Jeden Abend lesen wir unserer Maus eine Geschichte vor. Mal ist es eine Woche lang die Gleiche, mal muss es jeden Abend eine andere sein. Wir lassen immer Claire aussuchen, worauf sie Lust hat. Das Ritual abends ist immer das Gleiche: Zähneputzen, Pyjama, mit Papa Buch aussuchen, Papa liest vor. Das ist einerseits schön, weil sie somit völlig frei in ihrer Entscheidung bleibt, andererseits kann es auch passieren, dass der Papa dann die Geschichten schon auswendig kann, weil das Buch immer wieder gelesen wird. Claire orientiert sich dabei immer visuell: Das Buch mit dem lila Glitzercover hat meistens einen Vorteil. Oder das Buch mit der süßen Katze. Vielleicht aber auch die kuschlige Raupe zum Anfassen… Das hat leider den Nachteil, das unscheinbare Bücher meist außer Acht gelassen werden. Wir versuchen ihr diese dann aufzuzeigen und zu erzählen worum es geht. Vielleicht möchte sie es ja doch? In den meisten Fällen aber leider nicht. So wie bei „Fips und der kleine Marder Herdubär“ von Tanja Wenz.

Wenz, Tanja: Fips und der kleine Marder Herdubär. Zeichnungen von Peter Schmidt-Schönberg

Fips und der kleine Marder Herdubär

Autor: Tanja Wenz

Zeichnungen von Peter Schmidt-Schönberg

Geest-Verlag

Kinderbuch: Fips und der kleine Marder Herdubär

Cover: Das Buch sieht eher unscheinbar aus. Liebevolle Aquarelle zieren die Hülle. Von außen ist es nicht als Kindergeschichte zu erkennen. Eher wie eines dieser Bücher, welches man in der Oberstufe liest. Oder eine Art Informationsbroschüre zu einem Museum. Das kommt von der schlichten Schrift und dem Aquarell auf dem Cover. Kinderbücher sind meist bunt, voller Illustrationen, überall befinden sich Eyecatcher. In diesem Punkt ist das Buch leider ziemlich schlecht aufgemacht: Auch im Inneren befinden sich nur wenige, wenn auch schöne Bilder. Es ist schon künstlerisch angehaucht, keine Frage. Allerdings eignet sich das nicht für Kleinkinder. Ich würde das Buch daher eher für ältere Kinder einordnen. Ab dem Lesealter vielleicht, wenn das Vorlesen langsam abflacht und die Kinder die Buchstaben selber entdecken. Dann stehen auch keine Bilder und visuellen Eindrücke mehr im Vordergrund, sondern die eigene Fantasie. Und diese wird wirklich angeregt!

Inhalt: Die Geschichten in dem Buch sind alle in sich abgeschlossen, bauen aber dennoch ein Stück weit aufeinander auf. Man lernt die verschiedenen Geschichten der Charaktere kennen, wie sie zueinander gefunden haben, was ihren Charakter ausmacht. Die Geschichten sind alle süß erzählt und bei einer Geschichte muss ich mir sogar ein Tränchen verkneifen (kleine Lovestory).

Inhaltlich finde ich das Buch wirklich sehr gelungen. Die Tierwelt wird einerseits recht realistisch nachgestellt, andererseits aber wieder so weit entfremdet, dass es sich um schöne Fantasiegeschichten handelt. Das Eichhörnchen Fips und Marderjunges Herdubär sind die besten Freunde und erleben tolle Abenteuer. Ich habe das Buch selber sehr gern gelesen und könnte mir vorstellen, dass auch Claire die Geschichten gefallen werden. Alle haben einen kleinen Spannungsbogen – ein kleines Drama. Da fiebert Claire immer sehr mit und stellt viele Fragen. Anhand des Buches könnte man ihr so sicherlich ein wenig das Leben der Tiere im Wald erklären.

Fips und der kleine Marder Herdubär

Es wird auch aufgezeogt, wieso der Mensch nicht gut für das Leben der Waldtiere ist. Immer wieder wird auf das Fehlverhalten der Menschen hingewiesen: Liegen gelassene Flaschen führen zu Waldbränden, das Fangen von Lebewesen aus dem Wald führt zu Trauer oder Jäger, die den Tieren Angst machen, weil sie diese normalerweise jagen…. Irgendwie versteckt Tanja immer mal wieder eine kleine Moralpredigt an den Leser in den Geschichten – das finde ich ganz gut 🙂 So kann man dem Kind direkt das korrekte Verhalten im Wald näher bringen: Auf den Wegen bleiben, Müll nicht liegen lassen, nicht laut sein, keine Tiere anfassen oder gar mitnehmen.

Aufbau und Struktur: Die Geschichten machen hin und wieder zeitliche Sprünge. So springt der Leser immer mal wieder in die Vergangenheit und erhält somit mehr Hintergrundinformationen zu einzelnen Charakteren. Da diese Sprünge aber immer aufgezeigt werden, wird der Leser nicht verwirrt. Demensprechend passt es gut, auch für jüngeres Publikum.

Stil: Die Autorin verwendet einfache Sprache. Die Sätze könnten allerdings etwas kürzer sein, vor allem hinsichtlich der Leseanfänger. Insgesamt lässt sich das Buch relativ einfach lesen.

Gesamteindruck: Inhaltlich hat mir das Buch sehr gut gefallen. Wie es bei Claire ankommt kann ich noch nicht sagen, da sie es noch nicht für sich auserkoren hat. Ich denke, sollte sie die Geschichte mal hören, wäre sie gut mit dabei. Allerdings benötigt sie einfach mehr optische Anreize, weswegen wir wohl einfach noch mit der Geschichte warten müssen. Das Buch bekommt 4 von 5 Funkelchen für seinen überzeugenden Inhalt von mir.

4 Sterne