Ich bin ganz ehrlich, bisher habe ich mich noch nicht viel mit veganer Ernährung beschäftigt. Dank des Werks „Veganermord“, welches erst kürzlich erschienen ist, bin ich jedoch neugierig geworden.

Ein Charakter, der in „Veganermord“ eine entscheidende Rolle spielt, ernährt sich, wie der Titel schon sagt, vegan. Doch was bedeutet das überhaupt? Worauf verzichten Menschen, die sich vegan ernähren und was sollte man beachten, um keine Mängelerscheinungen zu haben.

Veganer essen kein Fleisch, keine Eier und keinerlei Milchprodukte. Alle tierischen Lebensmittel sind für sie tabu. Die Zahlen der Menschen, die sich vegan ernähren, steigen. Ich habe mich mit einigen Veganern unterhalten und für sie steht sowohl die nicht artgerechte Haltung oftmals im Mittelpunkt. Für den Genuss von Joghurt oder Milch muss kein Tier sterben, aber die Umstände der Tierhaltung sind leider häufig alles andere als vorzeigbar. Noch schlimmer ist es, wie wir wissen, bei den Legehennen in der Massentierhaltung. Die Vorgaben für einen Käfig, mehr eine Box, in der die Tiere leben, ist absolut nicht ausreichend. Viele der Tiere wissen nicht einmal, wie es ist in der Erde zu scharren. Leider wird hier nur die Quantität im Blick behalten. Erschreckend ist das für mich auch, ein Grund für mich, dazu überzugehen, frische Eier direkt auf dem Hof zu kaufen. Ganz darauf zu verzichten, kann ich mir wieder nicht vorstellen.

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Ethnisch kann ich es gut verstehen, dass man sich vegan ernährt, es sollte jedoch immer darauf geachtet werden, dass die Nährstoffe, die in Milch und Eiern beispielsweise enthalten sind, auf anderem Weg mit eingebaut werden.

Ich habe mir von einer Bekannten erzählen lassen, wie es bei ihr dazu kam, dass sie sich nun vegan ernährt.

„Ich bin in einem kleinen, sehr bäuerlichen Dorf im Haus meines Großvaters aufgewachsen. In unserem Hinterhaus hatten wir immer zwei Schweine, die auch bei uns im Hof geschlachtet wurden. Ich war im Kindergartenalter, als ich unbedingt mal zuschauen wollte. Meine Mutter ließ das zu, weil sie sagte ich soll ruhig wissen wo unser Essen herkommt. Allerdings sah ich nie wie das Schwein getötet wurde, sondern nur das Schlachten.

Ich hab immer gerne Fleisch gegessen….besonders die selbst gemachte Blut- und Leberwurst und ein Highlight war immer, wenn der rohe, frisch geräucherte Schinken fertig war.

Meine Kaninchen wurden auch regelmäßig geschlachtet. Sie waren einfach irgendwann weg und mir wurde erzählt, sie seinen einfach so gestorben. Ich habs nie so richtig geglaubt. Ein schlimmes Erlebnis war, als ich einmal zufällig gesehen haben, wie mein Großonkel gerade dabei war, ein Kaninchen zu töten. Daher konnte ich Kaninchen nie essen….

Später sind wir in ein größeres Dorf gezogen und es wurde nicht mehr zuhause geschlachtet. Allerdings waren mein Großvater und mein Vater Jäger. Das bedeutete, dass wir ein Kühlhaus im Keller hatten, wo immer mal wieder ein Reh hing, im Keller von meinem Großvater war das normal. Den Geruch fand ich zwar unglaublich widerlich, aber gegessen hab ich Wildfleisch auch immer gerne. Ebenfalls Kalb, Lamm, Fisch, Rind, Hühnchen, Pute…es gab eigentlich nichts außer Innereien und Fett, das ich nicht gerne gegessen habe.

Als ich 16 war, hatten wir für 6 Wochen Besuch einer englischen Austauschschülerin. Ihre Familie war ursprünglich aus Westindien, Gujarat, und lebte aufgrund ihrer hinduistischen Religion vegetarisch. Aus Solidarität mit ihr verzichtete ich diese Wochen ebenfalls weitestgehend auf Fleisch. Ich besuchte sie danach in England, wo ich auf mehrere Hochzeiten und andere Feiern mitgenommen wurde. Das Essen, das ich in der Familie und auf den Feiern bekam war eine ganz neue kulinarische Erfahrung für mich. Ich liebte dieses Essen und mir wurde bewusst, wie viele Alternativen zu Fleischgerichten es gibt und dass ich Fleisch in keineswegs vermisste.

Ein paar Monate später (Januar 1997) sah ich im Fernsehen eine sehr ausführliche Doku über Massentierhaltung. Mir war danach klar, dass ich kein Fleisch mehr essen wollte. Meine Familie war total überfordert von dem Gedanken, insbesondere meine Mutter konnte damit zuerst kaum umgehen. Es gab immer wieder Diskussionen am Tisch, insbesondere auf Familienfeiern und bis heute werde ich immer mal wieder gefragt, ob ich immer noch kein Fleisch esse. Aber meine Mutter ist eine tolle Köchin und hat es immer geschafft, alle Wünsche ihrer Familie unter einen Hut zu bringen. Meine Schwester wurde ein paar Jahre nach mir ebenfalls Vegetarierin, so dass ich dann Verstärkung bekam.

