Ganz ehrlich: Wenn mir irgendeine Frau erzählt hat „Ach die Geburt war so schön“, dann hatte ich nur einen Gedanken: Die spinnt! Eine Geburt ist alles, aber nicht schön. Okay das Ergebnis natürlich schon. Und die Stunden danach, wenn das Baby dann da ist und man das alles endlich hinter sich gebracht hat. Das alles ist wunderschön. Aber die Geburt an sich? Horror! Und dann kam Fritz …
Als ich auf solche Artikel wie „Wenn die Geburt zum Höllentrip wird“ von Yasmin, besser bekannt als „Die Rabenmutti“, gestoßen bin, war ich echt froh. Froh, dass da noch andere sind, die die Geburt nicht als das non plus ultra ihres Lebens empfunden haben. Und noch viel mehr: als eine schlimme Erinnerung. Ein Trauma. Das hat mir etwas Mut gemacht, meine Erlebnisse auch auszusprechen. Denn irgendwie fühlt man sich ja schon wie eine Rabenmutter, wenn man nicht das pure Glück verspürt.
Erster Akt
Henris Geburt oder wie es dazu kam, dass ich geheilt werden musste
Henri ist mein ältester Sohn. Er kam 2010 zur Welt und ich erinnere mich daran als sei es gestern gewesen. Dabei hatte ich zunächst gar nicht so ein Muffensausen vor der Geburt. Aber keine Angst: dafür sorgen ja die ganzen Mamas um einen rum. Fragt man als Erstgebärende am Anfang vielleicht noch nach, so gibt man das spätestens nach den ganz detaillierten Beschreibungen schnell wieder auf. So genau will man es ja dann doch nicht wissen. Aber vielleicht ging es jemandem von euch genauso wie mir: Ich hatte das Gefühl, je dicker der Bauch wurde, desto mehr verspürten die Bereits-Mamas den Drang, mir von ihrem Erlebnis auch ohne Nachfrage zu erzählen. Und zwar schonungslos alles.
„Mir hat der Kleine den Schließmuskel zerissen. Ich muss Tabletten nehmen, weil ich nicht normal zur Toilette kann.“
Wer bitte hat nochmal gefragt? Ähm ja, genau. Keiner! Ja, ich berichte hier auch ausführlich über meine Erfahrungen. Aber ihr könnt selbst entscheiden, ob ihr es lest oder nicht. Ich konnte mir ja schlecht die Ohren zu halten. Etwas mulmig war mir also schon. Aber es gibt ja die PDA. Also hopp. Irgendwann will man nur noch, dass das Kind rauskommt, egal wie schön die Schwangerschaft war. Die riesen Kugel, das unbequeme Liegen, die doch sehr eingeschränkten Stellungen… Das nervt irgendwann nur noch.
Ewige Warterei
Und dann war es so weit. Okay, so eine Geburt hängt natürlich von vielen Faktoren ab wie die Dauer, die Lage des Kindes usw. Aber ob man es als schönes Ereignis in Erinnerung behält, hat wohl auch ganz viel damit zu tun, wie man behandelt wird. Meine erste Geburt wurde für mich zu einem Horrotrip. Und zwar nicht wegen der Schmerzen. Die waren schrecklich. Keine Frage! Aber noch viel schlimmer war, wie mit mir umgegangen wurde. Zunächst war alles ganz normal. Morgens um fünf Blasensprung, aber noch keine Wehen, also erstmal wieder schlafen, dann Krankenhaus, dann spazieren, untersuchen, spazieren, untersuchen usw. Es tat sich nichts.
Schon war man ehrlich gesagt nicht besonders freundlich zu mir. Insgesamt drei verschiedene Hebammen (Schichtwechsel) haben nicht genau gewusst, ob es nun Fruchwasser ist, was da schwallartig kommt oder nicht. Ganz ehrlich: Was sollte es denn sonst sein? Aber gut. Diese Frage stellte dann auch der Arzt als er nach elf Stunden endlich mal einen Blick auf mich warf und ich durfte „einchecken“.
Wenn so niemand dir hilft
Bis abends um ungefähr zehn Uhr hatte ich nichts. Überhaupt nichts. Und dann kam die erste Wehe. Ich dachte ehrlich gesagt, die fängt etwas langsamer oder „zarter“ an, aber die war schon echt heftig und wiederholte sich dann schnell jede Minute. Also eine Minute Wehe, eine Minute Pause. Das hat mir dann niemand geglaubt, also ab ans CTG. So… Natürlich nur jede Minute Pause (hab ich’s nicht gesagt?!), aber sonst tat sich halt nix. Auf meine Frage wie lange es noch dauern könnte, meinte die (mittlerweile vierte) Hebamme dann „noch so 12 Stunden.“ Bitte?? Das hätte ich keine zwei Stunden ausgehalten. Irgendwann hat sie mir Buscopan gegeben.
