die es nicht besser wissen, weil sie es nicht anders kennen.

Böser Kitafauxpas mit Wichtelbrief

ABER: Ich habe nun kürzlich einen Brief von Erziehern  gelesen, die sich als Wichtel ausgaben, der mich unglaublich wütend gemacht hat. Folgende Situation: Kita-Kinder erhalten einen Brief von den Wichteln. Ein Ereignis, welches normalerweise mit großer Freude wahrgenommen werden sollte. Diese Wichtel jedoch waren nicht erpicht darauf dem Kind Freude zu bringen, sondern eher eine Schelte. In dem Brief von Kind X (ich zeige das Bild nicht und zitiere jetzt frei) geht es zunächst darum, was das Kind gut gemacht hat, es wird gelobt. Doch dann folgen Sätze wie:

„Sei nicht immer so zickig zu den Kindern und deiner Mutter“ oder „Wir werden dich weiter beobachten.“

What? Big Wichtel is watching you? Wurde das Kindergartenkind da gerade erntshaft bedroht? Sorry, aber das geht gar nicht! Soll das Kind nun in der Angst groß werden ständig beobachtet zu werden? Soll es ein negatives Verhältnis zu Weihnachtswicheltn aufbauen? Liebe Pädagogen: Setzen 6! Das geht ja mal gar nicht. Zumal hier junge Pädagogen am Start waren, die einfach moderne Pädagogik gelernt haben sollten und nicht von der „alten Schule“ kommen. Was habt ihr euch dabei bitte gedacht? Das Kind wartet da freudestrahlend auf seinen speziellen Brief und bekommt eine solche Schelte? Da hättet ihr dem Kind auch direkt eine Ohrfeige geben können. Pfui!

Nora Imlau hatte den Brief auch aufgegriffen und erklärt, wo das Problem dabei liegt 🙂

Traurige Weihnachten aus der Kindheit

Weihnachten sollte FREI VON STRAFEN, DROHUNGEN UND SCHELTEN sein. Warum ich so emotional reagiere? Weil ich die Rute auch kenne. Unsere Weihnachten waren – bis auf zwei Ausnahmen – nicht wirklich schön. Zumindest erinnere ich mich meist nur an sehr dunkle Weihnachten. Allein das Erlebnis, dass wir an Weihnachten den Christbaum abschmücken mussten, weil es Streit mit unserer Mutter gab, sagt schon alles aus.

Das hat mein Kinderherz ziemlich böse mitgenommen. Und genau deswegen möchte ich nicht, dass Claire oder Marie jemals so blöde bedroht werden. Wir haben 2017 nicht mehr 1997. Es muss aufhören, dass die Kinder Angst zu Weihnachten empfinden.

[Anmerkung] Ich möchte hinzufügen, dass es NICHT um unsere Kita geht. Hier liegt nämlich der Fokus auf liebe Wichtel und die Kinder sollen keine Schelten kassieren. Was ich nebenbei gesagt sehr gut an unserer Kita finde.

Kann man Liebe falsch in Worte fassen? Scheinbar ja.

In diesem Zusammenhang möchte ich euch von einem Erlebnis berichten, welches ich gestern in einer Facebook-Gruppe hatte. An Weihnachten werden wir Besuch vom Weihnachtsmann haben. Letztes Jahr war er auch da und ich habe mit Mehl Fußspuren gelegt. Dieses Jahr wird er wahrhaftig vorbeikommen. Der Weihnachtsmann nimmt sein goldenes Buch mit und wird daraus etwas über Claire vorlesen. Ich hatte einen kleinen Brief konzipiert, den ich dem Weihnachtsmann zukommen lassen wollte, damit er ihn halbwegs „einstudieren“ kann. Da ich darauf Wert lege, dass meine Wertschätzung für Claire gut dabei herauskommt, habe ich den Brief in der Gruppe veröffentlicht.