Als ich Anfang 20 war, gabs in meinem Freundes- und Bekanntenkreis einige, die sich als „straight edge“ bezeichneten oder mit dieser Bewegung sympathisierten. Punks, die keine Drogen zu sich nehmen, nicht rauchen, keinen Alkohol trinken, keinen Sex außerhalb Beziehungen haben und oft auch vegan leben. Ich bin mir nicht mehr sicher, aber ich glaube, dass ich so die ersten Veganer kennengelernt habe. Ich hatte zu der Zeit versuchsweise einen Monat vegan gelebt, was aber zunächst einmal nicht nachhaltig war. Nach und nach hab ich immer öfter zu
Sojajoghurt und Sojamilch fürs Müsli gegriffen. Käse und Latte Macchiato hab ich allerdings geliebt.

Nach der Geburt meiner Tochter 2011 und nach 6 Monaten Stillzeit habe ich das Buch „Anständig Essen“ von Karen Duve gelesen. Und obwohl ich die Fakten irgendwie alle kannte, sind sie mir erst durch das Buch so richtig bewusst geworden. Als stillende Mutter war für mich der Gedanke, dass das Kalb direkt nach der Geburt der Mutter entrissen wird unerträglich. Und während dem Lesen wurde mir immer klarer, dass ich fast keine andere Wahl mehr habe als vegan zu werden. Es hat allerdings ein paar Wochen gedauert, bis ich mir klar darüber wurde, dass das jetzt mein neuer Weg sein wird und ich versuchen werde, soweit wie möglich vegan zu leben und auch keine Ausnahmen mehr machen möchte. Komischerweise war das „Outing“ gegenüber der Familie und im Freundeskreis im besten Fall unangenehm. Ich wurde von allen Seiten mit kritischen Fragen und unqualifizierten Aussagen konfrontiert, auf die ich heute Antworten hätte, damals natürlich noch nicht. Als neuer Veganer musst du dich in viele Themen einlesen, natürlich um dich in erster Linie auch weiterhin gesund zu ernähren, aber auch um in Gesprächen bestehen zu können und nicht dazustehen wie jemand, der gerade mal beschlossen hat einem neuen Trend hinterherzujagen.

Erstaunlicherweise fiel es mir überhaupt nicht schwer, auf Käse zu verzichten. Das größte Problem war zu Beginn der Kaffee. Ich kann Kaffee einfach nicht schwarz trinken. Die ersten paar Wochen habe ich es versucht, dann eben mit viel Zucker, denn mit Sojamilch fand ich Kaffee ungenießbar. Zu der Zeit gab es allerdings schon ein oder zwei Cafés, die Sojamilch im Angebot hatten, so dass ich es dort probiert habe und es erstaunlich gut geschmeckt hat. Der Unterschied war einfach, dass das Café gesüßte Sojamilch benutzte. Mittlerweile trinke ich Kaffee am liebsten mit Hafermilch oder Haselnussmilch.

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Das Schwierigste ist die Frage nach den Kindern. Ich koche zwar nur vegan, da aber mein Mann weiterhin Fleisch isst (zuhause zum Glück kaum), kommen die Kinder immer wieder in Berührung damit und mögen es auch sehr gerne. Ich versuche ihnen aber nur selten das Fleischessen zu verbieten, weil ich denke, dass ein Verbot vielleicht erst recht die Neugierde wecken würde. Ich versuche aber meinen Kindern grundsätzlich beizubringen, dass jedes, auch das kleinste Tier leben will und dass wir Tiere nicht töten sollen. Nun sind sie eigentlich immer in einem Zwiespalt: sie sehen andere im Familien- und Freundeskreis regelmäßig Fleisch essen und bekommen so das Gefühl, es sei etwas ganz normales. Außerdem schmeckt es ihnen ja gut. Sie sehen aber auch mich, die es ablehnt und die immer wieder die Gefühlsebene anspricht. Ich will ihnen auch nicht, wenn sie Fleisch gegessen haben, ein schlechtes Gewissen einreden. Vielmehr versuche ich in meinem täglichen Umgang und Sprachgebrauch die vegane Ernährung als „normal“ und Tiere nutzen und essen eher als etwas „anderes“ dastehen zu lassen. Ich betone beispielsweise immer das Wort „Kuhmilch“ und sage nicht „normale Milch“, denn für meine Kinder ist Pflanzenmilch normal.

Meine Mutter, die mein Vegan-werden zuerst mit „Tu mir das nicht an!“ kommentiert hat, fährt heute regelmäßig zu Höchstleistungen auf. Sie kocht so unglaublich leckere und vielfältige vegane Gerichte, probiert immer Neues aus und erzählt mir am liebsten noch während dem Essen, was sie als nächstes ausprobieren will. Außerdem ist sie eine Meisterin veganer Kuchen und Torten. Und obwohl sie selbst eine Zeit lang aus gesundheitlichen Gründen vegan gelebt hat und es ihr zu der Zeit sehr gut ging, fiel sie wieder in die alten Ernährungsmuster zurück. Ich bin mir auch sicher, dass sie trotz aller Akzeptanz den Tag feiern würde, an dem ich wieder zu einem „Allesesser“ werden würde.

Obwohl ich immer wieder, fast täglich irgendwo anecke und mein Lebensstil von den Anwesenden diskutiert und kommentiert wird (oft auch nur indirekt), werde ich immer mehr darin bestärkt, dass es das Richtige ist. Ein weiterer wichtiger Grund, warum eine pflanzliche Ernährung den Hauptteil unseres Speiseplans darstellen sollte, kam erst später hinzu. Die Produktion klimaschädlicher Gase durch die Tierhaltung ist höher als die des weltweiten Verkehrs (incl. Flug- und Schiffverkehr). Außerdem werden durch die Viehzucht wertvolle Ressourcen (Boden, Getreide, Wasser) verschwendet und Wasser verschmutzt.“

Vielen lieben Dank für die sehr offene Schilderung deiner Erfahrungen !! Ich finde es wirklich spannend einen so detaillierten Einblick zu bekommen.