Welche Themen darf ich bei Eltern noch ansprechen?

In der letzten Zeit beschäftigt mich ein Thema immer wieder stärker: Wie knüpfe ich endlich mal feste Kontakte zu anderen Eltern hier in Bonn? Ich fände es wirklich schön, wenn ich vielleicht schon im Geburtsvorbereitungskurs oder Schwangeren-Kurs andere Mamas kennen lernen könnte, mit denen ich „gemeinsam schwanger“ sein kann und sich sogar feste Freundschaften knüpfen lassen. Es gibt nur ein Problem: Im Smalltalk bin ich eine Niete. Eine ganz, ganz Große. Ich weiß nicht, ob es an mir liegt, meinen Vorlieben, meiner Ausstrahlung, meiner Themenwahl oder meiner Nase. Aber es fällt mir echt unsagbar schwer Gespräche mit anderen Menschen zu führen. Ich interessiere mich nicht für Politik, Sport oder irgendwelche Stars und Beauty-Trends. Demnach kann ich schon nicht mit irgendwelchen News glänzen. Da bleibt dann oft nur noch das Wetter…

Einfacher Muttitalk – Ein Ding der Unmöglichkeit?

Mit Mamas war das schon ein kleines bisschen einfacher: Immerhin hatten wir alle Babys, also hat man über das Füttern (Stillen, Flasche oder ne Mischung), den Schlaf oder auch die Fortschritte geplaudert. Irgendwie fand sich ja immer was. Mittlerweile ist es aber so, dass die „üblichen“ Smalltalk Themen verteufelt werden! Ja wirklich. In den sozialen Medien zerreißen sich Mütter buchstäblich das Maul darüber, wenn andere irgendwelche „blöden“ Smalltalk-Versuche starten. Da gibt es Mütter (wie wahrscheinlich mich), die gern Kontakte knüpfen würden und von einem Fettnapf in den nächsten treten – ohne es zu wissen.

Wovon spreche ich jetzt konkret? Nun, da gibt es viele Beispiele… Fangen wir doch einfach direkt knallhart mit dem „Gender“-Trend an. Hier kann man es ja wirklich mittlerweile nur noch falsch machen…Oder?

„Das ist aber ein süßes Mädchen!“ -Whaaaat?

Situation 1: Eine Mama fährt mit ihrem Neugeborenen ( ein Mädchen) spazieren. Es trägt einen blauen Strampler. Es ist – zumindest in der FB-Mama Gruppe in der ich unterwegs bin – voll legitim und verbreitet das Geschlecht in „Team Blau“ und „Team Rosa“ einzuordnen. Wenn man das „Outing“ seines Babys in dieser Gruppe preisgibt heißt es immer: „Unser Baby gehört zum Team Blau/Rosa“. Alle freuen sich, keiner sagt was Negatives. Man müsste also denken, dass dieses Blau/Rosa einordnen in Ordnung ist. IST ES NICHT! Zumindest nicht für manche Eltern. Zurück zur Mama mit Baby:

Eine ältere Dame kommt auf sie zu und WAGT ES SICH ZU SCHWÄRMEN: „Oh, das ist aber ein süßer Junge“.

Wie kann sie nur! Schließlich ist das Baby ein Mädchen. Das Kind anhand der Farbe dem Geschlecht zuzuordnen ist ein Skandal. Es ist ja nicht so, dass diese ältere Dame wahrscheinlich seit mehr als 50 Jahren in ihrer Weltanschauung gelebt hat und das Blau nun mal automatisch Junge war. Auch praktizieren das Schema auch noch etliche junge Mütter (in meinem Umkreis). Warum reagiert man so giftig auf ein nett gemeintes Kompliment? Ja, diese #rosablaufalle schwirrt derzeit in allen Köpfen und unzählige Mütter lehnen sich mit aller Gewalt dagegen auf. Aber muss man nun auch schon einfach lieb gemeinte Komplimente verteufeln? WAS wollt ihr hören?

Geschlechter sollte es gar nicht mehr geben, oder?

Situation 2: Nehmen wir an, die ältere Dame ist up to date, liest Tweets und weiß: Einordnung anhand der Klamotten kommt nicht gut an. Also nimmt sie sich ein Herz und probiert es anders:

„Oh, das ist aber ein süßes Baby. Ein Mädchen oder Junge?“ – „Das ist ein KIND, du sexistisches ARSCHLOCH!“

Ungefähr so könnte ich mir den Ton vorstellen, den „betroffene“ Mama anschlägt, weil man nach dem Geschlecht fragt. Wenn es nicht zu „privat“ ist, dann womöglich einfach unangemessen, denn das Geschlecht ist ja völlig irrelevant. Man hat alle Kinder gleich zu lieben. Egal, ob Mädchen oder Junge. Wie kann man so frech sein, nach einem Geschlecht zu fragen (oder schlimmer: ein bevorzugtes Geschlecht zu haben?!?). Das geht gar nicht, weil es vollkommen schnuppe ist. Wir sind doch eh alle gleich.

