Ist die Eingewöhnung schon fehlgeschlagen?

Heute ist ein Gurkentag. Ein richtig richtig heftiger Gurkentag. Anders kann ich mir die felgeschlagene Eingewöhnung nicht erklären. Heute Morgen war ich noch guter Dinge, bin früh aufgestanden, habe mich und die Kinder fertig gemacht und hatte alles so weit im Griff. Claire wäre aber nicht Claire, wenn sie da so einfach mitspielen würde… Die Schuhe waren nicht symmetrisch genug und nach 15 Minuten Zuspruch und Verständnis, war meine Kooperationsbereitschaft bereits aufgebraucht. Herr im Himmel!

[Anmerkung: Ich habe mittlerweile aufgegeben. Zum Tag 3 geht es hier entlang]

Aus Zeitmangel habe ich dann doch etwas Stress gemacht und bat sie, nun endlich mitzukommen. In all dem Ärger habe ich dann „Elefanti“ vergessen. Das ist ihr im Auto aufgefallen und hat sie sehr geärgert – was sie lautstark kund getan hat. Meine Nerven sind dann einfach ohne Vorwarnung eingerissen und ich habe ihren Schrei erwidert. Sehr laut, sehr heftig. Wir kamen also beide sehr wütend und mit Tränen in den Augen in der Kita an. Da hätte ich den Eingewöhnungsversuch bereits abbrechen können…

Claire wich mir keinen Meter von der Seite

Habe ich aber nicht. Wir haben uns ausgesprochen und darauf geeinigt, dass sie das Tierchen ihrer Schwester mitnehmen kann. Das war in Ordnung, wir haben uns in den Arm genommen und den Resett-Knopf gedrückt. Uff. Mit neuem Mut ging es in die Kita. Ich wusste bereits im Vornherein, dass eigentlich erwartet wurde, dass ich Claire abliefere und eine Stunde gehe. Aber mir ist gleich aufgefallen, dass da keine Chance besteht. Claire hat sich an mich gepresst und war kaum von meinem Bein zu lösen. Die Erzieherin und ich haben versucht ihr Mut zu machen, sich doch ein bisschen auf eigene Faust umzusehen. Aber vergebens.

Ich bin also mit ihr durch die Kita gelaufen, saß beim Essen (es gibt offenes Frühstücksbuffet) bei ihr und hatte immer wieder ermutigt, auf ein Kind zuzugehen, oder sich was anzusehen. Doch auch das lief nur in meiner Begleitung – und ich war da. Während ich Marie also einfach stehen lassen konnte – sie hat erfreut gespielt und die Kinder bezaubert – blieb ich bei Claire, um ihr Halt zu geben. Es fühlte sich ok an. Richtig.

Räumliche Trennung fehlgeschlagen

Die Erzieherin wollte Claire einen „ultra bequemen Sessel“ zeigen, in dem ich mit Marie warten könne, während sie ihr die Kita zeige. Hat natürlich nicht geklappt. Claire bestand darauf, dass ich bei ihr bleibe und ich blieb. Ich hatte nicht versucht sie zu überzeugen. Mir fiel direkt an der Körperhaltung auf, dass sie nicht will und das war ok für mich. Die Erzieherin meinte auch das sei ok, allerdings fühlte es sich nicht so an, als meint sie das auch…

Nach dem Frühstück gingen die Kinder heraus. Ich bin mit den Mädchen mitgegangen und hatte erneut versucht Claire zu ermutigen beim „Mutter-Vater-Kind“-Spiel einzusteigen. Ich habe die Mädchen vorgestellt, mich nach den Namen der anderen Kinder erkundigt und blieb zunächst bei ihr. Immerhin löste sich Claire nun einige Meter von mir und ich habe versucht mich mit Marie in den Hintergrund zu begeben.

 

Nein zum Spielen, Ja zum Begleiten

Claire kam immer wieder auf mich zu und wollte mit mir spielen. Hier zog ich aber eine klare Grenze und meinte, ich sei nicht als Spielkamerad dabei, sondern um ihr Halt zu geben, wenn es ihr nicht gut geht. In der Zwischenzeit bekam Marie Hunger und ich fing an die zu Stillen. Da kam eine andere Erzieherin auf mich zu und meinte, ich könne ja im Haus stillen, da sei auch mehr Ruhe. Ich habe sie freundlich angelächelt und gemeint, dass es mir hier nichts ausmachen würde. Dann kam diese Aussage:

„Ich möchte nicht, dass Sie hier stillen. Hier sind muslimische Kinder, die sollen das nicht sehen.“

