„Meine Tochter isst kein Fleisch, keine Eier und keine Milch mehr“ – Jedes Mal, wenn ich das erzähle, werde ich mit großen Augen angeschaut. Entweder sie sind überrascht, weil sie Claire als Allesfresser kennen oder scheinen vorwurfsvoll, weil Fleisch ja schließlich dazu gehört. Manche sind auch neugierig oder fragen dezent „Kam sie von selber da drauf?“. Als ob ich ihr Abends am Bett Animal Farm vorlesen würde, damit sie auch jaaa kein Fleisch mehr isst… Die Wahrheit ist ebenso einfach wie unglaublich: Sie hat sich ganz von allein dafür entschieden. Es ist nicht so, als wäre sie nicht schon immer tierlieb gewesen. Sie liebt alle Tiere und die Besuche im Tierpark sowieso. Gegessen hat sie sie trotzdem gern….

Von Wurstfresser zum Veganer an einem Abend

Rückblick: Claire liebt Wurst! An der Wursttheke ist sie jedes Mal die Erste, die dran steht und sehnsüchtig auf die Fleischwurst starrt. Sie bekommt immer eine Scheibe, manchmal auch 2 oder 3. Die Verkäuferinnen kennen sie und haben sie auch ins Herz geschlossen. Jeder an der Wursttheke kannte sie mittlerweile. Am liebsten aß sie Spinatnudeln, dicht gefolgt von allem mit Hackfleischsoße. Alles in allem war sie ein ganz normales Kind mit Vorlieben und einer besonderen Leidenschaft. Sie fing schon als Baby an, an meiner Wurst zu knabbern… Früh übt sich. Auch selbstgemachten Babybrei mit Fleisch fand sie lecker. Nichts, aber wirklich nichts hat darauf hingewiesen, dass es anders werden könnte. Dann aber war Weihnachten. Und ALLES hat sich verändert.

Weihnachten war etwas hektisch, da wir spontan umplanen mussten. Wir waren bei der Tante meines Mannes eingeladen. Sie hat eine leckere Ente vorbereitet. Natürlich am Stück. Als die Klöße und der Rotkohl aufgetragen wurden, war noch alles ok. Dann kam die Ente und Claire machte große Augen. Voller Entsetzen fragte sie mich, ob das eine Ente sei? Ich habe bejaht und erklärt, dass das normales Fleisch ist, was wir immer essen.

„Ist das eine liebe Ente?“ hat sie gefragt. Geistesabwesend habe ich: Aber nein, sonst wäre sie nicht auf dem Teller – geantwortet.

Liebe Enten darf man nicht essen

Sie war aber überzeugt davon, dass dies eine liebe Ente sein muss. Sie kennt nur liebe Enten. „Ich will das nicht essen!“ hat sie gesagt. Ich habe ihr erklärt, dass sie das nicht essen muss, wenn sie nicht möchte und stattdessen eben nur Klöße und Kohl angeboten. Das war für sie ok und ich habe damit abgeschlossen – vorerst. Tags drauf waren wir woanders essen und auch dort inspizierte sie ihr Gericht genau. Wieder fragte sie mich, ob da Fleisch drin sein. Geduldig habe ich ihr erklärt, dass auch das Schwein ein Tier sei. Fortan hat sie mich jeden Tag ausgefragt und gefragt, welches Tier auf dem Teller liegt beziehungsweise:

„Ist da Tier drin?“

Wie ich später mitbekommen habe, hat sie auch im Kindergarten immer nachgefragt. Sie haben ihr dort auch erklärt, was ein Veganer ist und, dass dieser ganz auf tierische Produkte verzichtet. Einerseits finde ich es toll, dass sie den Wissensdurst meiner Maus gestillt haben, andererseits hätte ich am Liebsten den Kopf gegen die Wand geschlagen. Nun hieß es nicht mehr“ Iiih Tier!“, sondern auch „Iiiih Eier“, „Iiiih Milch“. Plötzlich hat sie mich immer gefragt, ob das vegan ist und fing an sich selber als Veganer zu bezeichnen. Uff. Anstrengend! Wenn man es schwierig findet vegetarisch zu kochen, dann probiert es mal mit vegan. Alle meine selbstverständlichen Handgriffe wie “ Milch zuschütten“ oder „Sahne nutzen“ musste ich zig mal überdenken – Es nervt mich, das muss ich zugeben. Damit Claire ihre Frühstücksmilch trinken kann (sie liebt Erdbeermilch), musste mittlerweile Mandelmilch her. Ist ja auch gar nicht teuer dieses Ersatzzeug…

Vegane Paella

Gehören Gerichte wie vegane Paella bald dauerhaft zu unserem Speiseplan?

Ausnahmen bestätigen die Regel – oder so

Jetzt aber kommt der Oberhammer. Wenn es nicht schon lustig genug wäre, dass mein Fleischlebling plötzlich Veganerin ist – nein – sie macht auch kurzfristige Ausnahmen. Wenn sie nämlich etwas totaaal lecker findet, kann sie auch schonmal zum Vegetarier schwanken. Bei Eis beispielsweise. Da sag ich zwar vorsorglich, dass da Milch drin ist, aber das lässt sie dann eher kalt:

„Jetzt bin ich kein Veganer mehr, aber später wieder Mama!“

Hin und wieder, wenn ihre Kita-Freundin die Verpserbox mit dem Salamibrot auspackt, isst sie auch etwas davon. Manchmal lehnt sie vehement ab. Ein sehr lustiges Schauspiel. Ich verstehe noch nicht ganz, wo sie ihre Grenzen zieht, ob diese willkürlich und je nach Tagesform sind. Ich finde es aber irgendwie schön, dass sie halbwegs konsequent ist und das bisher durchgezogen hat. Wenn das mal in allen Punkten so wäre… Dennoch hätte ich nix dagegen, wenn meine kleine Teilzeit-Veganerin wieder unter die Fleischfresser käme. Warum? Weil ich eigentlich keine Lust auf Extra-Kochen habe, veganem Essen nicht viel abgewinnen kann, ihr aber nicht immer ButterMargarinebrot anbieten will, wenn wir mal Hacksauce essen..

Außerdem müsste ich mich langfristig damit auseinandersetzen, was ich ihr anbieten muss, um noch eine gesunde Entwicklung gewährleisten zu können. Ehrlich gesagt, habe ich dazu wenig Lust. So einfach ist das. Denn zu allem „Übel“ ist sie auch noch die Sorte Veganer, die jedes Stück Fleisch mit einem „Iiiih“ kommentieren muss – auch neuerdings an der Wursttheke. Und das muss echt nicht sein… Vorlaute Veganer mag keiner 😛 Tatsächlich hoffe ich also, dass dies nur eine dieser „Phasen“ ist, die in ein paar Monaten vorrüberzieht. Anlügen ist übrigens keine Option für mich – ich sage Claire schon ehrlich, wenn sie fragt, ob da denn „Tier“ drin ist. Und hey, immerhin probiert sie hin und wieder doch mal ein Bissen von Mamas Teller – auch, wenn sie meist das Gesicht dabei verzieht und sagt, dass sie das nicht mag. Ich habe Hoffnung 😉