Semi ist Mutter eines zauberhaften Mädchens, studiert (noch) irgendwas mit Literatur und ist eigentlich ständig müde (und deswegen Kaffeesüchtig). Wir haben uns auf Twitter kennengelernt und sind seither auf einer Wellenlänge. Mit Semi kann man wunderbar quatschen und Diskussionen führen. Ich freue mich sehr, dass ich sie ab sofort im Autoren-Team begrüßen darf, da mir ihre frische Sicht als Erstlingsmama wieder etliche Erinnerungen an die erste Zeit mit Claire zurückbringt. Ich mag ihre erfrischende, ehrliche Art und hoffe, dass auch ihr Gefallen an ihr finden werdet.

Für jede Lösung das richtige Problem

Immer wieder begegnen mir, sowohl online als auch in der realen Welt da draußen, Menschen, die auf hohen Rössern reiten.

„Du hast ein Problem? Ich habe DIE Lösung! Du musst einfach nur blabla machen! Wie? Du hast das schon probiert? Tja, dann hast DU wohl etwas falsch gemacht, denn bei mir hat es funktioniert.“

Sätze wie diese hinterlassen bei mir einen bitteren Beigeschmack. Gerade der letzte Teil, welcher gerne unausgesprochen und nur impliziert wird, klingen wie eine Anklage. Sätze wie diese zeugen von Arroganz, Ignoranz und dem Wunsch der Lösungsbringende zu sein. Klar, vordergründig sieht es so aus, als ob diese Art von Menschen einem nur helfen wollen. Sieht man sich Sätze wie diese jedoch genauer an, erkennt man, dass dem nicht unbedingt so ist. Im Folgenden schauen wir uns mal diesen Satz ganz genau an:

1. „Du hast ein Problem? Ich habe DIE Lösung!“

Grundsätzlich hat jedes Problem mehr als eine Lösung und jeder Mensch löst Probleme anders. Zu sagen, dass man die ultimative Lösung hat ist vermessen und einfach nicht wahr. Allenfalls hat man die Lösungsstrategie, die einem selbst am Besten geholfen hat. Diese muss aber meiner Nachbarin, dem Bäcker oder Omma Paule nicht helfen.

→ Probleme sind immer individuell, klar gibt es kulturell geprägte allgemeine Lösungsstrategien, aber diese passen nicht jedem. Und je spezifischer das Problem ist, desto weniger werden sie helfen.

2. „Du musst einfach nur blabla machen!“

Das Wort ‚einfach‘ suggeriert, dass die Problem habende Person übertreibt. Es wertet das Problem an sich ab. Zudem werden selten die Umstände genauer beleuchtet, sondern es wird pauschalisiert.

→ Beispiel: „Dann musst du einfach den Vater mehr einbinden!“

Das der Vater sich tagtäglich nachdem er von der Arbeit kommt und am Wochenende überwiegen um das Kind kümmert, wird beflissentlich außer Acht gelassen.

3. „Wie? Du hast das schon probiert?“

Wie? Du bist auf diese super tolle mega geniale Idee schon selbst gekommen? Verdammt!

Im Grunde ist das nur die logische Konsequenz: Da nicht auf die Umstände eingegangen wird, werden allgemeine Lösungsstrategien genannt. Das der Lösungssuchende diese schon längst ausprobiert hat ist dann überraschend.

4. „Tja, dann hast DU wohl was falsch gemacht, denn bei mir hat es funktioniert.“

Eine weitere logische Konsequenz. Es wird davon ausgegangen, dass eine Lösung die bei einem selbst gewirkt hat, auch bei anderen wirkt.

Hier greift wieder Schritt 1: Jedes Problem und damit jede Lösung sind individuell und müssen auf die beteiligten Personen angepasst werden.

Die Aussage, dass man dann wohl etwas falsch gemacht hat, zeugt von mangelnder Empathie. Gleichzeitig stellt sie auch einen Schutzmechanismus des ratgebenden Menschens dar: Kaum möchte damit konfrontiert werden, dass der eigene Weg, nicht der Allgemeingültige ist. Und wirklich niemand möchte darauf hingewiesen werden, wie redundant, dass von ihm gesagte ist.

Kommunikation auf Augenhöhe

Alternative Wege, Hilfe anzubieten

Was kann man also tun, wenn man jemanden helfen möchte, aber nicht arrogant wirken will?

