Kinder dürfen keine Veganer sein

Wenn man Mutter wird, sagt einem keiner, dass man sich mit der Geburt in einem ständigen Kampf befindet. Im Kampf mit sich selbst, mit dem Kind, mit anderen Mütter, mit der Kita, den Ärzten, dem Ehemann. Das muss natürlich nicht sein. Irgendwie habe ich nur das „Glück“, alles so zu machen, wie es im Augen anderer scheinbar falsch ist. Ernährung ist beispielsweise so ein Thema, was immer wieder zu Kleinkriegen führt: Flaschenmamis vs. Stillmamis. Fleischfresser vs. Vegetarier vs. Veganer. Eigentlich wollte ich mich diesen Kriegen entziehen – und ups: Nun bin ich mitten drin. Meine Tochter ist nämlich „Teilzeit-Veganer„, wie ich sie liebevoll nenne.

[Anmerkung] Ich möchte euch bitten – vor allem die Veganer unter euch – euren Lebensstil niemandem auf das Auge zu drücken. Hier geht es nicht darum, wer den besseren Lebensstil pflegt. Und ich möchte auch keine Grundsatzdiskussionen dazu. Hier geht es um unser individuelles Problem. Ich bitte euch, das Leben anderer zu akzeptieren und nicht euren Stempel aufzudrücken. Danke!

Fleischfressende Mami, veganes Kind

Warum das so ist, habe ich ausführlich in einem Blogbeitrag beschrieben. Nur nochmal zusammenfassend: WIR sind Fleischfresser und zwingen sie nicht auf Tier zu verzichten (nur, um das nochmal voranzustellen). Bei meiner Tochter besteht der Wunsch auf Tier sowie tierische Produkte zu verzichten – zumindest zum größten Teil. Und nun kommt die Krux an der Sache: ICH will das gar nicht. ICH glaube selbst nicht, dass vegane Ernährung gesund ist. Ich weiß, Veganer behaupten was anderes. Es gibt Studien die das eine und das andere behaupten. Ich gehöre eigentlich zu dem Lager, die zumindest Ei und Milch für sehr sinnvoll und wichtig erachten.

ABER: Ich möchte auch, dass meine Tochter sich frei entscheiden kann. Wenn sie der Meinung ist, dass sie auf Tiere verzichten will, dann akzeptiere ich das und versuche das zu unterstützen.

Dann muss ich ihr zum Frühstück eben Sojamilch ausschenken. Ich trink weiter Kuhmilch. Und ja, ich muss mir extra Arbeit machen und extra Gerichte zubereiten. Das nervt mich schon und stresst ein wenig. Aber hier wird weiterhin frisch gekocht. Ich habe nicht vor ihr irgendwelche chemieverseuchte Fertignahrung zu servieren. Da fängt aber das Dilemma so richtig an. Eigentlich bin ich überzeugter Fleischfresser und kann Veganer Ernährung nix abgewinnen. Nun sehe ich mich damit konfrontiert, dass meine Tochter genau zu der Gruppe gehört, um die ich bisher einen Bogen gemacht habe (ich kann diese Diskussionen nicht leiden. Jeder soll essen was er will und gut).

Die panische Kinderärztin

Bisher lief ihr Teilzeit-Veganismus so ab, dass sie größtenteils verzichtet hat. Das heißt: Wenn Ei oder Milch enthalten ist, gebe ich ihr Bescheid und SIE entscheidet, ob sie es essen mag oder nicht. Manchmal verzichtet sie, manchmal ist es für sie ok: „Mama, ich bin jetzt kein Veganer mehr, aber gleich wieder“. Mir ist es wichtig, dass sie a) Bescheid weiß und damit b) selber entscheiden kann. Sie isst also auch gern mal Pfannkuchen, Eis oder Quark. So wie heute. Es gab Fruchtquark mit frischen Früchten. Sie hat 3 Portionen gegessen.

Jetzt hatte ich aber Angst (überall wird einem ja immer Angst gemacht), dass diese „Ausnahmen“ nicht ausreichen. Dass ihre Vitamine nicht vollständig abgedeckt werden. Jeder macht ja andere Angaben dazu, wie viel Gramm von welcher Zutat ausreichen, um einem Mangel XY vorzubeugen. Ich wollte professionelle Hilfe. Natürlich habe ich schon in vegane Kochgruppen geschmuhlt und versucht so zu kochen, dass bestimmte Vitamine dennoch erhalten bleiben. Blöd nur, dass das Kind gerade sehr mäkelig ist und daher auch da nicht wirklich alles isst (Hülsenfrüchte oder „alternative“ Produkte wie Bulgur oder Couscous gehen z.B. gerade gar nicht). Ich habe entschieden, den KIA anzurufen und einen Check-up zu vereinbaren. Ich dachte das passt prima, da eh die U8 fällig ist. Das können wir in einem Abwasch machen. Die U8 haben wir dann auch vereinbart. Als ich dann erzählt habe, dass das Kind weitestgehend auf tierische Produkte verzichtet, war Polen plötzlich offen. Die Arzthelferin wollte sich mit der Frau Dr. besprechen und am Folgetag bekam ich einen Rückruf.

