Papa ist in der Trotzphase

Wie wäre es, wenn mein Mann einen Tag lang die Position meiner Tochter einnehmen würde und eine richtige Trotzphase durchlebt? Was würde ich tun, wenn er die gleichen Verhaltensmuster an den Tag legt? Ich habe mal versucht das gedanklich durchzuspielen…

Situation 1: Morgendliches Desaster

7 Uhr – es ist Zeit aufzustehen. Normalerweise machen mein Mann und ich uns zeitgleich fertig und verlassen gemeinsam das Haus. Zunächst liefere ich ihn auf der Arbeit ab, anschließend fahre ich auf die Arbeit. Heute muss ich besonders pünktlich sein. Direkt um 9 Uhr habe ich ein Meeting. Doch mein Mann liegt noch müde im Bett und bewegt sich nicht. Ich setze mich zu ihm, flüstere ihm zärtlich „Aufwachen“ ins Ohr. Nichts. Nicht mal ein Grummeln. Ich bewege ihn leicht an der Schulter und sage ihm, dass es Zeit wird sich fertig zu machen. Wieder nichts. Ok. Dann eben anders. Ich öffne die Rolläden in der Hoffnung, dass ihn das Morgenlicht stört. Fehlanzeige. Ok, dann lasse ich ihn eben liegen und mache mich schon mal fertig…

Mit Speck fängt man Mäuse

Flink husche ich ins Badezimmer, wasche mich, ziehe mich an und mache mir die Haare zurecht. Ein kurzer Blick ins Schlafzimmer verrät mir, dass mein Mann noch immer nicht wach ist. Mittlerweile stampfe ich schon nahezu ins Zimmer und fordere ihn dazu auf, endlich aufzustehen. Er grummelt. „Ich habe keine Lust, mag liegen bleiben“. Nix da! Höre ich mich sagen. „Raus jetzt, wir sind spät dran und ich hab doch mein wichtiges Meeting“. Interessiert ihn nicht die Bohne. Gut, ich gehe in die Küche und bereite Frühstück sowie unsere Lunchboxen vor. Fertig. Eigentlich kann es los gehen. Doch mein Mann liegt noch immer im Bett. Mir reißt der Geduldsfaden und ich suche nach einem Waschlappen. Das feuchte-kalte Ding landet in seinem Gesicht. Er grummelt missmutig und faucht mich an. Immerhin sitzt er schon mal aufrecht. „Frühstück ist fertig, Schatz“, sage ich mit einem drohenden Unterton. Er kommt mit. Wir frühstücken gemeinsam, mittlerweile ist es schon kurz nach 8.

Mit Boxershorts zur Arbeit

Ich werde etwas nervös, immerhin sitzt mein Mann noch immer in Boxershorts am Tisch. Ich frage ihn, ob er sich nicht anziehen möchte. Nein! Schmettert er mir entgegen. Er will nicht. Wir diskutieren sicherlich 20 Minuten, noch immer kann er sich nicht erweichen lassen. Auch Argumente wie „ Es ist kalt“ oder „deine Kollegen tragen doch auch keine Unterwäsche im Büro“ ziehen nicht. Gut, dann eben so. Ich  fasse mir ein Herz, packe ihm Klamotten für die Arbeit zusammen und scheuche ihn ins Auto. Ohne Schuhe, denn die wollte er auch nicht anziehen. Ich setze ihn mit seinen Klamotten und dem Lunchpaket bei der Arbeit ab und hetze gestresst zum Meeting. 9.05 Uhr, alle Kollegen sind schon da und warten auf mich. „Sorry…. Mein Mann“, murmele ich. Andere Ehefrauen nicken verständnisvoll, die Kollegen aber rollen nur mit den Augen. Was ein toller Start!

Situation 2: Der Suppenkasper

Nach der Arbeit hole ich meinen Mann ab. Immerhin trägt er mittlerweile Klamotten und scheint deutlich besser gelaunt zu sein. „Was gibt´s zum Abendessen?“, fragt er mich. „Du darfst dir was wünschen Spatz“, sage ich . „Prima, dann hätte ich gern Nudeln“. Alles klar. Nudeln haben wir immer im Haus. Zu Hause stelle ich mich in die Küche und mache Nudeln mit Tomatensoße und Käse. Das liebt er. Heute blickt er aber missmutig drauf. „Hm…irgendwie habe ich darauf keinen Appetit. Kannst du was anderes machen?“, fragt er mich. Ein bisschen genervt aber verständnisvoll nicke ich. Wie wäre es mit einem Brot? „Ohja, Brot klingt gut“. Also gehe ich zurück und richte ihm ein Brot mit Käse und eines mit Wurst. Dazu mache ich ihm noch Gurkenscheiben und Tomaten mit Salz – das isst er gern.

