Wirklich? Echt jetzt? Noch so ein Erziehungsratgeber? Und dann noch so ein frecher Titel wie „Doch! Erziehen kann leicht sein“ (von Uta Allgaier). Eigentlich ein Tritt in die Magengrube für jede verzweifelte Familie. Uff. Ehrlich gesagt, wollte ich mich ja von solchen Ratgebern fernhalten. Wenn überhaupt, wollte ich sie aus Belustigung lesen, so wie Mama du Arschbombe 😉  Ein ironischer Ansatz, mit lustigen Anekdoten. Sowas liest man dann ja eher wieder gern.

Und dann wurde mir „Erziehen kann leicht sein“ vom Verlag Ellert & Richter zugeschickt. Da wir mit Claire aber gerade eine „schwierige“ Phase hatten, dachte ich mir, warum eigentlich nicht. Vielleicht hilft´s ja. Ihr müsst wissen, eigentlich läuft es mit Claire super. Aber es gibt immer wieder Situationen, da bockt sie. Und zwar so richtig. Da wird der Trotzanfall zu einem Kampf. Irgendwas passt ihr nicht, die Lösungsvorschläge nimmt sie nicht an und am Ende weint sie und Mama (oder Papa) ist mit den Nerven am Ende und ärgert sich maßlos. Sowas wollte ich nicht mehr. Ich würde diese Phasen, in denen sie bock und ihren Kopf durchsetzen möchte, gern eleganter lösen. Hierbei geht es beispielsweise um „länger fernsehen“ am Abend, obwohl wir ausgemacht haben, dass sie nur den Sandmann sehen darf und dann geht´s ins Bett. Es geht um Apfelsaft, den sie gern trinken würde, obwohl wir schon Zähne geputzt hatten. Ein Spielzeug im Supermarkt, welches sie nun wirklich nicht braucht. Ihr kennt das… Wie kommt man da halbwegs ohne Tränen wieder heraus?

Erziehen kann leicht sein

Natürlich wäre eine Variante einfach „Nein“ zu sagen und dann das Kind, auch unter Einsatz ruppiger Methoden „zu seinem Glück zu zwingen“. Dass das nicht ganz so sinnvoll ist, darüber müssen wir nicht reden. Was kann man also tun? Es gibt einfach Regeln und Grenzen, die eingehalten werden müssen. Ja, Grenzen. Falls das nun eine AP Mutter liest, kann ich mir bildlich vorstellen, wie sie nun eifrig in die Tasten haut und einen Vortrag darüber hält, dass Kinder keine Grenzen brauchen und man lediglich auf ihre Bedürfnisse eingehen muss. Liebe AP-Mutter: Ich kenne dieses System und es passt nicht zu mir. Ich liebe Claire und gerade deswegen will ich ihr vermitteln, dass es Grenzen und Regeln in der Gesellschaft gibt, an die man sich halten sollte, nur so funktioniert das gesellschaftliche Zusammenleben. Damit kann es sein, dass mal die Bedürfnisse des Kindes nach hinten gestellt werden, um die Bedürfnisse der Eltern zu erfüllen. Das ist aber ein gaaanz anders Ansatz, auch, wenn die Autorin des Buches „Doch! Erziehen kann einfach sein!“ scheinbar auch sehr von AP angetan zu sein scheint…

Klappentext: Erziehen darf und kann leicht sein. Nichts genießen wir so sehr wie die Zeit mit unseren Kindern. Wir das ist die Familie der Journalistin und Eltern-Trainerin Uta Allgaier: Mann, Sohn, Tochter und zwei Katzen. Seit der Geburt des ersten Kindes hat die Autorin die relevanten Werke der Erziehungsliteratur ausgewertet. Sie hat ausprobiert, welche Tipps bei ihr zu Hause und in den Familien, die sie berät, wirklich funktionieren.

So quittierten sie und ihr Mann den Dienst bei der Hausaufgaben-Polizei, mischten sich nicht mehr ein, wenn die Kinder sich stritten, waren absichtlich ungerecht, aber auch sehr kuschelig. Nach und nach entwickelte sich ihr Konzept für mehr Gelassenheit. Davon zeugen die 60 persönlichen Geschichten über Eltern und Kinder in diesem Buch. Meistens kann man über sie schmunzeln, häufig wird man davon entspannter und immer nimmt man etwas Hilfreiches für das eigene Familienleben mit.

Erziehen kann leicht sein? Mit dem richtigen Kind vielleicht…

Cover: Mir gefällt die Wahl des Covers, da es den recht „frechen“ Ton des Titels entkräftet.  Es wirkt recht locker und sympatisch. Einer der Gründe, warum ich mich an das Buch herangewagt habe.