(Anmerkung) Finde ich persönlich nicht, denn ich halte mich noch an eine „grundlegende“ Geschlechter-Einteilung, die mir das Leben einfach erleichtert. Hilft, mich im Alltag zurechtzufinden. Ich mag diesen Ruf nach „Einheitsbrei“ nicht. Da bin ich ehrlich. Wie soll man individuell sein und sich abgrenzen können, wenn man zeitgleich fordert, dass alles und jeder gleich wird? Aber das ist ein anderes Thema, ein anderes Problem, was mich gerade echt beschäftigt… Darüber reden wir ein ander Mal.

Hat jemand ne Blacklist für mich, bitte?

Das klingt hier jetzt etwas überzogen, ich weiß. Aber genau so kommt es bei mir aktuell an. Damit will ich niemanden angreifen, auch, wenn es bissig klingt. Tatsächlich versuche ich darzustellen, wie die aktuelle Situation gerade bei mit persönlich ankommt. Wie ich den Tonfall der Tweets interpretiere. Mit welchen Problemen und Fragen ich mich beschäftigte…. Was das Geschlecht des Kindes angeht habe ich das Gefühl, dass man am besten direkt die Klappte hält. Man macht es ja eh falsch.

Was genau darf ich als Mama denn nun ansprechen? Vielleicht: „Hey cooler Kinderwagen. Wo gab es dieses schöne Modell?“ oder „Das ist aber eine tolle Wickeltasche!“. Ist das wenigstens legitim? Ehrlich…ich weiß es nicht. Worauf darf ich fremde Mütter beim Spielplatz-Talk ansprechen, ohne, dass anschließend schlecht über mich getwittert wird?!

Ich mein das ganz ernst: WAS darf ich noch? Und was steht definitiv auf der schwarzen Liste?  Ich würde nämlich gern Kontakte knüpfen und nicht in die Kategorie „der gebe ich besser nicht meine Nummer“ fallen. Aber alle Themen, die ich irgendwie voll normal finde, sind „die Themen des Grauens“. Mehr Beispiele?

Nicht nur Emma hat ein Tittenproblem

Situation 3: Ich war selbst stillende Mutter bei Claire und hatte echt üble Probleme. Gern hätte ich mich einfach nur darüber ausgetauscht. Stillen ist ja angeblich so „Natürlich“ und „voll normal“, dass man es überall machen sollte. Etliche Bilder von stillenden Müttern belagern das Netz. Aber wehe – wehe! –  man möchte darüber reden. Plötzlich ist das, was eben im Café noch „voll normal“ war, ganz privat und intim. Man mag nicht darüber sprechen. Und man wird verteufelt, wenn man drauf anspricht.  Aber warum? In erster Linie ist Stillen ja nur ne Nahrungsaufnahme für das Kind. Wo ist das Problem mit den Brüsten? Das fragt sich nicht nur Emma Wattson gerade…

Wenn ich also Frage: „Stillst du denn, oder gibst du Flasche?“, dann frage ich einfach: „Wie gibst du deinem Kind was zu essen“. Das mache ich nicht, weil ich ober-scharf auf deine Titten bin. Nein. Ich mache das, weil ich üble Probleme habe und mich austauschen will. Leidensgenossinnen finden möchte oder vielleicht sogar ne Lösung für mein Problem. Die Frage nach der Art der Nahrungsaufnahme fand ich immer ne lockere Einstiegsfrage in den Smalltalk, weil sich daraus dann direkt weitere Themen ergeben, wie „Schlaf“, „Blähungen“ oder „Sterilisation von Flaschen“.

Tja und jetzt lese ich, dass das eine ganz intime Frage ist und total unerwünscht. Bäm. Da läuft also der Hase daher. Das mache ich bisher falsch. Ich darf die Leute nicht zum Geschlecht oder der Nahrungsaufnahme befragen. Was bin ich überhaupt so scheiße neugierig, oder will mich austauschen? Reden wir doch einfach über das Wetter und werden „Donnerbuddies“. Oder? *seufz*

Besserwisserboy und Rechthabewoman

Situation 4: Als ich junge Mutter war, gab es für mich nur das Baby. Baby, Baby, Baby. Und Windeln. In Pekip-Kurs oder in der Rückbildung (wir hatten die Babys dabei) waren die Babys der Mittelpunkt der Gespräche. Klar gab es da eine Art wetteifern. Bestimmt nervt es manchmal auch. Aber manchmal, manchmal ist man einfach stolz, möchte von seinem Baby erzählen, was es schon gelernt hat und zeigen, wie glücklich man ist. Bloß nicht! Ist ja alles angeben mit dem Baby. Wer tut sowas schon…

