„Meine Freundinnen bekommen schon ihre Mensi, ich meine noch nicht. Stimmt was nicht mit mir? Kann ich eigentlich schon schwanger werden?“ Wenn eine 11jährige das zu einem sagt, hat man doch nur wenige Optionen, oder? Ich sage ihr die ungeschminkte Wahrheit oder ich verfalle in den Sendung-mit-der-Maus Style. Spontan entschloss ich mich zu zweiterem. Blöde Idee. GANZ blöde Idee.

No Limits

Meine Kinder wissen, dass ich keine Limits habe und eben auch immer das sage, was ich denke. Ganz gleich, welche Konsequenzen das nach sich zieht. Wieso auch immer meine Tochter der Meinung war, dass ich sie aufklären möge, ich saß in der Falle. Verwies dezent auf eine Sendung von der Maus, die man bei YouTube findet. Der Hauptakteur, ein Spermium namens Willi.

Dem Redakteur dieser Sendung sollte man posthum noch eine reinhauen, da Willi seither ein gern genommener Gast in diesem Haushalt ist, wenn es um das Thema Sexualität geht. Willi, ein Name, den ich mit einem dicklichen Mann assoziiere, Rippunterhemd, Jogginghose, Kippe, Couch, Ruhrpottcharme eben. Sie schaute sich also diese 12min Lüge an. Wer des Googlens mächtig ist, ihr findet diesen kleinen „Lehrfilm“.

Die Sendung mit der Maus enttäuscht

Ich wusste davon, da er mal Teil eines Kabarettprogrammes einer Künstlerin war und ich mir eben sowas merke, Stichwort eidetisches Gedächtnis. Also schaute ich mit. Im Grunde hätte ich mir schon dabei selbst eine hauen können. „Toll Mark, alles richtig gemacht, nicht“. Dieser Film warf mehr Fragen auf, als er beantwortet. Kinder sehen uns Eltern danach sicher mit „anderen Augen“.

Ist die Bundesprüfstelle mittlerweile echt so spießig, dass es einem drittklassigen Animationsfilm mit blöden Gags zu verdanken ist, dass die Kinder sich selbst aufklären können, dank dem allseits beliebten YouTube? Man muss ja schon dankbar sein, dass diese Plattform noch etwas anderes bietet außer Schminktipps und wie ziehe ich mich unfallfrei an?

„Daddy, mal ehrlich. Ich bin 11, willst du mich verarschen? Soll ich daraus jetzt irgendwas gelernt haben?“

Ein Mann der direkten Worte

Ich saß also ratlos vor ihr. Instinktiv neige ich dann dazu, einfach zu reden, ohne Nachzudenken. Und so geschah es. Ich sehe noch vor meinem geistigen Auge, wie meine Frau kreidebleich aus der Küche ins Kinderzimmer kam, meine Tochter und mich ansah. „Was macht ihr da?“ Wenn Frauen solch eine blöde Frage stellen, können sie nicht aufgeklärt sein, war mein erster Gedanke.

Sollte der „Willi-Film“ bereits in den 1970ern gelaufen sein? Als Freund der direkten Sprache nannte ich die Hauptdarsteller beim Namen. Es gab in meiner Aufklärungsstunde also keinen Piephahn und keine MuschMusch. Man stelle sich doch mal vor, wie die Stimmung beim ersten Freund kippt, wenn man kurz vor dem ersten Mal steht und die Tochter meint:

„Magst du deinen Piephahn in meine MuschMusch reinstecken, pack ihn aber bitte erst in eine Plastiktüte, damit der Willi keinen Mist bauen kann“

Kein Weg zurück

Ich erzählte also. Von Pontius bis Pilatus. Von Adam bis Eva. Die Augen wurden immer größer. „Habt ihr das auch gemacht, als ihr mich wolltet?“ Just in dem Moment war mir klar, die sieht ihre Mutter und mich jetzt in einem „völlig anderen Licht“. Aber egal, da müssen wir jetzt durch.

Erwähnte ich, dass die Mama sich zwischenzeitlich breit grinsend dazu setzte und somit auch die Neugier unserer 8jährigen weckte? Als wenn das Gespräch bis hierhin nicht schon peinlich genug war. Bevor jemand fragt: Ich wurde nicht aufgeklärt. Ich saß kichernd über einer Jugendzeitschrift. Dass mein erstes Kind nicht BRAVO hieß, lag nur am Veto meiner damaligen Frau.

Die-erste-Periode

Schulfrei während der Menstruation?

Es kam, wie es kommen musste. Aufgeklärter als jemand, der sich einen Schmuddelfilm FSK18 ansah, wollte sie wissen, wie das jetzt mit der Mensi sei. Meine Frau fragte mich ebenfalls „Ja, wie ist das denn nun mit der Mensi?“. Wo ist das Erdloch, wenn man eins braucht? „Ist das viel, was da rauskommt?“ „Kann ich jemals wieder weiße Hosen tragen?“ „Gibt es schulfrei in der Zeit?“ „Merken die Jungs, wenn man seine Mensi hat?“

Ich scheine wie ein Mensi-Aufklärer zu wirken. Jemand, den man an der Tür mit Anzug und Krawatte förmlich erwartet. „Guten Tag, haben Sie Fragen zur bevorstehenden Mensi Ihrer Tochter? Ich entnehme der Einwohnerliste, dass es demnächst in diesem Haushalt soweit sein wird“ Ich behalf mir mit Willi. Hatte ich eine andere Wahl? Und auf Willi wartet die Melle. Eine mollige junge Frau, im rosa Jogger, auf der Bank in der Gebärmutter sitzend. Ja, MIR fiel es in dem Moment SO am leichtesten, um es bildhaft zu erklären.

Sie verstand es. Jeder verstand es. Ich hätte ganze Hallen in Helene Fischer Manier buchen können, um es zu erklären. Jede(r) hätte es verstanden. Dafür habe ich jetzt noch mehr einen weg, als eh schon.

Lieber Gott, wenn es dich gibt. Bitte, gib den Mädchen bei der Geburt ein Faltblatt mit, auf dem alles erklärt ist. PS: Danke, dass sich die Jungs selbst aufgeklärt haben. Küsschen, dein Mark