Heute möchte ich euch in eine sehr persönliche Geschichte einweihen. Lange habe ich überlegt, ob ich darüber öffentlich schreiben möchte. Da mir das Schreiben und der Austausch aber unheimlich hilft, habe ich beschlossen meinen Freitagsgedanken meinem persönlichen Dilemma zu widmen: Papa hat Krebs und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll…

Ziemlich egoistisch von mir, schließlich hat ja mein Vater den Krebs und nicht ich, oder? Tatsächlich ist so eine Krankheit aber nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern das gesamte Umfeld eine Belastung. Besonders schlimm, wenn man eigentlich einen Disput hatte und gar nicht weiß, wie man miteinander umgehen soll. Ein Spießrutenlauf, dem ich irgendwie nicht entkommen kann. Wie konnte es dazu kommen?

Schwieriges Verhältnis erschwert den Kontakt

Der Kontakt zu meinem Vater war während der Studienzeit nicht besonders gut. Er war unterhaltspflichtig, BaföG stand vor seiner Tür und wollte Geld. Im Nachhinein verstehe ich, dass das gar nicht so leicht zu stemmen sein musste – jetzt verdiene ich ja selber Geld und sehe, wie schwierig das zu handlen ist. Zu dem Zeitpunkt war ich aber sauer und dachte er wolle mir das studieren nicht gönnen. Immerhin hatte er die Einstellung, dass Frauen kein Abitur brauchen und lieber eine Ausbildung machen und heiraten sollten. Im Nachgang hätte ich das auch besser gemacht. Eltern haben manchmal einfach Recht… Gegen Ende des Studiums näherten wir uns aber wieder einander an, wenn auch vorsichtig. Dann wurde ich schwanger. Nachdem ich ihm das mitgeteilt hatte, fragte er mich, ob ich noch all Latten am Zaun hätte.

Krebs

Bild: pixabay.com

Dennoch habe ich mich bemüht den Kontakt aufrechtzuerhalten. Ich war verletzt, immernoch, schon wieder, aber ich wollte auch, dass meine Maus innerhalb einer Familie aufwächst, da gehört der Opa einfach dazu. Während der Schwangerschaft dann der Knaller: Es wurde eine Art Wucherung in seinem Bein festgestellt. Nach einer Op (man entnahm ihm dabei wohl einen ganzen Muskelstrang) war klar, dass er bösartig war. Krebs. Nun ging es los mit der Chemotherapie, unzähligen Krankenhausaufenthalten. In dieser Zeit waren wir immer wieder bei meinem Vater zu besuch, er hat seine Enkelin kennengelernt. Schon damals wusste ich nicht viel zu sagen. Meist habe ich einfach Zeit mit ihm verbracht, bzw. dafür gesorgt, dass er Zeit mit Claire hat. Nicht gerade leicht, denn seine eigene Tochter (ein Nachzügler) war zu dem Zeitpunkt gerade mal 3 Jahre alt.

Ich glaube, es war sehr anstrengend für ihn, gerade in seinem Alter (50) und mit der Chemo zwei so lebhafte Mädels um ihn herum springen zu haben. Er hat kaum mit mir gesprochen, meist Belangloses. Nur einmal, da kam ein Campingausflug mit der Familie auf den Tisch. Ich glaube, da hatte er noch Hoffnung, dass noch alles besser werden würde, denn es klang fast nach einem Vorschlag ma gemeinsam was zu unternehmen. Darüber hatte ich mich gefreut, irgendwie. Dennoch fanden und finden wir nicht so Recht zueinander. Den meisten Input bekomme ich durch meinen Bruder. Er wohnt auch direkt ums Eck. Wir haben immer eine Anfahrt von 5-6 Stunden, was spontane und regelmäßige Besuche einfach unmöglich macht. Dennoch versuche ich monatlich zu ihm zu fahren, besonders jetzt….

