Auf der Rabenmutti ist es still geworden – zumindest von meiner Seite, denn die Liebe Lena hat mich prima unterstützt und den Blog mit einer nach der anderen Rezension bereichert. Danke! Ich musste mich zurückziehen, weil ich nicht wusste, was ich schreiben soll. Ob es noch Sinn macht. Und dann war da diese Leere, diese Leere, die alles einfach verschluckt.
„Mein Papa ist tot“. „Papa ist heute Morgen verstorben“. „Papa ist…. Tot“. „Es ist vorbei“. Das erste Mal, als ich es aussprechen musste, brach ich in Tränen aus. Ich habe gezittert, die Nase hat getrieft und vor meinen Augen sah ich meinen Papa im Krankenhausbett liegen. Die Vorwürfe kochten in mir hoch. Gegen mich, aber auch gegen ihn. Mittlerweile kann ich es schreiben und auch aussprechen, ohne direkt loszuheulen. Die Tränen kneifen dennoch im Auge. Erst gestern wurde ich gefragt, wie es denn meinem Papa geht. Er ist verstorben, habe ich geantwortet. Und es tat schon ein klein wenig weniger weh, wie das erste Mal…
Es kam nicht überraschend, aber plötzlich….
Wer den Blog länger verfolgt, weiß, dass der Tod nicht unbedingt überraschend kam, wenn auch plötzlich. Vor einiger Zeit hatte ich über die Krebserkrankung meines Vaters berichtet. Er hat den Beitrag sogar selber gelesen… Bis vor Kurzem sah es sogar recht gut aus. Im Januar hieß es, die Metastasen wurden kleiner. Die neue Chemo schlägt an. Wir waren happy. Nach 3 Jahren, 3 Operationen, mehreren Chemotherapien, sollte es nun aufwärtsgehen.
Und dann, 3 Wochen später der Schock: Die Metastasen waren so groß wie nie zu vor. Die Ärzte gaben nicht auf, haben eine neue Chemotherapie ausprobiert. 24 Stunden durchgehend Chemo, dann Pause. Scheinbar ging es dann wieder besser. Und dann, vor knapp 4 Wochen fing es an, da konnte mein Vater kaum noch atmen. Er hatte ein Sauerstoffgerät zur Verfügung gestellt bekommen. Aber es hat nicht mehr ausgereicht. Er wurde ins Krankenhaus gekarrt und erhielt seine letzte Diagnose: Der Krebs geht nicht zurück, er hat alles durchfressen. Die Chance auf Heilung ist gen 0. Sonntags kam er ins Krankenhaus. Mittwochs hatten wir ihn dann besucht. Mir war es wichtig, dass Claire dabei ist. Sie hat sich sehr gefreut Opa Peter zu sehen. Sein Zustand hat ihr nicht ausgemacht. Die Geräte haben sie nicht abgeschreckt. Claire ist erst 2,5 Jahre alt und sieht die Welt noch so wundervoll vorurteilsfrei aus Kinderaugen. Ich wünschte, ich könnte diese Haltung auch wieder annehmen…
Ein Hospiz ist doch keine heiße Semmel
Ich hatte ein paar Minuten mit meinem Vater allein, dann kam eine Ärztin herein. „Herr Hirschmann…“ sagte sie völlig sachlich. „Es wird Zeit, dass wir darüber sprechen, was wir nun machen. Sie sollten sich Gedanken um ein Hospiz machen.“ Pause. Hospiz. Der Ort., an dem Menschen sterben. Er sollte sich für den Ort entscheiden, an dem er sterben wird. Diese krasse Wahrheit tat so weh. Machte die ganze Krankheit real. Bis zuletzt hatte ich Hoffnung… Und dann fing sie an, das Hospiz anzupreisen, als wären es warme Semmeln. Es sei so schön da, und die Metzhoden seien toll. Wirklich? Preist sie da gerade das Hospiz an, wie ein Bauer seine Kuh? Ich war fassungslos. Und sauer. Klar, Ärzte müssen objektiv sein, aber ist Empathie nicht auch wichtig? Ein Hospiz ist kein Wellnesshotel, mit tollen Behandlungen. Man stirbt da. Vielleicht ist es hübscher als im Krankenhaus, aber man stirbt dort… Ich war so fassungslos, als sie das angepriesen hatte… Als sie wieder fort war, hatten wir einen Vater-Tochter-Moment. Fast schweigsam. Aber dennoch… Irgendwie glaube ich, dass sich dabei unser zerrissenes Band repariert hat. Spätestens beim Abschied hatte ich gespürt, dass alles was mal vorgefallen war, wieder gut ist…. Danke Papa.
