Gastautor_Mark

Ganz neu bei der Rabenmutti ist – endlich – auch ein Papa! Mark ist fünffacher Vater und erzählt in den kommenden Wochen ein paar Familiendinge aus Papa-Sicht. Da freue ich mich besonders, denn die Sicht ist ja oftmals noch anders. Daneben hat Mark das Asperger Syndrom und damit eine ohnehin abweichende Weltanschauung. Er mag etwas grob rüberkommen, im Herzen ist er aber butterweich. Doch lest selber 🙂

Ich liebe meine Kinder. Alle 5. Ja, ich konnte nur schwer Nein sagen, als der Wunsch nach einem Zwerg aufkam. Männer sollen ja so ticken. Hab ich mehrfach gelesen, muss also was dran sein. 3 Frauen = 5 Kinder, gute Quote, wie ich finde. In meinem biblischen Alter von Ende 40 auch nicht ungewöhnlich. Glaube ich. Hoffe ich. Die Spanne geht von 26 bis 8 Jahren. Also alles dabei. Das ganze Drama, in allen Akten. Es gibt nichts, was ich nicht schon erleben durfte. Oder musste.

Empahtie wie eine Bahnschranke

Mein Vorteil? Ich bin Autist. Ein Asperger, um genau zu sein. Empathie wie eine Bahnschranke. Sagt man. Möglicherweise prallt deswegen manch Laune an mir ab. Auf der anderen Seite ist man dann eben auch ein schlechter Berater wenn es darum geht, wie man sich „richtig in der Gesellschaft verhält“. Im Grunde macht man es eh immer falsch. Man ist wahlweise „kotzpeinlich“ oder zu-sehr-Kumpel und bekommt im Erwachsenenalter zu hören, dass ein wenig mehr Strenge und Regeln nicht schlecht gewesen wären.

Nur, woran orientiert man sich? Speziell als Vater? Uns fehlt doch, so glaube ich, eh schon die emotionale Bindung, da wir dem Zwerg keine 10mon mietfreies Wohnen in der Wampe ermöglichen. Wir sind bei der Zeugung dabei, zumindest im besten Falle. Und, wir lassen uns in einer hochemotionalen Situation komplett durchbeleidigen, während Frau gebärt und alle Aufmerksamkeit dadurch auf sich zieht.

Die Rache ist mein

Man(n) bekommt das Kind in den Arm gelegt, NACHDEM die Mutter es zuerst sah und auch ansprechen konnte. Selbst hier gilt, man macht es eh falsch. Nabelschnur durchtrennen? Bloß nicht vordrängeln. Man könnte ja am Ego des Arztes und der Hebamme kratzen. Wirkt man Splatterfilm-gestört, wenn man sagt, man möge auf jeden Fall die Nabelschnur durchtrennen, egal wieviel Blut läuft?

Alle meine Kinder beherrschten zuerst das Wort Daddy. ALLE. Ohne Ausnahme. Ich weiß, wie ich mich besonders unbeliebt mache. Aber, wenn man mir schon sonst keinerlei Aufmerksamkeit gönnt, dann versaue ich eben das erste Wort. Der Leser möge dies als Zeichen einer Art Rache betrachten. Sind wir doch mal ehrlich, wir Väter haben, sobald das Floskel „ich hätte gerne ein Baby mit dir“ verloren. Ich kenne keinen Vater, der noch alle beisammen hat.

Nicht mehr alles Tassen im Schrank

Also Haare. Oder die Waage im Badezimmer zeigt den Wunschwert an, und nicht irgendeine Zahl, die einen an den Rand der Magersucht treibt. Geld? Erspartes? Für die beste HiFi-Anlage der Welt? Oder den langersehnten Urlaub in der Pampa am anderen Ende der Welt? Vergesst es.

Wenn es für ein Monatsmagazin zum ungestörten Lesen auf der Schüssel reicht, habt ihr alles richtig gemacht, mehr ist nicht mehr drin. Wie lange habe ich über solche Warnungen geschmunzelt.

Meine Kinder bekamen bisher immer die weltbeste Erziehung. Sagt man das nicht automatisch? Und übersieht die möglichen Defizite ganz automatisch, die einem immer unter die Nase gerieben werden, ungefragt natürlich? Wer kennt das nicht, dieser selbstkritische Blick auf sich selbst.

Alle hipster oder was?

Man sitzt auf dem Spielplatz. Um sich herum diese Hipster Väter mit Wickeltüchern, damit das Kind ja die Körperwärme und den Herzschlag spüre. Oder Baby Björn Träger. Alter Falter. Was geht in solchen Vätern vor? Wird das Kind durch solche Dinge automatisch der nächste Daniel Düsentrieb und erfindet etwas weltveränderndes?

Dieses ganze Getätschel und Gefummele, was man heute immer wieder sieht. Unfassbar. Vergleiche ich das mit meiner Kindheit, wirkt es ja so, als wäre ich mit Dreck und Matsch beworfen worden, ich konnte ja nur so schrullig werden, wie ich heute bin. Weil mich keiner mit dem Baby Björn durch die Gegend trug. Macht nachträgliches Verklagen wegen seelischer Grausamkeit heute noch Sinn? Babyforen zwecks Austausch? Echt jetzt? (am Rande, bitte goggle nie Windelforen, das will keiner lesen).