Der zweite Satz war: Sie dürfen das Kind nicht vegan ernähren!!!

Ich soll Claire zu Milch & Co. zwingen

Huch? Wie jetzt? Was geht? Ist ja nicht so, als zwinge ich das Kind dazu… Sie hat direkt einen Notfalltermin nur 2 Tage später vereinbart. Da waren wir heute. Natürlich habe ich mir so meine Gedanken und Sorgen gemacht. Ich kam mir schon wieder richtig schlecht vor. Als würde ich mein Kind körperlich misshandeln. Im Termin habe ich kurz erklärt, das Claire seit Weihnachten kein Fleisch mehr isst und eben sehr oft auf tierische Produkte verzichtet. Ich habe beispielsweise erwähnt, dass sie bei Pizza den Käse nicht essen würde. Daraufhin kam diese Antwort:

„Also das würde ich gar nicht machen! Wenn das Kind den Käse nicht isst, dann isst sie im Zweifel eben mal gar nichts. Sie müssen ihr klar machen, dass das wichtig ist.“

Ungewollte Ratschläge zur Erziehung

Immerhin kaufe nicht das Kind ein, sondern ich. Und ich entscheide damit, was auf den Tisch kommt. Ich soll mich durch solche Allüren nicht aus dem Konzept bringen lassen (so in etwa zusammengefasst). Letztlich soll ich Claire also eine Ernährung aufzwängen, die sie gar nicht will und im Zweifelsfall mit Essens-Entzug bestrafen. Damit sie beim nächsten Mal den Käse auch isst. POAAAAH – ich halte ja schon nichts davon bei normaler Ernährung mit solchen Mitteln vorzugehen. Und schon gar nicht, wenn das Kind aus Prinzip auf etwas verzichten mag. Ich fände es ja auch semi-geil, wenn man mich zwingen würde Innereien zu essen – die kann ICH nämlich nicht leiden. Erstmal war ich entsetzt, über diese Ansicht. Entweder essen oder es gibt halt nix, damit das Kind das „lernt“? Echt jetzt? Ich bin zwar nicht soooo sehr bedürfnisorientiert, aber konditionieren will ich das Kind auch nicht!

Das musste ich sacken lassen. Als ich ihr erzählt habe, dass ich dem Kind extra Gerichte zubereite und halt sowas wie Sojamilch /Hafermilch/Mandelmilch/Kokosmilch als Alternative anbiete, war sie fast fassungslos. Das soll ich auf keinen Fall machen. Dann kommt das Kind ja „durch“. Ähm.. ok?! Am Schlimmsten aber am ganzen Gespräch war, dass ich gemerkt habe, dass mein Mann der gleichen Meinung ist – wie die Ärztin. Sie hat nochmal eingehend darauf hingewiesen, dass vegane Ernährung zu Mangelerscheinungen führt und sehr ungesund ist. Generell – nicht nur bei Kindern. Aber gerade Kinder kann es schaden. Uff… Tolles Argument für meinen Mann, meine Erziehung zu durchkreuzen.

Fit, fitter, am fittesten: Claire geht es blendend

Die Ärztin hatte Claire kurz untersucht und festgestellt, dass sie ein sehr fittes, vitales Kind ist. Keine Anzeichen eines Mangels. Sie hatte auch eingewilligt, einen Bluttest an der U8 zu machen. Immerhin. Dennoch hat sie mich beschworen (sie hat wohl gemerkt, dass ich deutlich Anti war), dem Kind auf jeden Fall Milchprodukte zu geben. Was mich besonders gestört hat, dass sie nicht einmal mit dem Kind gesprochen hat… Sie weiß nicht, wie das Kind darüber denkt, was das Motiv ist. Es interessiert sie auch nicht. ABER – und das fand ich echt übergriffig – sie hat das Kind am Ende beschworen, ab sofort Joghurt und Quark zu essen. Claire musst es ihr versprechen und ich dachte mir nur_ Es gibt bestimmt Veganen Quark – den hol ich ihr – ÄTSCH! (Ja ich bin manchmal sehr kindisch).