1. Das Problem als legitim anerkennen

Damit ist schon sehr viel getan. Oftmals werden Probleme als Nichtigkeiten abgetan. Das verletzt und wertet stark ab. Indem man das Problem jedoch als legitim anerkennt, zeigt man der anderen Person: „Ich sehe dich.“

2. Spiegeln

Dein Problem ist Blabla?“

Durch spiegeln hat man die Chance ein Problem besser nachvollziehen zu können. Die Person mit dem Problem sieht: Ich werde gesehen. Zudem bietet sich bereits hier die Chance Unklarheiten zu klären.

3. Nachfragen ob Hilfe gewünscht ist

Brauchst du Hilfe?“

Manchmal möchten Menschen einfach nur jammern. Wirklich! Sie wollen sich beschweren, sich das Problem von der Leber reden und sich so teilweise davon befreien. Sie wollen nicht unbedingt euer Input oder eine Lösung. Es gibt Probleme die sind einfach ärgerlich, aber temporär. Sie erledigen sich von selbst, ohne dass irgendeine Handlung notwendig ist. Gleichzeitig gibt es auch Probleme, die sich zwar nicht von alleine erledigen, die aber auch keine ultimative Lösung haben.

→ Beispiel: Wenn jemand ein anhängliches Baby/Kind hat, dann hat er es eben. Klar, kann man das Kind, wenn es älter ist, dazu animieren etwas alleine zu machen, aber bei einem Baby hilft nur Geduld und abwarten. Es ist vollkommen legitim, wenn die Bezugsperson darüber jammert, dass sie kaum Schlaf bekommt oder dass sie kaum Zeit für sich selbst hat. Glaubt mir: In der Regel nimmt man jeden Augenblick für sich, den man bekommen kann. Trotzdem ist so eine Situation anstrengend.

4. Nachfragen was schon probiert wurde

Was hast du denn schon probiert?“

Wünscht die Person Hilfe ist es ratsam, erst einmal zu erfahren, was denn schon alles probiert wurde. Denn ansonsten werden immer wieder dieselben Ratschläge genannt und das kann ganz schön nervig werden. Zudem offenbaren sich auch die Umstände und das Gesamtbild zeigt sich.

→ Beispiel: Wenn eine müde und erschöpft Mutter tausend Mal den Ratschlag bekommt den Vater mehr einzubinden, obwohl sie dies schon tut, nervt das. (Und ich schreibe das nicht aus eigener Erfahrung *ironie off*)

5. Nachdenken

Gib mir bitte einen Moment Zeit darüber nachzudenken, was du NOCH NICHT probiert hast.“

In der Regel hilft das, dass Problem rundum zu beleuchten.

6. Eine mögliche Lösung, unter Beachtung sämtlicher Umstände, anbieten

Zu deinem Problem blabla fällt mir unter anderem die Lösung blubb ein. Wäre das umsetzbar für dich?“

Durch das erneute Spiegeln des Problems, erkennt man es als valide an

Beispiel: „Dein Kind ist sehr anhänglich, du bekommst wenig Schlaf und hast kaum Zeit für dich selbst. Könntest du vielleicht den Mittagsschlaf für dich nutzen und den Haushalt etwas schleifen lassen?“

Sollte nach Schritt 6 keine gute Lösungen gefunden worden sein, kann man wieder zu Schritt5 zurückgehen. Diesen Loop kann man so oft wiederholen, wie man mag oder bis einem nichts mehr einfällt.

Fazit: Kommunikation auf Augenhöhe gilt auch für Erwachsene

Es ist allgemein empfehlenswert sich zu fragen, warum man etwas tut, gerade wenn es um sensible Themen geht. Wertschätzung alleine hilft schon sehr viel, genauso das Gefühl mit einem Problem nicht alleine zu sein. Grundsätzlich finde ich, dass es einfach von Respekt zeugt, wenn man auf die andere Person eingeht und ihr zeigt:

Hey, ich sehe dich. Ja, es läuft kacke bei dir, aber ich bin für dich da, wenn du Hilfe brauchst!“

Das nennt sich Kommunikation auf Augenhöhe und ist eine Form der „Gewaltfreien Kommunikation“.

Wenn ihr also das nächste Mal jemanden begegnet, der aussieht, als ob er Hilfe braucht, fragt nach, ob es wirklich so ist oder ob die Person sich einfach nur in Ruhe beschweren will. Fragt euch: „Wie möchte ich, dass mit mir umgegangen wird?“

Solltet ihr eher der Kategorie „Ich will Probleme lösen und will nicht reflektieren!“ angehören, kann ich euch Logikpuzzle empfehlen.

Liebe Grüße

Eure Semi