Ich habe dabei sehr viel Wert auf ihren Umgang mit Marie gelegt, da dies – trotz Entthronung – sehr gut klappt. Ich hatte gehofft, sie damit zu bestärken eine tolle große Schwester zu sein. Außerdem fiel es mir recht schwer, andere Punkte zu finden, da ich „Bereitschaft Kompromisse einzugehen steigt an“ jetzt auch irgendwie unpassend fand. Der Brief war in etwa so (ich habe ihn nicht mehr ganz genau vorliegen, weil ich gestern Nacht die Gruppe verlassen hatte und den Brief gelöscht habe. Ihr erfahrt noch warum).

„Liebe Claire, ich habe gehört, du bist in diesem Jahr große Schwester geworden und hast deine kleine Schwester Marie ganz liebevoll empfangen. Du kümmerst dich immer sehr gut um sie und unterstützt deine Mama, wenn sie Hilfe benötigt. Du zeigst immer stolz, dass du ihre große Schwester bist und zeigst anderen Kindern wie man sie richtig streichelt. Da freue ich mich wirklich sehr darüber und bin sicher, dass sie bei dir in sehr guten Händen ist. Seit Marie da ist, ist die Liebe in eurer Familie für euch beide gewachsen – ähnlich wie in diesem Film – ähm, The Boss Baby, den du so gern magst. Deine Eltern scheinen sehr stolz auf dich zu sein. Ich freue mich schon darauf zu sehen, was euch im kommenden Jahr alles erwarten wird. Aber genug der Worte. Du bist sicherlich schon ganz gespannt, was meine Helferlein für euch eingepackt haben. Lass uns doch mal nachsehen…“

Der Brief aus der Hölle

So. Da war er nun. Der Brief aus der Hölle. Ich bin sicher, da fehlt ein Absatz, aber ich komm nicht mehr drauf… Jedenfalls meinte man zunächst, er sei zu Marie-lastig. Das habe ich auch so angenommen und mit meinem Mann gebrainstormed, was wir da machen könnten. Dann kamen Tipps wie: Füg doch Alltägliches hinzu! Also: „Du tanzt/singst/malst gern. Für mich schien das erstmal komisch, weil ich dachte: Hä? Was ist denn daran jetzt besonders. Aber dann wurde ich erleuchtet: Das Besondere ist, dass der Weihnachtsmann das über sie weiß! Dass er sie sieht, weiß was sie gern macht. Das hat mir eingeleuchtet. War auch nett und gut erklärt.

Dann habe ich aber einen Fehler gemacht: Ich habe zugegeben, dass es hier gerade nicht so rund läuft und es mir schwer fällt, andere positive Dinge zu finden. Dann bekam ich einen wirklich fiesen und auch übergriffigen Kommentar an den Kopf geknallt: „Vielleicht…vielleicht wird Claire ein schönes Weihnachten haben. Wenn du die Anmerkungen annimmst und reflektierst“ (wieder frei zitiert, an den genauen Wortlaut erinnerre ich mich nicht. Untermalt wurde der Kommentar von einem Bild mit diesem Zitat: „Bevor ein Kind Schwierigkeiten macht, hat es welche – Alfred Adler„. BÄM. Eigentlich hätte sie sagen können: „Mach es wie wir dir sagen, sonst hat Claire kein schönes Weihnachtsfest und außerdem bist du hier das Problem Bitch!“

Lob ist BÖSÄÄÄÄ

Und es ging noch weiter. Der Brief wurde als „schrecklich“ betitelt. Plötzlich wurde der gesamte Brief hinterfragt: Warum ich überhaupt einen solchen Brief verfassen würde, warum es nicht ausreicht zu sagen: Du bist ein tolles Mädchen (wobei der Brief ja genau das aussagen sollte). Da kam dann die „Lob-Polizei“, die mir einen endlosen Vortrag darüber hielt, warum Lob böse ist und mir dann sagte: „Du bist sicher als Kind häufig gelobt worden und davon abhängig. Das ist aber nicht gut, denn das Ausbleiben von Lob, wird als Strafe wahrgenommen.“

NOPE: Ich wurde als Kind NIE gelobt. Auch nie in den Arm genommen. Mir sagte man auch nicht, dass man mich liebt. Blöd gelaufen Fräulein Hobbypschologin. Ich habe einfach klare Ansagen gemacht, dass ich da nicht weiter diskutieren möchte und für mich Lob dazu gehört. Ende.