Donnerstags hatten wir kurz telefoniert. Das ging aber leider nicht gut, er konnte kaum sprechen. Abends ging es ihm plötzlich besser. Er hat mit meinem Bruder gelacht, konnte sogar ohne Gerät atmen. Ein paar Stunden später gingen die Werte in den Keller. Mein Vater wurde „sediert“. Er wurde in eine Art Dämmerschlaf gelegt. Spürte keine Schmerzen. Morgens wurde die Familie benachrichtigt. Da hatte ich mich gerade fertiggemacht, um arbeiten zu gehen. Ich habe nur noch meinem Arbeitgeber abgesagt, meinem Mann gesagt ich brauche das Auto und bin losgedüst. 3 Stunden 40 waren anvisiert. 3 Stunden habe ich gebraucht. Und dennoch. Ich kam 3 Minuten zu spät! Als ich am Eingang stand, kam die Nachricht meines Bruders, dass es zu Ende geht und ich solle sofort reinkommen. Als ich es endlich in den 5. Stock geschafft hatte, war alles vorbei. Er lag da, bereits tot. Alle haben geweint. So viel hatte ich schon lange nicht mehr geweint. Noch nie habe ich einen toten Menschen gesehen. Es war so unwirklich, als würde er schlafen. Zum Abschied habe ich ihm ein Kuss aufs Haar gegeben. Gesagt, ich hab dich lieb Papa. Das habe ich sicher nicht mehr seit der Kindheit gemacht… Warum eigentlich?
Werden meine Großeltern klar kommen?
Dann ging alles recht schnell. Nachmittags mussten die Formalitäten der Beerdigung erledigt werden. Texte, Sarg, Urne? Ich war überfordert und konnte nur wieder weinen. Dann mussten wir es auch noch seinen Eltern sagen. Oma und Opa leben nämlich noch. Mein Vater war erst 51 Jahre alt. Meine Großeltern waren völlig fertig. Meine Oma hat am ganzen Leib gezittert, geweint, still geklagt. Sie konnte es nicht fassen. Ich fand den Augenblick einfach furchtbar, da mir klar wurde, dass sie da ihr eigenes Kind begraben muss. Eine unglaubliche Vorstellung, das eigene Kind zu Grabe tragen zu müssen, die ich nicht einmal meinem schlimmsten Feind wünschen würde. Natürlich tut es mir als Kind auch weh, dass mein Papa tot ist. Allerdings ist es der Kreislauf des Lebens. Es war klar, dass der Tag irgendwann kommen würde. Ich hatte hin und wieder dran gedacht, wie es sein würde. Es ist scheiße, gehört dennoch dazu. Aber wenn das eigene Kind stirbt, welches man 50 Jahre lang begleitet hat. Was man aufwachsen sah, dessen Erfolge man umjubelt hat, dessen Misserfolge auch mal bestraft wurden. Das Kind, was man geleitet und geführt hat. Dass man gekuschelt hat, wenn es krank war. Dieses Kind, ist nun tot. Wie soll man sowas Unfassbares greifen?
Ich kann mir nicht vorstellen, was nun in meinen Großeltern vorgehen mag. Ich fürchte aber, dass es sie brechen wird. Sie waren schon vorher gesundheitlich angeschlagen. Sie haben auch schon ein stolzes Alter erreicht. Ich fürchte, es wird nicht die einzige Beerdigung in diesem Jahr bleiben. Im Moment, in dem man sein Kind verliert, da bricht das Herz. Manche Menschen haben die Kraft und Energie sich irgendwann wieder zu sammeln und nach vorn zu sehen. Doch ich fürchte, da ist die Luft raus. Woran sollen sie sich auch festhalten… Die Hoffnung ist tot. Die Hoffnung, der letzten 3 Jahre, in denen sie das Leid ihres Sohnes mitansehen mussten… weg. Ich erinnere mich noch an das Gespräch an Nikolaus in der Küche. Meine Oma meinte noch, dass es nicht gut aussähe und sie hofft, dass sie nun endlich das richtige Mittel finden würden… Diese Flashbacks sind tödlich. Sie erinnern an eine Zeit, in der es noch Hoffnung gab.