„Da lach ich ja drüber“, hab ich zu ihr gesagt. Buscopan hat nichtmal mit 14 so geholfen, dass die Regelschmerzen erträglich waren.
Die zwei Zäpfchen waren dann wie erwartet im wahrsten Sinne des Wortes für’n Arsch. Irgendwie bekommt man ja immer eingeredet, man schafft das alles ohne PDA. „Früher haben die Frauen ihr Kind auf dem Feld bekommen und haben dann weitergearbeitet“, hat mal jemand zu mir gesagt. „Früher hat man die Zähne auch ohne Beteubung gezogen“, war meine Antwort. „Ich kann’s ja mal bei dir probieren.“ Wollte er nicht. Seltsam! Was mich ehrlich gesagt auch etwas enttäuschte war, dass mir gar nichts angeboten wurde. Alles musste ich erfragen und es war ja nunmal Neuland für uns. Ich habe Freundinnen, die haben lange in der Wanne gelegen oder haben Schmerzinfusionen bekommen. Aber nichts. Also hab ich mich nach ewigem hin und her dann tatsächlich für eine PDA entschieden.
Die erlösende PDA
Zuerst hat der Arzthelfer mir den Zugang gelegt. Zumindest hat er es versucht. Nach mehrfachem Stechen am Handgelenk – ich hatte schon alles blau – hatte er es dann geschafft. Als ich mich mit den Wortem „ich bin echt froh, wenn die PDA liegt. Jetzt brauch ich sie noch mehr“ bei ihm bedankte, murrte der nur schlecht gelaunt „ja so ne Geburt tut halt weh. Das ist eben so.“ Ach ja. Er hatte recht. Aber er hatte weder verstanden, was ich gesagt habe, noch hatte er ein paar aufmunternde Worte für mich. Die hatte dort niemand. Das konnte ich sowas von vergessen.
Der Anästhesist war dann – oh Wunder – super nett, nur leider viel zu kurz da. Seine Witze waren schlecht, aber es hat gut getan, dass wenigstens einer seinen Job anscheinend gerne gemacht hat. „Die Frauen lieben mich. Ich nehme ihnen den Schmerz.“ Genauso war es! Und dann hatte ich erstmal die Nacht über Ruhe. Da wurde zwischendurch noch einmal nachgespritzt, aber sonst waren wir ab da total gechillt. Naja… So gechillt wie man eben sein kann, wenn man sein erstes Kind bekommt 😉
Monster im Kreißsaal
Und dann kam er: der Schichtwechsel. Dann kam der Drache. Helga war sein Name. Den kann ich ruhig nennen, denn sie hätte damals schon in Pension sein müssen. Dürfte also heute schon lange nicht mehr praktizieren. Ich hoffe es für alle werdenden Mamas. Ich weiß, dass Hebammen weit unter dem bezahlt werden, was sie bekommen sollten. Aber dafür kann ich ja nun übrhaupt nix.
Gehört das nicht zum Berufsbild? Einfühlsam, nett, hilfsbereit … Warum wird man denn Hebamme, wenn man so gar nichts Herzliches in sich hat? Ich muss also nicht mehr viel dazu sagen.
Mit dem Schichtwechsel kamen die Presswehen. Zuerst hat Helga die PDA runtergefahren, weil ich ja schließlich die Presswehen spüren muss, um mitzuarbeiten. Und dann hab ich gepresst und gepresst und gepresst. Und passiert ist: überhaupt nichts. Ich war völlig fertig und meinte ab und an mal „Ich kann nicht mehr“, woraufhin die nette Helga irgendwann meinte, sie könne mein Gejammere nicht mehr hören. Wisst ihr… Wenn ich nicht so völlig hilflos gewesen wäre, hätte ich mir zum ersten Mal die Hand gebrochen, während ich jemandem ins Gesicht geschlagen hätte. Ich war aber hilflos – erste Geburt, null Ahnung, Schmerzen, Angst – und das war das Schlimmste daran. Also hat die gute Frau uns allein gelassen. Schließlich hat sie noch jede Menge Schriftkram zu erledigen.
Bitte? Dann kam die nächste Wehe und ich fragte meinen Mann „Was soll ich denn jetzt machen?“ und er schaute mich völlig verzweifelt und mitfühlend an und fragte „Pressen?“.
Ja, man könnte lachen, wenn es nicht so wahnsinnig asozial gewesen wäre, uns in so einer Situation alleine zu lassen. Die liebe Hebamme kam also rein als ich weiter gepresst habe und sagte ganz trocken „Ah, wenn wir jetzt wieder mitmachen, dann kann ich ja jetzt bleiben!“ Doofe Kuh! Warum mein Mann sich dann nicht die Hand gebrochen Hand, weiß ich his heute nicht.