That eskalated quickly

Allerdings hat es sich ziemlich hochgeschaukelt, weil man nicht lockerließ und ich dann auch ein paar fiese Spitzen ausgteilt habe. Leider erinnere ich mich nicht mehr an alles und vieles verschwamm dann auch unter dem Tränenschleier, der sich über meine Augen gebildet hatte. Ich hatte da einen – für mich – wunderschönen Brief an Claire verfasst, der meinen Stolz ausdrücken sollte. Und genau dieser wurde nun in der Luft zerfetzt, komplett hinterfragt und hinterlies ein verdammt mieses Gefühl. Ich fühlte mich mega miserabel und unendlich traurig. Aber auch wütend. So verdammt wütend.

Ich schreib dann sowas wie: „Ich würde dir gern so einiges an den Kopf werfen. Darunter eine Bratpfanne!“

Hoppla! Und schon wurde ich der virtuellen Androhung bezichtigt. Really? Ich solle mal in mich gehen und reflektieren. Das hab ich in sekundenschnelle getan. Ich beschloss den Beitrag zu löschen und die Gruppe wortlos zu verlassen. Diesen ganzen Attachement Parenting-Scheiß in dieser Form (Facebook-Gruppe) hinter mir zu lassen. Wenn das AP ist, dann will ich es einfach nicht. Wenn ein Brief aus dem Herzen derart zerissen und hinterfragt wird, dann frage ich mich, ob ich erst ein Studium in AP brauche, um das richtig anzuwenden. Und falls ja, will ich das gar nicht… Ich möchte mit Intuition und Bauchgefühl arbeiten – mir aber kluge Ratschläge einholen, um Probleme zu lösen.

Licht im Dunkeln

Wisst ihr, was mir aber Mut gemacht hat? Nora fand den Brief gar nicht so schlecht. Und auch Inke nicht. Ich hab es also nicht total vermasselt. Scheinbar bin ich nur mal wieder an die falschen Personen geraten. Egal. Ich suche lieber Rat in der Twitter Bubble. Da gab es bisher nicht solche Probleme. Dann bleiben mir einige Nerven und Tränen erspart….

Der Brief aus dem goldenen Buch des Weihnachtsmanns

Ach ja, dies ist übrigens nun eine weitere Variante des Briefs. Wir werden noch daran feilen, aber ich hoffe, er nimmt Gestalt an:

„Liebe Claire,

ich habe gehört, du bist in diesem Jahr große Schwester geworden und hast deine kleine Schwester Marie ganz liebevoll empfangen. Du kümmerst dich immer sehr gut um sie und unterstützt deine Mama, wenn sie Hilfe benötigt. Da freue ich mich wirklich sehr darüber und bin sicher, dass sie bei dir in sehr guten Händen ist. Und ich habe gehört, dass du und deine Freundin Samia bei den Tanzmariechen seid und du im nächsten Jahr deinen ersten Auftritt haben wirst. Du bist sicherlich schon ganz aufgeregt, oder?

Seit einigen Monaten wohnt ein neues Mädchen hier im Haus – Katharina. Ihr seid schon gute Freundinnen geworden, oder? Ich habe gehört, dass du bei ihr immer besonders kreativ bist und viele Bilder für deine Eltern malst. Sie scheinen sehr stolz darauf zu sein. An der Wand ist ja bald kein Platz mehr! Ich freue mich schon darauf zu sehen, was euch im kommenden Jahr alles erwarten wird. Aber genug der Worte. Du bist sicherlich schon ganz gespannt, was meine Helferlein für euch eingepackt haben. Lass uns doch mal nachsehen…“