Hallo, ich bin Eva aka Variemaa, Doktorandin, Autorin, Journalistin. Mutter von drei Kindern, Keule (9), Nudel (4) und Knopf (2). Es ist halb elf Uhr abends und ich schreibe. Bis vor zwanzig Minuten waren meine zwei Jüngsten wach, ein Duplo-Schlauch liegt an meinem Schreibtisch, weil der Knopf ihn mir runtergebracht hatte. Jetzt ist mein Mann vom Tauchen gekommen und übernimmt.

„Ein ganz normaler Haushalt mit drei Kindern“

Ein ganz normaler Abend also in einem Haushalt mit drei Kindern, in dem beide Eltern arbeiten und darauf achten, ihren Freizeitbedarf nicht vollständig zu vernachlässigen.

Ich bin Bloggerin, Autorin, Journalistin und momentan in erster Linie Doktorandin. Ich schreibe und lese, wann immer ich kann. Das ist eine Vollzeitstelle.

Mein Großer steht selbstständig auf, frühstückt, geht zur Schule, kommt heim, macht Hausaufgaben. Die zwei Kleineren bringe ich nach der alltäglichen „Ich mag das nicht anziehen“ „Ich mag aber Müsli“ „Nein, ich mag kein Müsli, ich mag Schokolade“ „Warum gibt es keine Schokolade zum Frühstück?“ „Es ist mir egal, dass es regnet, ich will Sandalen“ Tirade in die KiTa.

Der Wunsch nach einer Großfamilie

Copyright: Eva-Maria Obermann

Dann arbeite ich. Entweder an der Uni oder am Schreibtisch zu Hause. Durchgehend. Bis die Kinder am Nachmittag wiederkommen, mein Mann holt sie ab. Zu oft vergesse ich dabei Essen und Trinken, Haushalt sowieso. Und manchmal arbeite ich abends weiter.

Angekommen

Wir sind als Familie angekommen. Irgendwo zwischen durchzechten Nächten, Debatten über fleischlose Ernährung und Popoabwischen. Natürlich entwickeln wir uns immer, weil die Kinder sich entwickeln (Windeln werden langsam unnötig) und mit jedem Schritt gibt es andere Freiheiten, andere Verpflichtungen. Seit ich nicht mehr stille (etwas weniger als ein halbes Jahr) habe ich endlich die Möglichkeit auch mehrere Tage auf Konferenzen zu fahren.

Es läuft und es läuft ganz gut. Manchmal. An anderen Tagen weiß ich nicht, wo ich anfangen soll, nur, dass ich nicht fertig werde.

Gerade kurz vor den Sommerferien ist es mit einem Lehrer als Gatten auch ohne Kinder nervenaufreibend. Dazu kommt das die frühe Präpubertätsphase von Keule (ihm ist alles egal, aber nicht egal genug, um sich nicht darüber aufzuregen), die Missgeschicke, weil der Knopf gerade lernt aufs Klo zu gehen, aber es nicht immer schaft und Nudel, die wilde Hummel dazwischen, die mehr Energie hat, als ich es für einen Menschen für möglich gehalten hatte.

Und jetzt das. Es reicht mir einfach nicht. Mein Mann und ich hatten schon beim ersten Kind die Idee, dass wir fünf wollen. Fünf Kinder.

Sie war da, stand im Raum, wir fanden sie gut. Nach dem dritten wussten wir nicht, ob es wirklich zum vierten kommt. Die Nudel hat unheimlich viel Energie, der Knopf geht gerne mit dem Kopf durch die Wand, Keule ist manchmal zu gern allein. Familienchaos eben, wie heute, wo schlafen überbewertet wird. Trotzdem. Jetzt ist es soweit. Ich will noch ein Kind. Sehr sogar.

Copyright: Eva-Maria Obermann

Wunschgefühle

Ja, ich will noch ein Kind. Im Moment wächst dieser Wunsch stätig. Überall sehe ich Schwangere und Babys. Ich drehe das Lidl-Prospekt um, wenn auf der Vorderseite ein Baby ist, weil er beim Anblick von allen Kindern unter eins im Moment richtig schlimm ist. Ich vermisse es, ein Baby zu haben. Alles daran. Den Duft, die täglichen Erfolge, das Gebrabbel. Und ja, ich habe mit meinem Mann darüber gesprochen. Diese Entscheidung kann ich nicht alleine treffen, selbst wenn ein Teil von mir sich schon entschieden hat.

Der Teil, der mögliche Geburtstermine gegen andere aufwiegt, Namen auf einen Zettel schreibt und von einer großen, glücklichen Familie träumt. Ein anderer Teil von mir sieht alles etwas weniger verklärt. Ich kämpfe jedes Mal mit großer Schwangerschaftsübelkeit und bin dann auf Unterstützung angewiesen. Momentan muss ich die Kleinen mit dem Rad zur KiTa bringen, mit Baby ist das nicht möglich.