Hä?! Ich war etwas vor den Kopf gestoßen. [Anmerkung Es ist absoluter Bullshit, dass dies in irgendeiner Form im Islam verboten sei. Das war natürlich nur ein Vorwand der Erzieherin, weswegen es mich doppelt sauer macht. SIE hatte einfach kein Bock auf meine Brüste. Da können dei Kinder nichts für]. Allerdings war ich vom Stress mit Claire am Morgen schon so zermürbt, dass ich hier keinen weiteren Kampf ausfechten wollte. Ich bin wie gewünscht ins Haus, um zu Stillen. Da kam Claire natürlich direkt hinterher. Nach dem Stillen  fing Claire an die Innenräume zu erkunden. Ich dachte mir, dass es ihr vielleicht helfen würde sich in aller Ruhe umzusehen und habe sie machen lassen. Allerdings stand bald darauf die Erzieherin auf der Matte und bat uns wieder herauszukommen (die Kinder waren alle draußen).

Wilde Claire

Aber morgen gehen Sie dann!

Sie nahm mich zur Seite und meinte dann auch direkt, dass ich heute zwar mit dabei sein konnte, aber morgen würde sie es bevorzugen, wenn ich Claire nur abgeben würde. An Tag 2!? der Eingewöhnung und nachdem es heute sichtbar gar nicht gut lief. Ich hatte versucht ihr zu erklären, dass wir heute einen sehr schlechten Morgen und Start in den Tag hatten und, dass die Bedingungen wirklich nicht gut waren für die Eingewöhnung. Claire fühle sich nicht so wohl. Sie meinte, dass es für die Kinder erfahrungsgemäß leichter sei, wenn die Eltern gar nicht bei der Eingewöhnung mit dabei seien:

„Ich mache den Job bereits 20 Jahre und habe selber zwei Kinder, glauben Sie mir, das ist für die Kinder besser.“

Ich wollte ihr keinerlei Kompetenzen absprechen, oder ihr die Bindungstheorie aufquatschen. Aber mich dennoch für Claire stark machen.  Also habe ich den Ärger heruntergeschluckt und einfach nur an einem Beispiel versucht zu vermitteln: Claire sei ja auch im Hotel immer mal in der Betreuung und das läuft sehr gut, sobald sie eine Bindung zu einer Person aufgebaut hätte – sei es Kind oder Erzieherin. Solang aber keine Bindung bestünde – und das war heute definitiv so – würde es in meinen Augen keinen Sinn machen. Sie schreit dann die Stunde nach mir. Ich möchte gern abwarten, bis sie eine Bindung aufgebaut habe. Sie soll ja schießlich gern in die Kita gehen.

Nicht schon, sondern ERST 5 Jahre alt

Die Erzieherin war einverstanden – aber unter Vorbehalt. Wir probieren das nun kurze Zeit aus, die Empfehlung wäre aber klar, dass ich direkt gehen soll. Das hat ein negatives Gefühl bei mir hinterlassen. Kennt man da die Bindungstheorien nicht? Wieso soll ich mein Kind unter Tränen zwingen in der Kita zu bleiben? Ich war drauf und dran die Kapitel zur Eingewöhnung in Noras Buch auszudrucken und mitzunehmen – natürlich nur gedanklich. Ich war halt wütend.

„Sie ist ja schon 5 Jahre alt und kennt das prinzip der Kita schon. Da muss sie das mitmachen!“.

Nein, Stopp. Claire ist ERST 5 Jahre. ERST! Ja, sie muss in einem Jahr in die Schule und da kann ich nicht mit. Aber das ist ein ganzes Jahr in dem sie sich weiterentwickeln kann. Kognitiv, sozial… Das sind ganz andere Ausgangsbedingungen. Claire ist noch nicht so weit, sich einfach ad hoc an andere Menschen zu binden und muss das auch gar nicht. Ich war ehrlich gesagt entsetzt, dass so lapidar über die kindlichen Bedürfnisse bestimmt wurde. Man hat GESEHEN, dass Claire absolut nicht so weit ist.

Ein mulmiges Gefühl bleibt

Wir haben uns darauf verständigt, dass ich für´s Erste noch mit dabei sein darf. Mir fiel aber natürlich ganz klar die Anti-Haltung auf. Es fühlte sich an, als bin ich in ihrem Kopf nun schon als Übermutter abgestempelt worden. Das war ein echt blödes Gefühl. Immerhin möchte ich mein Kind einfach nicht zwingen, an einem für sie fremden Ort mit fremden Menschen bleiben zu müssen!