Als wir draußen waren, fühlte ich mich wie so ein Gangster. Das Problem dabei ist, dass ich ja selber der Meinung bin, dass vegane Ernährung nicht soooo gesund sein kann. Aber ich will mein Kind zu nichts zwingen und sie unterstützen! Ich hatte gehofft Hilfe zu finden, damit wir das gemeinsam im Auge haben können. Ich bin weder Ernährungsberaterin noch Ärztin. Das weiß ich selber. genau deswegen suchte ich ja nach Rat und Hilfestellung bei einer Expertin. Doch statt: „Ok, lass uns sehen wie es sich entwickelt und das ganze überwachen“ bekam ich nur „Oh Gott, das Kind MUSS essen“ zu hören. Das ist ziemlich blöd jetzt.

Ist Teilzeit-Veganismus echt so schlimm?

Würde mein Kind vollkommen auf Tier verzichten, wäre ich sicherlich nochmal ein wenig anders drauf. Hätte mehr Bedenken und Ängste. Hier ist es aber so, dass sie halt Ausnahmen macht. So wie heute: Zum Frühstück Nutellabrot, im Kino gab es ein Eis, Abends aß sie bei unserem Früchtequark mit. Solche Tage gibt es. Und dann wieder Tage, da muss ich ihr alle Restbestände vom Käse von der Pizza kratzen, wenn der Service falsch geliefert hat (für sie bestelle ich mittlerweile ohne Käse).

Durch diesen ständigen Wechsel bin ich extrem unsicher, in wie weit was fehlt oder auch nicht. Ich möchte nicht supplementieren, wenn kein Bedarf ist. Eigentlich will ich ihr gar keine Tabletten geben müssen… Wobei sie hin und wieder meine Multivitamintabletten mopst und trinkt. Da ist beispielsweise B12 drin – was Veganern ja fehlen soll. Hilft aber nix: Mein KIA ist der Meiunung, dass man Milchprodukte durch nix adäquat ersetzen könne. Grrrr – mein Mann scheint das verinnerlicht zu haben. Ich möchte, dass sie sich frei entscheiden kann und durch ihre Entscheidung kein Schaden aufkommt. Das einzuschätzen ist eigentlich eher Aufgabe der Ärztin. Oder? Ich weiß es gerade nicht…

Entscheidungsfreiheit für das Kind oder nicht?

Und nun? Nun liege ich im Klinch mit meinem Mann, der das wie die Ärztin sieht und das Kind nun Essen aufzwingen will. Immerhin ist das Kind zu jung, um solche „schwerwiegenden“ Entscheidungen zu treffen. Ich will das aber immernoch nicht! Ich habe eingewilligt, sie öfter zu fragen, ob sie gern Quark, Milchprodukte und Co. essen möchte. Ich werde es ihr häufiger anbieten. Aber ich werde sie nicht zwingen zu essen, was sie nicht will. Sie soll nicht hungrig vom Tisch weggehen, zur Not isst sie eben mal nur Beilagen mit Ketchup. Pff, was soll´s. Andere Kinder essen sowas wochenlang, hab ich gehört. Und immerhin isst Claire sonst sau gern Obst und Gemüse (wenn auch nur bestimmtes).

Dennoch liege ich im inneren Klinch mit mir und frage mich natürlich, ob ich ihr damit heimlich schaden würde. Bin unsicher. Und dann auch wieder nicht. Ihr versteht was ich mein?

Veganer vs. Fleischfresser: Der ewige Kampf…

Hier wird nicht gegessen, was auf den Tisch kommt, sondern, was einem schmeckt. Leider muss ich jetzt halt erstmal herausfinden, welche veganen Gerichte dem Kind schmecken (veganes Curry ist bisher das einzige leider. Liegt sicher am Obst^^). Ich hoffe, dass ich meinen Mann dazu bringen kann, Claire erstmal weitermachen zu lassen und wir einfach die Kriterien von Mangelernährung im Blick haben und eben das Blut checken lassen. Solang sie das fröhliche, fitte, vitale Mädel bleibt, dass uns mit ihrer Power manchmal echt auf den Sack geht, habe ich keine Bedenken, dass ihr was fehlt. Jetzt muss ich nur noch den notwendigen Support finden, der mir da auch medizinisch weiterhelfen kann.  Chakka! Hoffentlich riskiere ich jetzt nicht noch meine Ehe damit. So viel Ärger tut mir gerade nicht gut (die schwangere Mama fühlt sich heute richtig mies und schwindelig).

PS: Ihr fragt euch sicher, ob ich der Ärztin Paroli geboten habe. Nein. Das habe ich bewusst nicht. Es würde nichts bringen. So wie Veganer fest überzeugt sind, dass ihre Ernährung gesund und richtig ist, ist sie der Meinung, dass Veganismus schädlich ist. Da braucht man gar nicht erst mit Argumenten zu kommen. Ich habe ihr angesehen, dass sie eine harte Vertreterin ihres Lagers ist und war sicher, dass ich sie nicht umstimmen kann. Kann ich auch nicht. Ich hab keine Ausbildung, ich hab wenig Know-How. Und ich habe nicht einmal meinen Mann im Rücken gehabt…