Inhalt: Ich sag es gleich: Manche Vorschläge der Autorin halte ich für völlig unverständlich. Manchmal habe ich mich gefragt, ob sie nicht vielleicht sogar Gras geraucht hat und in einer rosa Ponywelt lebt. Das ist hart formuliert, aber wirklich: ich hatte bildlich vor mir, wie sie auf der Couch liegt, an ihrer Bong zieht und von einer Welt wundervoller Kinder träumt… Die Autorin ist selbsternannter Elterncoach und versucht Eltern bei ihrer Erziehung zu helfen. Es gibt Tipps, die ich echt gut fand und die mir geholfen hatten. Beispielsweise indem ich einen Konflikt löse, indem ich versuche die Gefühle meiner Tochter zu spiegeln und darauf einzugehen.

Die Sandmann-Affäre: Statt Claire klar zu sagen, dass jetzt kein TV mehr geschaut werden darf, habe ich mir ein Herz genommen und den Ansatz von Uta verfolgt: Ich habe mich zu Claire gesetzt, eine Hand auf ihre Schulter gelegt und Augenkontakt gesucht. Dann habe ich gesagt: Du möchtest jetzt gerne Sandmann schauen, richtig? – Claire nickt. Ich setze ein verständnisvolles Gesicht auf und nicke auch. „Ich kann dich verstehen. Fernsehen macht ja auch Spaß. Aber heute sind wir leider zu spät nach Hause gekommen und es war zu wenig Zeit zum Fernseh schauen. Leider ist es schon Zeit für´s Bett, du möchtest doch fit sein im Kindergarten oder? – Claire ist unschlüssig und schüttelt mit dem Kopf. „Maus, es tut mir wirklich Leid, aber heute geht es nicht mehr. Aber wir können morgen Abend ja schneller sein und dann kannst du vor dem Sandmann noch Lauras Stern schauen, was hältst du davon? Möchtest du gern Lauras Stern sehen? – Claires Augen blitzen auf, sie nickt und freut sich. Ich nehme sie in den Arm, kuschle mit ihr und beginne mit dem Schlafritual.

Bücherregal-Erziehungsratgeber

So einfach kann´s gehen. Zeitlich gesehen, geht das viel schneller von statten, als ewige Diskussionen mit ihr zu führen oder ihr zu „befehlen“ jetzt ins Bett zu gehen. Eine ganz tolle Lösung. Jetzt sind alle Probleme behoben, oder nicht? Nein, leider nicht. Das klappt oft, aber nicht immer. Manchmal besteht Claire auch darauf, Dinge tun zu dürfen. Und da hilft alles reden nicht. Ich habe auch schon 45 Minuten auf sie eingeredet, damit ich ihr die Zähne putzen darf. Das ist auch keine Lösung, finde ich. An einem gewissen Punkt habe ich mich dann doch durchgesetzt und klare Ansagen gemacht. Allerdings hat Claire die auch gekonnt ignoriert, oder mit einem Trotzanfall quittiert. Args… Nicht alles Verhalten und herumdrucksen sollte geduldet werden. Und nicht immer, kann Methode B aus der Situation heraushelfen. Ich finde die Vorschläge wirklich gut, aber nicht immer anwendbar.

Generell ging die Autorin immer auf eine Situation aus ihrem Alltag ein. Schade fand ich, dass die Kinder lächerliche Namen bekommen hatten… ich mag diese komischen „Decknamen“ einfach nicht. Wenn die reellen Namen ein Problem sind, hätte man den Kindern ja Alibi-Namen geben können. So fällt mir das identifizieren immer schwer. Klar, kann man ab und zu von seiner Maus oder Prinzessin sprechen. Aber durchgängig? Das strengt mich immer an. Auch bei Blogs lese ich das total ungern.

Was ein wenig schade war, dass es immer nur allgemeine Handlungsempfehlungen gab oder nur einen Lösungsansatz für eine gaaanz bestimmte Situation.  So viel klüger fühle ich mich nach Lektüre des Buchs nun auch nicht, außer, dass ich geduldiger sein soll, das Kind wertschätzen muss und  als gleichwertige Person respektieren soll. Das war mir im Großen und Ganzen zuvor auch schon klar. Ich hätte mich über mehr praktische Tipps und Anwendungsbeispiele gefreut. Besonders für Härtefälle.  Was, wenn ihre Methode eben NICHT funktioniert und das Kind total durchdreht? Ein wenig gestört hat mich auch die Haltung, dass man Kinder einfach mal „machen lassen soll“. Das mag bei manchen Kindern wunderbar klappen, andere Kinder jedoch kommen nicht so gut mit der „langen Leine“ klar und verzetteln sich schnell.