Das Gurken-Dilemma

Als ich ihm den Teller hinstelle, fährt er mich an. „KEINE Gurke! Nein!“ Zornig funkelt er mich an. „Du musst sie ja nicht essen, lass sie einfach liegen, Schatz“, erkläre ich sanft. Doch das reicht nicht. NEIN! Faucht er und schiebt den Teller weg. Ok… ich gebe mich geschlagen, nehme den Teller und entferne die Gurken. Als ich ihm den Teller erneut hinstelle bahnt sich die nächste Katastrophe an. Der Käse hat keine Löcher! „Ich mag nur Käse mit Löcher!“ „Aber Schatz“, lenke ich ein, „gestern hast du den Käse doch auch gegessen“…“NEIN, ich will den nicht. Ich will den mit LÖCHERN“. Ich schaue ihn entsetzt an und fauche zurück: „Gut, dann kein Käsebrot für dich. Dann eben Wurst“. Aber das ist auch nicht recht. Statt zu essen fängt er nun zu quengeln an: „Blöde Ehefrau! Ich hab dich nicht mehr lieb!“ Und trotzt. Er rührt einfach gar nichts mehr an. „Möchtest du nicht noch was essen Schatz?“, frage ich vorsichtig. Nichts. Ok. „Bist du sicher? Dann stelle ich das lieber in den Kühlschrank?“ Keine Reaktion.

Majestät badet in Erdbeermilch

Ich möchte den Teller wieder in die Küche tragen, da faucht er mich wieder an: MEINS! Und reißt mir den Teller aus der Hand. Er schiebt sich das halbe Brot auf einmal in den Mund und funkelt mich demonstrativ an. Ich gebe auf und senke den Kopf auf den Tisch. Uff. Nachdem er heruntergeschluckt hat, verlangt er Erdbeermilch. „Liebling, bist du sicher? Möchtest du nicht erst aufessen?“  Aber nein, er ist sich sicher. Also mache ich eine Milch – er soll ja nicht verdursten. Dann wendet er sich voller Euphorie seiner Milch zu – und vergisst darüber sein Brot. Er fängt an Blubberblasen zu machen und auf meine eindringlichen Bitten doch nicht soo viel zu spielen (er saut sich komplett ein), sondern etwas zu essen, reagiert er nicht. Nach knapp einer Stunde am Tisch, etlichen Versuchen ihn zum Essen zu bewegen und einigen Trotzanfällen wird es mir zu bunt. Ich trage den Teller – unter lautem Protest – in die Küche. Mein Mann sitzt am Tisch und schmollt. „Schatz, gehst du bitte die Zähne putzen?“ Dass ich damit keinen Erfolg habe, kann man sich sicherlich denken. Also ohne ordentlichen Abendessen und Zähneputzen ins Bett. Ziemlich blöd gelaufen heute…

Situation 3: Playtime im Supermarkt

Es ist wieder soweit, der Einkauf steht an. Auf meiner Stirn bilden sich schon die Schweißtropfen, denn es gibt unzählig Dinge, die mein Mann uuuunbedingt braucht. Es gibt eine klare Vorgabe: Beim Einkaufen kann er sich einen Gegenstand aussuchen. Aber nur einen. Und es sollte im preislichen Rahmen bleiben. Allerdings ist er mit dieser „Es kann nur einen geben“-Mechanik nicht so vertraut, weswegen es immer wieder Ärger gibt.. Auch heute. Angefangen hat alles gut. Beim Brötchenstand gab es erstmal eine leckere Semmel für ihn. An der Wursttheke haben wir wieder die Vorräte aufgefrischt und die liebe Dame von der Theke hat ihm – wie immer – ein Scheibchen Wurst geschenkt. Männer die satt sind, sind glückliche Männer, hat man mir gesagt. So weit so gut. Wir kaufen weiter ein. Nun fällt ihm ein, dass er selber laufen möchte und hüpft vom Wagen. Zack -weg. So schnell konnte ich gar nicht schauen, wie er zwischen den Regalen verschwunden ist. Ich rufe und er antwortet nicht. Leicht genervt beginne ich also nach ihm zu suchen.