Ich möchte, dass sie sich wohl und willkommen fühlt. Sie zumindest. Denn ich fühlte mich nach dem Stillen schon nicht mehr Willkommen, nach dem Gespräch nicht mehr wohl.

Claire bockt herum

Nach dem Gespräch sollte Claire wieder nach draußen gehen. Doch Claire meinte, sie fühle sich nicht wohl und möchte lieber drin bleiben. Die Erzieherin bestand allerdings darauf, da alle Kinder draußen waren. Ich ging vor, und hoffte, dass Claire mir folgen würde, um die Erzieherin zu unterstüzuen. Immerhin möchte ich mit ihr zusammenarbeiten und nicht dagegen. Allerdings wollte Claire wirklich gar nicht. Ich wartete draußen, als die Erzieherin zu mir kam:

„Claire wollte drinnen bleiben, aber ich habe ihr konsequent klar gemacht, dass sie mit nach draußen muss. […] Sie sitzt auf der Treppe und bockt herum“.

Herumbocken? Was ist denn das für eine Aussage. Sie ist frustriert und traurig. Sie ist in fremder Umgebung, möchte im eigenen Tempo und mit eigenen Vorstellungen die Kita entdecken und darf das nicht tun. Natürlich darf die Erzieherin drauf bestehen, dass Claire raus soll. Aber  Claire darf auch frustriert sein und ihre Gefühle zeigen! Das hat nicht mit bockig sein zu tun. Sie ist keine Ziege, sondern ein Kind mit Gefühlen.

Ein kleiner Lichtblick

An dieser Stelle wollte ich den Tag abbrechen und hatte mit Claire – die weinend auf der Treppe saß – geredet, nachdem ich sie im Arm getröstet habe. Sie wollte aber doch noch bleiben. Ok. Vielleicht wird es besser, wenn der Wunsch von ihr kommt. Die Erzieherin hat Kreide ausgepackt und damit ging es dann auch. Uff. Claire hat ein wenig mit ihr gemalt und ich war wieder im Hintergrund.

Ich hatte mich dann bei Claire für ein paar Minuten „abmelden“ wollen, um im Auto Windeln zu holen. Unser Auto war vom Garten aus sichtbar, ich dachte, das würde klappen. Leider wollte sie aber wieder mit… Ich entschied, dass wir nun wirklich pausieren sollten, da ich nicht noch mehr negative Gefühle wecken wollte. Die Erzieherin meinte ebenfalls, dass es für heute lang genug gewesen wäre.

Ist die Eingewöhnung gescheitert?

Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch haben wir uns verabschiedet. Uff! Im Auto fing Claire an zu weinen, dass die Kita doof sei, weil man sie gezwungen hat heraus zu gehen. Mein Zureden half nichts. Zu Hause hab ich sie wieder im Arm getröstet. Es gab ihre Wunschmittagessen (Pizza) und einen Film (Arielle).

Danach hat sie immerhin gesagt, dass nicht alles blöd war. Ein mulmiges Gefühl habe ich dennoch im Bauch. Ich versuche dies aber zu unterdrücken und weiterhin positiv nach vorn zu schauen. Wenn ich jetzt pessimistisch werde, ist die Eingewöhnung eh gelaufen, das überträgt sich.

Was tun? Verzweiflung incoming

Ich weiß allerdings nicht, wie ich nun richtig reagieren kann. Ich möchte weiterhin nicht als Spielkamerad dabei sein, ihr aber signalisieren, dass ich sie Ernst nehme und für sie da bin. Ich möchte den Erzieherinnen nicht ins Handwerk pfuschen, aber auch nicht die Bedürfnisse meiner Tochter übergehen. Ich möchte nicht überbehüten, aber die Alarmsignale im Herzen nicht ausschalten.

Die Grundhaltung, dass das Kind bereits am ersten Tag der Eingewöhnung nur abgegeben werden sollte, stößt mir so bitter auf. Eigentlich habe ich bereits jetzt das Vertrauen in die Kompetenzen verloren. Klingt unfair, ja ich weiß. Ich versuche mich auch darauf zu konzentrieren, was gut lief und wie sie sich bemüht hat. Ich möchte das Gefühl unterdrücken. Immerhin möchte nicht ich der Grund dafür sein, dass diese Eingewöhnung missglückt… Ich weiß nicht wo mir hier der Kopf steht. ORR! Gurkentag verdammt!

Holpriger Start zur Eingewöhnung