Und noch ein Monster
Nach einer Stunde Presswehen war sie dann so gnädig, den Arzt anzurufen. Nachdem ich mehrfach danach gefragt hatte. Schließlich steckte Henri ja offensichtlich im Geburtskanal oder wo auch immer fest. „Ach, es ist so viel zu tun heute“. Der kam völlig verschwitzt, vollgeblutet und noch mit Maske rein und meinte „Ich hab nur fünf Minuten. Mit der nächsten Wehe holen wir das Kind.“ Ähm… Wir wollten fragen, was das bedeutet, aber bevor wir das konnten kam die Wehe, die ich schön weggeatmet hat. Nachdem er dann fast ausgerastet ist, hab ich bei der nächsten halt gepresst. Und dann ging alles super schnell. Der ca. 100 kg schwere Blödmann hat sich auf meinen Bauch gelegt und dann hatte ich die schlimmsten Schmerzen, die ich jemals hatte.
Auf sein „Klappe halten und weiterpressen“ hat er dann also Henri mit einer Wehe rausgedrückt. Kopf, Schultern, alles… Und ich dachte, ich sterbe. Und wenn ich nicht sterbe, dann bringe ich ihn um.
Viele sagen „Ach, den Schmerz hat man sofort vergessen, wenn man das Baby im Arm hält“. Ähm nein!? Ich hab Henri angeschaut und hab mich immer nur sagen hören „Ich bekomme nie wieder ein Kind. Nie wieder!“
Der Spaß geht weiter – Nur nicht zu nett werden
Ich denke, der Schmerz war so groß, weil die PDA den Wehenschmerz genommen hat. So war der Moment, als der Kopf kam, einfach grauenhaft. Sofort im Anschluss hat der Arzt uns wieder allein gelassen. Logisch. Es war ja so viel zu tun. Wir wussten es mittlerweile. Die nette Hebamme hat nach der Nachgeburt die Wunden inspiziert und meinte nur „Oje, das muss genäht werden“. Ja, super. Da hab ich mich aber gefreut. Als der Arzt zurückkam, bin ich automatisch zusammengezuckt.
„Stellen Sie sich mal nicht so an. Schließlich haben die grade ein Kinde bekommen.“
Ich bin immer wieder sprachlos, wenn ich darüber nachdenke. „Ja du Arschloch. Genau deshalb sollst du deine Metzgerhände da weglassen.“ Das habe ich natürlich nicht gesagt, sondern nur wimmernd darauf gewartet, dass es endlich vorbei ist. Ein klein wenig wurde ich dann wohl erhört, denn er meinte „Ihr Blut gerjnnt aber schnell. Da kann ich jetzt gar nichts mehr machen.“ „Ups… Ich bin ja bloß schon 9 Monate bei dir in Behandlung und habe immer wieder auf die Gerinnungsstörung hingewiesen, du Vollpfosten.“ Auch das sage ich nicht, weil ich einfach nur erleichtert bin, dass nichts mehr gemacht werden muss. Oder viel besser nichts mehr gemacht werden kann.
Ja, die Schmerzen waren schon echt gigantisch. Aber viel viel schlimmer als der Schmerz war, was die Worte und Gesten der ganzen Freakshow dort mir angetan haben.
Man fühlt sich grade bei dem ersten Kind so vollkommen ausgeliefert, dass man auch alles mit sich machen lässt. Zumindest uns ging es so. Im Nachhinein haben wir gehört, dass in dieser Nacht 12 Kinder dort zur Welt kamen. Das ist hart. Aber das entschuldigt gar nichts. Unfreundlichkeit und soziale Inkompetenz waren aber wohl doch kein Einstellungskriterium in dem Krankenhaus. Denn zum Glück wurde ich zumindest teilweise für 28 Stunden Horror mit einer wunderschönen Zeit auf der Wochenbettstation mit ganz lieben Schwestern entschädigt.
Wie es weiter geht, erfahrt ihr in Teil 2 [Coming soon]
Wer schreibt denn hier?
Ich heiße Vreni, eigentlich Verena, bin 37 Jahre alt, Mama von drei wundervollen Jungs sowie Frau von einem wundervollen Mann – tief im Innern eigentlich auch noch ein Junge 😉 Als Werbekauffrau und Medienwirtin nutze ich gerade meine Elternzeit, um mich dem Bloggen hinzugeben. Und was soll ich sagen: Ich habe es für mich entdeckt. Es macht einfach Spaß <3 Ob Leistungssport im Kindes-, Abnehmwahn im Teenie- oder vollgekackte Babywindeln im Erwachsenenalter. Irgendwie ist doch alles total verrückt, wenn man es nur manchmal mit Humor betrachtet. Zumindest ich habe beschlossen, es so anzugehen. Also schreibe ich darüber. Und ich tue Kund.
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