Ein Königreich für einen Schnaps

Als ich das Alkoholregal hinter mir lassen – bei Gott, ich könnte jetzt nen Schnaps gebrauchen – finde ich ihn. Er steht vor dem Käseregal und möchte Babybel haben. Ist in Ordnung, den kann man auch prima in die Arbeit mitgeben. Ein Stück weiter fallen ihm aber dann die Fruchtzwerge ins Auge. Auch die müssen mit. Geduldig strecke ich mich nach oben zu ihm und erkläre, dass er ja schon den Käse hat. Er kann sich gern entscheiden. Er will aber beides und tut das lautstark kund. Wieder erkläre ich, dass das so nicht geht und wir eine Abmachung haben. Wieder ist ihm das aber scheiß egal und er fängt an zu toben. Er tobt und wirft sich auf den Boden. 5 Minuten lang. Ich stehe daneben und versuche meine Nerven zu bewahren. Ich gehe in die Hocke und versuche das durchzustehen, aber es geht immer weiter und weiter. Die Blicke der Menschen liegen auf mir und sagen sowas wie: „Typisch, wieder viel zu früh geheiratet und nun hat sie ihren Mann nicht im Griff“. Args. Mir wird es zu viel. Ich erhebe mich und gebe klar zu verstehen, dass ich gern weiter einkaufen möchte. Er könne sich gern anschließen. Nix.

Und täglich grüßt die Trotzphase

Nun gut, ich laufe weiter, um den Einkauf fortzusetzen. Er schreit auf: Schaaaaatz! Wirft sich an mein Bein und tobt anschließend weiter. Ok. Mitkommen ist nicht, alleine weiter machen ist auch nicht. Ich gebe entnervt auf und versuche ihn über meine Schulter zu werfen und dazu zu bewegen mitzukommen. Er strampelt allerdings so sehr, dass wir fast beide umfallen. Die Menschen sehen mich mit einer Mischung aus Mitleid und Argwohn an. Ich werde innerlich immer wütender. Irgendwie schaffe ich es dennoch zur Kasse zu gelangen und versuche meinen Zorn herunter zu schlucken. Dort angekommen hat mein Mann Ü-Eier entdeckt. Er isst keine Schokolade, baut aber gern die Figuren zusammen. Ich verabschiede mich von der „Es kann nur einen geben“-Regel und sage zu. Meine Nerven stehen keinen weiteren Kampf durch…

Endlich ist der Spuk vorbei, wir sind zu Hause angekommen. Nachdem mein Mann viel zu spät ins Bett gekommen ist – dieser Suppenkasper – entspanne ich mich beim Surfen. Gedankenverloren lande ich auf einer Webseite mit guten Scheidungsanwälten….

Zurück in der realen Welt

Wie kam ich eigentlich darauf, meinen Mann in die Rolle der Tochter schlüpfen zu lassen? Nun ja… In etlichen Diskussionen, wenn es darum geht das Kind zu erziehen, kommt immer mal wieder ein Satz auf: „Würdest du deinen Partner auch so behandeln?“. Meist geht es darum, wie man dem Kind ordentlich die Grenzen setzt, dass man klare Ansagen macht, Verbote ausspricht. Vielleicht gar Drohungen. Ich mag nun die verschiedenen Erziehungsstile, die hier aufeinanderkrachen gar nicht bewerten. Ich habe einfach das Kopfkino spielen lassen.

Diese Geschichten aber lesen sich lustig. Warum? Weil sie einfach so abwegig sind, dass sich jemand, der mit einem Erwachsenen vernunftbegabten Menschen zusammenlebt, so behandeln lässt. Und das ist der Punkt. Mein Mann ist erwachsen. Mein Mann ist (oft) vernünftig. Solche Situationen wird es mit ihm niemals geben. Mit einem Kind sind die Gang und Gebe. Darum liegt es an mir dem Kind Grenzen aufzuzeigen und zu zeigen, dass es so nicht geht. Dass das Verhalten absolut nicht in Ordnung ist. Dabei werde ich mal lauter, dabei mache ich mal Vorschriften. Natürlich würde ich meinem Partner keine derartigen Vorschriften machen. Das muss ich aber auch nicht. Er ist erwachsen und kennt die Regeln des sozialen Miteinanders bereits. Mein Kind muss sie noch lernen. Aus diesem Grund finde ich diese wiederkehrende Frage einfach nur lächerlich – um es auf den Punkt zu bringen. Partner und Kind kann man nicht gleich behandeln. Zumindest nicht immer.