Die Trauerblase muss platzen, ehe es zu spät ist
Nun stehe ich vor der Aufgabe, mir diese Hoffnung weiter zu bewahren. Die Hoffnung den Schmerz zu vergessen und weitermachen zu können. Bevor ich das schaffe, muss der Tod meines Vaters noch real für mich werden. Das ist er noch nicht. Noch lange nicht. Ich befinde mich gerade in einer Art Blase, erledige meine Aufgaben und versuche das Leben einfach weiterzuführen. Irgendwann platzt diese Blase und der Kummer bricht über mich herein. Ich hoffe, dass ich bis dahin stark genug bin, dem Kummer Stand zu halten. Werden es meine Großeltern schaffen? Werden sie daran zerbrechen? Sind sie bereits zerbrochen und hauchen stückweise ihr Leben aus? Ich bin sehr froh, dass ich meinen Bruder habe. Wir haben uns gegenseitig Halt gegeben. Immer an der Hand gehalten, wenn wir unseren toten Vater sahen. So ein Band zwischen Geschwistern ist was Besonderes. Es war wirklich schön ihn da gehabt und das Leid geteilt zu haben. Danke Bro!
Das ist bestimmt einer der verworrensten Beiträge, die ich je geschrieben habe. Es sind meine Gedanken, meine Gefühle, meine Ängste. Sie mussten einfach heraus, damit der Tod meines Papas ein Stück weit realer wird. Ich hoffe, dass die Blase platzt, ehe sich zu viel Kummer aufgestaut hat… Ich brauche dieses Ventil. Den Austausch. Wer hat seinen geliebten Angehörigen auch verloren? An eine Krankheit, oder einen Unfall, egal. Wie seid ihr damit umgegangen? Wie seid ihr aus der Blase ausgebrochen? Wie lange hat es gedauert, bis ihr den Tod für euch realisiert habt? Ich würde mich sehr über eure Geschichten freuen…
[…] Erschütterndes liest man bei der Rabenmutti, die ihren noch recht jungen Vater durch Krebs […]
liebe yasmin, erstmal: mein herzliches beileid! ich hab bewusst auf deine seite geguckt, weil ich eben so lange nichts mehr von dir gelesen habe. ich hab im dezember meine oma verloren, mit der ich (leider) nicht sonderlich viel kontakt hatte, aber ich habe damals einen brief an sie geschrieben, in dem ich ihr alles noch gesagt habe, wofür zu lebzeiten keine zeit war. den hab ich in einer feuerfesten schale verbrannt und in fließendes gewässer gestreut- so kannst du beim wegfließen zusehen. ich sage jetzt nicht, ich könnte mir vorstellen, wie es für dich ist. aber du darfst nie vergessen,… Read more »
Hallo Leni, hab vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar. Erstmal auch die mein Beileid. Meinem Vater habe ich auch einen Brief mit ins Grab gelegt. Eine letzte verzweifelte Geste, um ihm zu zeigen, dass ich ihn lieb hab. Das habe ich leider nicht mehr sagen können… Öfter melden und Zeit verbringen ist eine gute Idee. Daran muss ich noch arbeiten… Mir fällt das Verzeihen manchmal einfach so schwer, das wiederrum macht mein Leben echt schwer. Ich hoffe, dass ich da noch den richtigen Dreh finden kann, um alte Kontakte wieder aufleben zu lassen… Geht es dir jetzt besser nachdem du… Read more »
[…] dann dachte ich, wow… eigentlich macht sie es richtig. Genau das wollte ich auch machen, als mein Papa vor 2 Monaten gestorben ist: Einfach die Welt abkappen und niemanden mehr an mich heranlassen. Das habe ich auch getan. […]
[…] in meiner Familie: Die Nähe fehlt einfach, weil wir alle ziemlich verstreut sind. Erst mit dem Tod meines Vaters wurde mir bewusst WIE weit entfernt wir eigentlich sind, wie selten ich mich bei bestimmten Teilen […]