Mein geregelter Arbeitsalltag wäre wieder an Kinderschlafzeiten und Stillzeiten gekoppelt. Und das hört ja nicht bei mir auf. Ein neues Familienmitglied erweitert, aber es beengt auch. Unseren Aktionsradius, unsere Möglichkeiten.

Großfamilie, bitte ja

Tatsächlich finde ich die Vorstellung, eine Großfamilie zu haben, toll. Ich werde auch mit viertem Kind nicht aufhören, zu arbeiten. Das kann ich, weil ich sehr flexibel in meinen Arbeitszeiten bin. Nudel und Knopf waren regelmäßig mit an der Uni, als sie unter 1 waren.

Und ich kann es, weil ich weder Alleinerziehend bin, noch einen „inaktiven“ Mann an meiner Seite habe. Außerdem habe ich Eltern, Schwiegereltern, eine Stiefmutter, einen Bruder, kurz: viele liebe Menschen, die Teil meiner großen Familie sind und sich einbringen. Und nicht zuletzt meine Kinder.

Keule war fast fünf, als er zum ersten Mal großer Bruder wurde und er hat immer mitgeholfen. Alle Kinder werden einbezogen, wissen, dass wir ein Team sind und sie genauso ihren Teil beitragen müssen, selbst wenn es nur der ist, das eigene Zimmer aufzuräumen.

Im Grunde habe ich also schon eine Großfamilie, die nur nicht vollständig unter einem Dach lebt.

Das heißt aber auch, dass ich mit meinem Kinderwunsch nicht nur mich und meinen Mann (und unsere Kinder) unter Zugzwang setze, sondern alle anderen auch. Das Dilemma ist klar. Ich rede mit meinem Mann und wir entscheiden, ob es wirklich zum vierten Kind kommt, aber was, wenn von den Großeltern plötzlich jemand ausfällt?

Auch wenn meine Eierstöcke am liebsten sofort loslegen würden, muss mein Kopf abwägen. Dabei bin ich überzeugt das es geht.

Meine Mutter ist mit drei Geschwistern groß geworden. Mein Mann dagegen war Einzelkind. Ich weiß selbst, dass Geschwister manchmal Menschen sind, mit denen man – wären es Zufallsbekanntschaften – kaum ein Wort wechseln würde. Geschwister aber erweitern uns gerade dadurch, die Blickwinkel, den Horizont. Ich bin überzeugt, dass solche Dinge mehr wiegen, als Haben, auch wenn unsere Welt das gerne anders sieht. Trotzdem muss ich natürlich auch überlegen, ob ein viertes Kind finanziell machbar ist.

Lebensentscheidung

Es ist eine Entscheidung über ein neues Leben, die wir gerade treffen. Und dabei ist wichtig, ob wir genug Geld haben, genug Platz (im Auto), Zeit, Nerven. Mein Wunsch ist groß, aber ich weiß auch, dass ich nicht einfach machen kann. Ein Kind zu bekommen erfordert von mir und meinem Partner Verantwortung. Wie ich die auslebe, ist meine Sache. Trotzdem ist sie da. Das darf ich nicht ignorieren. Das Dilemma, in dem ich stecke, ist kein leichtes.

Manchmal fühle ich mich richtig unverschämt. Andere wünschen sich ein Kind und können kein leibliches bekommen, andere kommen beim ersten an ihre Grenzen. Ich bin keine Supermama, ich stecke auch nicht all meine Energie in Haushalt und Kinder – ich will das auch gar nicht. Meine Kinder liebe ich mit allem, was ich habe und zeige ihnen täglich, dass es sich lohnt, für den eigenen Weg zu kämpfen.

Beides zu wollen, Karriere und Kinder, ist nicht einfach, in der Idealvorstellung der immer fürsorglichen Supermama und immer flexiblen Karrierefrau unmöglich. Mutter zu sein war immer ein wichtiger Teil von mir, aber nie meine Erfüllung. Und trotzdem sitze ich hier und wünsche mir, noch ein Kind zu bekommen.

Ich kann es nicht erklären, dieser Wunsch selbst ist tief, vielleicht irrational, aber auch nicht zu ignorieren. Er schreit in mir, verursacht wirre Träume, ist nicht bereit, so einfach aufzugeben.

Ich höre ihn, rede mit meinem Mann, überlege. Mein Leben kann noch immer viele Wendungen nehmen, aber vielleicht stimmt es ja doch und wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Die schönsten Kindheitserinnerungen meiner Mutter beinhalten einen Gaskocher und den Straßenrand, weil keine Gaststätte eine sechsköpfige Familie bewirten wollte. Ich erinnere mich an den Duplo Zug und den Auto-Teppich in unserem Kinderzimmer. Meine Kinder streiten natürlich auch. Und dann schlafen sie auf einmal alle Arm in Arm in einem Bett. Etwas Platz wäre da noch.

Wenn ihr mehr von Eva lesen möchtet, lege ich euch ihren Beitrag über „Kinder an der Uni“ ans Herz. Oder besucht alternativ ihre/ihren