Das sieht man an unserer Familie so gut. Wir sind 5 Kinder und haben alle eine ähnliche Erziehung genossen. Und obwohl wir alle ähnliche Ausgangssituationen haben, sind völlig verschiedene Menschen aus uns geworden. Nicht nur charakterlich. Auch von der „Anspruchsschiene“ her. Während meine Schwester und ich mit Leichtigkeit das Abitur gemacht haben, sind meine Brüder, vor allem die jüngeren, richtig in der Schule versackt. Regelmäßige Abmahnungen der Lehrer und Gespräche stehen an der Tagesordnung. Da hilft „selbst überlassen“ nix, weil es ein Freifahrtsschein ist, nichts zu tun. Ich genoss die Freiheit damals und hatte einfach eigene Ansprüche an mich gestellt und wollte sie erfüllen. Warum ist das so? Ich denke, es ist eine Sache des Charakters. Den hat die Autorin, meiner Meinung nach, komplett unterschlagen. Nicht jede Methode wirkt bei jedem Kind! Der Charakter ist ein großer Punkt und ich bin überzeugt, dass man mit bestimmten Eigenschaften geboren wird, die sich im Leben dann mehr oder weniger ausprägen. Erziehen kann sicher einfach sein, wenn man ein Kind hat, was in das System X der Autorin passt. Manche brauchen Freiheit und entwickeln sich prächtig, manche brauchen eine klare Anleitung, eine Führung und – pöses Wort – Grenzen…

Es war ebenfalls anstrengend, dass sie sich viel an Jesper Juul orientiert hat. Ein Zeitgenosse, den ich jetzt nicht unbedingt mag. Er mag intelligentes Verfasst haben und so manch Ansatz klingt einleuchtend. Aber bei manchen Vorschlägen muss ich einfach mit dem Kopf schütteln…

Auszug-Erziehungsratgeber

Aufbau und Struktur: Der Ratgeber ist in verschiedene Kapitel aufgeteilt. Allerdings erkenne ich da keinen sinnvollen Aufbau. Für mich war es schwierig, dass hin und wieder zwischen den Altersstufen hin und hergesprungen worden ist. Ich glaube, dass ein anderer Aufbau dafür gesorgt hätte, dass ich das Buch und die Autorin hätte besser verstehen können. Dass zum Schluss noch Seitenweise Erziehungsratgeber vorgestellt worden sind, lies mich auch sauer aufstoßen. Eltern sollten einfach Eltern sein und sich nicht durch Berge von Lektüre schlagen müssen… Es ist eigentlich schade, dass Ratgeber überhaupt notwendig sind und man sich nicht offen mit anderen Müttern austauschen kann. Allerdings stößt man dabei regelmäßig einen Shitstorm an, wenn es um Erziehungsfragen geht…

Stil: Die Autorin hat eine flotte Schreibe, sodass ich das Buch nach kurzer Zeit bewältigt hatte. Mir gefiel, dass sie nach jedem Kapitel noch eine Zusammenfassung erstellt hatte, auch, wenn mir diese oftmals nicht wirklich weitergeholfen haben. Grundsätzlich macht es Spaß das Buch zu lesen, wobei ich bei manchen Situationen den Kopf am liebsten an die Wand geschlagen hätte.

Gesamteindruck: Das ist schwierig. Manche Ansätze sind einfach prima, andere fand ich einfach – sorry – doof. Also für mich nicht umsetzbar. Es ist auch schwierig, dass ich keine einheitliche Struktur erkennen konnte und daher nicht nach bestimmten Problemen suchen kann. Allein schon kurz nach Lesen des Buchs habe ich Schwierigkeiten bestimmte Informationen wieder zu finden. Allerdings möchte ich nochmal positiv betonen, dass manch Erziehungsratschlag auch gut war und in der Praxis Erfolge gezeigt hatte – manchmal. Ob das nun an der Laune meiner Tochter lag, oder ob die Ratschläge wirklich Besserung bringen? Seit ich nach dem Prinzip vorgehe haben sich die Probleme leider eher gehäuft, statt das es besser geworden ist. Habe ich vlt. das Buch nicht verstanden? Das kann sein. Sie sagt nämlich immer nur: Macht dieses, macht jenes. Aber nicht WIE! und das ist entscheidend, Herrgott nochmal. Sag mir WIE! Für einige schöne Lacher am frühen Morgen sowie guten Ansätze vergebe ich daher dann doch 3 von 5 Funkelchen.

3-funkelchen

 

PS: Die Autorin ist übrigens auch auf „Wer ist eigentlich mit dem Kaztenklo dran?“ zu finden

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