Muttergefühle: Liebesbrief an Claire

Diesen Beitrag schreibe ich heute mit etwa schwerem Herzen. Seit einigen Tagen drängen sich Gedanken in meinen Kopf, die mir das Herz schwer machen, die mich „Schuld“ fühlen lassen. Gedanken, die mich traurig machen. Ich habe Gefühle, die mich zeitgleich glücklich machen und mir einen Stich ins Herz versetzen. Es sind Glücksgefühle – noch immer reinster Babyhormonflausch. Die Muttergefühle die ich durchlebe sind so stark, wie nie gekannt.

[Anmerkung] Im ersten Jahr hatte ich mit Depressionen zu kämpfen, die nicht erkannt/behandelt wurden. Für alle, die den Blog bzw. mich nicht kennen.

Starke Muttergefühle für Marie

Ich bin so glücklich, wenn ich Marie ansehe. Ich liebe es, wenn sie mich anlächelt, ich liebe es, hinter ihren Ohren ihren feinen Baybegeruch zu schnuppern. Ich liebe ihr feines Haar, wenn ich ihr ein Küsschen auf den Kopf gebe. Ich liebe es sogar, sie zu Stillen (wenn auch nicht so, dass ich es längere Zeit machen möchte) und dabei ganz für mich zu haben. Ich liebe ihr freudiges Glucksen, wenn ich ihr die „Tittie“ anbiete. Ich liebe ihr zauberhaftes Lächeln, wenn sie mit mir spielt.

Schlaflose Nächte bereiten mir nicht so viele Schwierigkeiten, wie einst bei Claire. Ich liebe es, wenn sie auf mir schläft, liebe es, wenn sie meine Nähe sucht. Bei Claire habe ich das Familienbett anfangs gehasst – bei Marie kann ich mir nichts anderes vorstellen. Ich möchte sie nachts atmen hören und immer in ihrer Nähe sein. Generell gelingt es mir viel ruhiger zu bleiben. Alles wegzustecken. Die Liebe hilft. Dieses warme Gefühl in meiner Magengegend. Kennt ihr das? Es erfüllt mich mit Zuversicht, mit Kraft, mit Durchhaltevermögen.

Als ich früher in andern Blogs davon las, hatte ich mich immer gefragt „was hat die denn geraucht?!“ und „warum empfinde ich nicht so? Bin ich falsch? Bin ich schlecht?“.

Und jetzt? Jetzt spüre ich das alles selbst. Erlebe diese Gefühlsachterbahn, diese innige Verbindung zu Marie. Es ist großartig. Und schrecklich!

Als die Gefühle auf Eis gelegt waren

Schrecklich, weil ich all das bei Claire nicht gespürt habe. Und das tut unheimlich weh. Ich fühle mich schuldig. Fühle mich richtig schlecht. Versteht mich nicht falsch. Es ist nicht so, als hätte ich sie gehasst oder dergleichen. Ich habe einfach… gar nichts empfunden. Oder nein, auch nicht richtig. Viel Angst, viel Schuld, viel Zweifel. Die düsteren Wolken der Depressionen haben meine Gefühlskanäle für positive Gefühle unzugänglich gemacht. Dadurch wurde mir Vieles verwehrt. Ich habe funktioniert. Vieles im Standyby-Modus erledigt.

Es ist nicht so, dass ich nicht versucht hätte sie zu lieben. Es hat nur sehr viel Kraft gekostet einzelne Lichtstrahlen durchbrechen zu lassen… Ich habe versucht ihr alles zu geben: Nähe, wann immer sie sie gebraucht hat. Verständnis, Geduld. Ich habe ihr seit der Geburt täglich gesagt, dass ich sie liebe. Ich wusste, dass es so ist! Auch, wenn es sich anders anfühlte. Ich habe mit ihr gesprochen, ihr vorgesungen, sie getragen. Mich informiert, mich durchgesetzt, wenn es notwendig war. So wie jetzt mit Marie auch – allerdings ohne diese bestärkende Wärme im Bauch. Ohne diese Energiequelle, die aus Kuscheleinheiten und Babylächeln resultiert.

Was man nicht kennt, vermisst man nicht

Erst jetzt erkenne ich ich aber, was mir wirklich alles entgangen ist. Es stimmt mich unendlich traurig. Ich hatte im ersten Jahr so viel verpasst. Erst nach und nach zu lieben bzw. zu fühlen gelernt.Und jetzt vermisse ich das. Ich hätte gern mehr „Lichtmomente“ gehabt. Mich an die Liebe festgeklammert, als sie so unglaublich fordernd war. Vielleicht hätte ich weniger Tränen vergoßen, mich weniger gehasst, weniger an meinem Mutterdasein gezweifelt. Sie mehr geliebt. Zweifel bestehen immer – klar. Aber nicht fähig sein zu lieben, hat mir auch die Selbstliebe genommen. Alles war so harte Arbeit…

Jetzt sitze ich hier und verkneife meine Tränen. Ich weine, weil es so schön ist, Marie einfach lieben zu können. Ich weine, weil ich Claire diese Art der Liebe erst viel später geben konnte. Dabei hätte sie sie so sehr verdient. Und ich weine, weil unser Band dennoch stark gewachsen ist. Weil all die Kraft sich gelohnt hat! Trotz alledem ist ein wundervoller Mensch aus Claire geworden (eigensinnig, liebevoll, offen und ehrlich) und ich gebe mir Mühe, dass sie mit viel Liebe, Geduld und Geborgenheit aufwächst. Ich versuche „nachzuholen“ was wir verpasst haben. Auch, wenn es mir mit Baby gerade besonders schwer fällt Exklusivzeit für sie zu finden. Ich hoffe so sehr, dass ich beiden Kindern gerecht werden kann. Beide sich geliebt fühlen. Kein Neid und keine Eifersucht entsteht, weil sich ein Mädchen weniger geliebt fühlt. Weniger beachtet. Zum Glück besteht zwischen den Schwestern gerade noch sehr viel Liebe. Das möchte ich gern aufrecht erhalten. Es ausbauen. Mit Liebe füllen…

Nicht aufgeben. Kämpfen!

Und ich muss anfangen mir zu vergeben. Ich bin noch immer wütend auf mich. Diese Schuldgefühle machen mir das Leben schwer. Sie erinnern mich an eine schwere Zeit. Aber sie dürfen nicht Überhand nehmen. Heute vergieße ich Tränen. Morgen will ich darüber stehen und es einfach besser machen.

Alle Mamas, die gerade betrübt sind, die die Sonne vor lauter Wolken nicht sehen, die mit Babyblues oder Wochenbett-Depressionen zu kämpfen haben: Es muss beim zweiten Kind nicht auch so sein. Es kann alles ganz anders kommen. Ich hoffe sehr, dass Mamas, die das Gleiche/Ähnliches durchlebt haben, wie ich, auch irgendwann mal diesen Babyplüschflausch erleben können. Es lohnt sich zu kämpfe. Wirklich. Das ist es wert.

#Notjustsad