 Respekt, Höflichkeit und Pünktlichkeit

Ich bin ein sehr großer Freund von Normen und Regeln. Sicher nicht dieses „setz dich grade hin, gib der Omma mal´n Schmatz, ‘n richtigen und so“. Da stellen sich mir durchaus die Nackenhaare auf. Aber, Kinder sollten „Bitte“ und „Danke“ beherrschen. Können heutzutage leider die wenigsten. Gilt leider auch für Erwachsene.

Respekt, Höflichkeit und Pünktlichkeit. Ebenfalls auf meiner Liste. Schlimm genug, dass man das überhaupt betonen muss.

Gefühlt verrohen unsere Kinder zunehmend, meine natürlich nicht *schmunzel. Dem Netz sei Dank. Es gibt immer irgendeinen YouTube Kanal, der Kindern erklärt, wie man am effektivsten Anarchie im Kinderzimmer startet.. Ironie darf hier durchaus einfließen und ist gewollt. Etwas, was ich gar nicht leiden kann, ist der Klaps auf den Hintern. Bei der Gattin was anderes (wenn gewollt), aber bei Kindern geht das gar nicht. Meine Eltern hatten da eine eher freizügige Art der Auslegung.

Freiraum ist das A und O

Ich habe meinen Kindern immer Freiraum gelassen. Zur Selbstfindung. Zur Entfaltung. Zum Austesten. Dem Baby Björn Vater fällt ja alles aus dem Gesicht, wenn der Torben Joelle etwas Sand in den Mund bekommt, unsereins hat gelächelt, wenn das eigene Kind Spaß dran hatte. Wieso auch nicht? Wie soll Kind herausfinden, dass Sand im Mund ungefähr genauso toll wie Pastinaken im Glas ist? Also gar nicht?

Wieso werden Kinder in 2017 in Watte gepackt? Verhätschelt? Hypoallergenveganlaktoseundglutenfrei erzogen?

Wir haben früher alles gegessen. Und wurden auch groß. Okay, und dick. Aber das liegt an den Schwangerschaften, zumindest nutze ich das noch heute als plausible Erklärung, wieso selbst XL kneift und man im Freibad Blicke bekommt, die nichts anderes sagen als: „muss das so sein?“. Dieser ganze Yoga / YingYang Mist, den man von der Krankenkasse empfohlen bekommt. Für Kinder wohlgemerkt. Gehts noch?

Wir Eltern sollen als Gegenentwurf was machen? Wein anbauen, um immer einen gewissen Pegel zu haben, damit wir den Kinderterror besser ertragen?

Generation Weichling

Ich habe oft den Eindruck, wir ziehen eine Generation von Weichlingen heran, die später beim ersten Gegenwind einknicken und eine Gesprächstherapie brauchen. Schon, weil sie Stresspickel bekommen, sobald etwas Druck aufkommt. Wo sind die etwas robusteren Methoden unserer Großeltern? Die einfach den eigenen Instinkt nutzten und nicht Tante Google befragten, was denn das beste für den Nachwuchs sei? Haben wir das verlernt?

Kinder dotzen auch mal hin und bluten. Na und? Solange man, als Elternteil, nicht laut auflacht und das „Loser“Zeichen an der Stirn fabriziert, was spricht dagegen? Ach, ich vergaß. Pflasterallergie ist in 2017 ja hip. Früher knibbelten wir den Schorf alle paar Tage ab und ließen es wieder neu bluten. Meine Kinder machen das auch. Weil sie Kinder sind. Und weil sie das ausprobieren sollen.

Haltbar bis 18 Jahre

Natürlich könnte ich meine Kinder unmittelbar nach der Geburt in Verpackungsfolie stecken (ja, genau die Folie, die man so prima ploppen lassen kann) und erst mit dem 18ten Geburtstag auf die Welt loslassen. Aber, was wäre die vermutlich logische Konsequenz? Sie kämen nicht klar. Ihnen würde der natürliche Schutzmechanismus fehlen. Der Instinkt, der dich immer weiter treibt. Die Neugierde auf das Leben, auf die Welt, auf alle Optionen. Meine Kinder besitzen all dies. Weil ich sie immer Kind sein ließ. Weil ich mich nicht auf Ratgeber verließ. Weil ich nicht im Net nach der bestmöglichen Variante suchte.

Wenn man bedenkt, dass Abitur / 1a Ausbildung / Klassenbeste / etc immer mitschwingen, muss ich ja was richtig machen bzw gemacht haben. Oder? Natürlich habe ich sicher Fehler gemacht. „Jeder Jeck ist anders“. Manch Kind braucht starre Regeln. Eine Art Leitplanke auf der Lebensautobahn. Aber, das zeigen einem Kinder dann schon. Oder man leitet es instinktiv aus dem Verhalten ab.

Wenn das Verhältnis Eltern <=> Kinder zu sehr auf Augenhöhe stattfindet und die Grenze verschwimmt, dann können wir aber selbst reagieren und brauchen keine klugen Ratschläge von selbsternannten Kinderverstehern. Bis dahin: Kinder sollen Kinder sein dürfen. Mit allen Höhen und Tiefen.