Tatsächlich habe ich im Pekip-Kurs nie erzählt, was Claire alles in der vergangene Woche gelernt hat. Sie hat es einfach selber gezeigt.  Sie war den anderen Kindern oft weit voraus und nahm es mit Kindern auf, die 8 Wochen älter waren. Da gab es immer große fragende Blicke – als, ob ich das Kind täglich einem Babytraining unterziehen würde. Das war mir Schnuppe – im Kurs hatte ich eh nur Augen für sie und habe sie einfach angefeuert und mit ihr zusammen die Übungen gemacht – und Spaß gehabt.

Selbst, wenn ich nun auf die Leistung angesprochen wurde, habe ich fast nichts dazu gesagt. Denn ich hatte genau davor Angst: Wie ein Angeber zu klingen. Dabei hätte ich mich soooo gern darüber ausgetauscht. Aber die Angst war immer da. Auch in den Treffen im Anschluss (wir gingen manchmal ins Café) war ich eher verschwiegen. Ich wusste einfach nie, was ich erzählen darf und was nicht. Was macht mich zu einer Bitchy-Mum?

Ich will nicht die Mutter sein, über die man twittert

Tja und nun… nun ist alles viel schlimmer. Damals hatte ich noch kein Twitter. Da wusste ich gar nicht, was man alles falsch machen kann. Wenn ich jetzt lese, was manche Eltern vermeintlich alles falsch machen, steigen mir Tränen in die Augen. Wirklich. Weil ich keine Ahnung hab, worüber ich mit anderen reden darf. Woher weiß ich, mit welcher Art Mama ich es zu tun habe? Was kann ich Unverfängliches ansprechen, um sinnvolle Gespräche anzufangen, ohne über das Wetter zu sinnieren? Was kann ich machen, um Interesse an der anderen Mama zu zeigen? Was darf ich eigentlich sagen, um meine Bewunderung auszudrücken? Welche Komplimente sind erlaubt?

Eigentlich habe ich keine Lust mehr auf das Muttersein. Nicht in diesem Szenario. Ich frage mich, ob ich besser direkt zum Einzelgänger werde, nur damit keine Mum irgendwas Gemeines über mich twittert. Wobei das dann sicher auch ganz falsch ist, weil ich dann die Mutter bin, die ihr Kind „isoliert“. Vielleicht, weil ich mich für „was Besseres“ halte? Ich weiß es nicht…

Und dann gibt es auch noch diese „ein Kind zu erziehen braucht ein ganzes Dorf“-Sache. ja, das denke ich auch. Allein ist das wirklich knochenhart, zermürbend und kann zum Mama-Burnout führen.

Aber wie soll der Dorf-Gedanke funktionieren, wenn man mit den Dorfbewohnern nicht reden will?! Oder, wenn man alles, was der Dorfbewohner zu einem sagt, als Angriff wertet, blöd findet und man einfach dicht machen will? Ratschläge sind doof, Komplimente sind doof, Fragen sind doof. Alles ist doof, oder was?

Jetzt ma ehrlich liebe Eltern….

Ehrlich: Ich hab keinen Bock auf diese (sorry) Scheiße! Ich will einfach sagen können, wenn ich ein Kind süß finde, ich will fragen können, wie das Kind gefüttert wird, ich will einfach ein Kompliment verteilen, ohne, dass ich auf ner schwarzen Liste lande. Ich hab echt das Gefühl, dass man einfach nur noch alles falsch machen kann. Der Druck, Mutter zu sein, wird immer größer. Und es nervt mich so sehr…. Und ich bin so traurig und verzweifelt, denn ich will nicht „diese Mutter“ sein, über der sich Twitter demnächst das Maul zerreißt. Ich bin es leid…

Jetzt brauche ich also eure Hilfe. Was kann ich ansprechen? Wie zeige ich Interesse an einem anderen Baby. an einer Mutter, ohne ins Fettnäpfchen zu treten? Welche Themen sind ok? Allmählich gebe ich es auf „ich“ zu sein. Dazu habe ich keine Kraft mehr. Wenn das so weiter geht, werde ich zu dem toten Fisch, der ich nie sein wollte. Weil ich diese Isolation einfach nicht mehr mag… Auf Twitter kenne ich mittlerweile Mummys, die ähnlich denken. Aber im realen Leben, da bin ich einfach so allein… Und ich spüre, dass ich das nicht mehr kann. Die gesellschaftliche Last Mutter zu sein, wird einfach zu groß…