Krebs ist ein Arschloch

Bei unserem Osterbesuch überraschte mein Bruder mich mit der Aussage, dass der Krebs nun unheilbar sei. Mein Vater hatte die Chemo überstanden, doch der Krebs kam zurück. Manifestierte sich auf der Lunge. Nach zwei Ops war er entfernt worden, doch wenige Wochen später hat er schon erneut gestreut. Nun bekommt er Chemo-Tabletten. Leider nicht so effektiv wie eine echte Chemo, aber ins Krankenhaus will er nicht mehr. Er kämpft mittlerweile seit knapp 2 Jahren, doch scheint der Krebs Überhand zu gewinnen. Die Ärzte seien der Meinung, man könne den Krebs nur noch dämpfen, nicht mehr besiegen. So mein Bruder. Wie lange er noch hat, weiß keiner. Es können Monate oder Jahre sein. je nachdem, wie gut man den Krebs wohl in Schach halten kann und wie lange mein Vater mitmachen möchte. Wenn ich ihn so sehe: Rauchend und mit mehreren Flaschen Bier am Tag, schätze ich, dass er seinen Kampfgeist bereits verloren hat. Das tut weh. Auch ich bin ein Kind meiner Eltern, und wie jedes Kind habe ich Angst!

Lungenkrebs

Bild: pixabay.com

Trotz allem was war, ist er mein Vater. Ich liebe ihn und habe Angst um ihn. Auch, wenn ich es absolut nicht zeigen kann. Ihm gegenüber verhalte ich mich irgendwie steif. Möchte kein Mitleid zeigen, das mögen kranke Menschen gar nicht. Ich will stark sein, wirke aber wohl abweisend. Weiß nicht, wie ich damit umgehen soll… Dabei verdient er es eigentlich, dass ich ihm Mut mache und vlt. doch Lebenswillen zurückgebe? Meine Kindheitserinnerungen sind alle positiv an ihn. Ich erinnere mich, wie wir nach dem Aufstehen immer zu ihm ins Bett gekabbelt sind und noch gekuschelt haben. Wie er uns mit auf seine LKW-Touren genommen hat – für Kinder ein wahres Abenteuer bei Toastbrot und Tee. Wie wir uns zum Abendessen einfach ne Scheibe Käse mit Brot in die Mikrowelle gelegt haben. Oder, wie wir irgendwelchen ARD/ZDF Soaps zusammen geschaut haben… Er hat kaum geschimpft, hat uns nie geschlagen. Mit ihm konnte ich sogar über meinen ersten festen Freund sprechen, er hat mich mit ihm sogar total unterstützt, obwohl ich erst 15 war. Im Nachheinein schäme ich mich, dass wir uns wegen Geld zerstritten haben und, dass es nun zu spät sein könnte, wieder alles gut zu machen.

Erfahrungsaustausch erwünscht – Habt ihr Tipps?

Allerdings weiß ich keinen Rat. Wie soll ich mich verhalten? Wie das ansprechen, was eigentlich so glasklar ist? Ich fühle mich total überumpelt und sitze fest. Ich spinne einen Kokon aus Unsicherheit um mich herum und versuche, nichts an mich heranzulassen. Versuche, mit meinem Mann darüber zu sprechen, scheitern. Er hat´s nicht so mit Emotionen. Um mich abzulenken stürze ich mich seit Wochen in Arbeit. Der Plan wird nicht ewig funktionieren, ich bin schon lange am Ende meiner Kräfte angelangt und laufe auf Reserve. Falls irgendjemand meiner Leser eine ähnliche Situation durchlebt hat, würde ich mich über einen kleinen Austausch freuen. Das muss nicht öffentlich sein. Ich bin auch jederzeit via Mail erreichbar! Habt ihr irgendwelche Tipps für mich? Ratschläge? Die Situation wirkt so verfahren, dass ich einfach nicht mehr weiter weiß. Allerdings tat es unheimlich gut, sich den Kummer von der Seele zu schreiben. Auch, oder gerade, weil dabei Tränen geflossen sind…