Leichendieb

Foto: Lena Wilczynski

Autor: Patricia Melo
Erscheinungsdatum: 10.November 2014 (Taschenbuchausgabe, 208 Seiten)
Verlag: Heyne
ISBN: 978-3453437906

(Gastrezension)

Patricia Melo veröffentlichte 1994 ihren ersten Kriminalroman.
1998 erhielt sie für O MATADOR den deutschen Krimipreis. Der Roman INFERNO wurde 2001 mit dem bedeutendsten brasilianischen Literaturpreis „Premio Jabuti de Literatura“ ausgezeichnet.
Sie ist ebenfalls Drehbuchautorin für Film und Fernsehen.

Im Folgenden stellt Gastautorin Lena den Krimi mit ihren eigenen Worten vor. Lena genießt dabei die Freiheit, ihre eigene Meinung sowie ihren eigenen Stil zu verbloggen.

Der Spannungsbogen bleibt bei Leichendieb aus

INHALT
Ein zunächst namenloser, recht bedeutender Mensch verliert aufgrund einer unüberlegten Tat (er ohrfeigt eine seine Mitarbeiterinnen) seinen Job als Geschäftsführer.
Durch seine Tat und dem darauffolgenden Selbstmord der Mitarbeiterin, will er zur Stadt und seinem bisherigen Leben in Sao Paolo Abstand gewinnen. Seinen Frieden scheint er in der Stadt Corumba, nahe der bolivischen Grenze, zu finden.
Eines Tages bei einem Angelausflug wird er Zeuge eines Flugzeugsabsturzes. Im Wrack des Flugzeugs findet er neben den persönlichen Sachen des Piloten auch einen Rucksack voller Kokain.
Er nimmt alle Sachen an sich und beginnt nach und nach das Kokain zu verkaufen… Es scheint jedoch, dass sich mit dem Absturz sich immer häufiger menschliche und moralische Abgründe auftun..

COVER
Auf dem Cover ist ein Fluss umrandet von vielen Bäumen zu sehen, es stellt eine südamerikanische Flusslandschaft dar. Der Fluss steht für mich stellvertretend für den Paraguay, der im Buch von wichtiger Bedeutung ist. Farblich ist es in Grüntönen gehalten.

STRUKTUR/AUFBAU & STIL
Der Roman wurde in der ICH-Perspektive des Erzählers geschrieben. Identifizieren kann und möchte man sich jedoch mit dem Protagonisten eher nicht.
Der Erzähler ist zunächst bis auf ein paar kleinere Gefühlsschwankungen recht emotionslos, man hat jedoch eher den Eindruck als würde ihn vieles nicht direkt berühren – wie als, wenn er in einer Art Trancezustand auf sein eigenes Leben blickt.
Die Gefühlslage ändert sich jedoch und er zeigt später auch tiefere emotionale Eindrücke wie Liebe, Wut oder Angst.
Die Autorin nutzt zum „Beenden“ häufig das Wort OVER, so dass der Schreibstil an Funksprüche erinnert, was ihn sehr eigen und speziell macht. Im Zusammenhang mit der sozialen Lage des Landes kommt dies jedoch nicht vor.
Hier beschreibt sie sehr authentisch und präzise die vorherrschende Armut in der Kleinstadt, die Kriminalität die alltäglich ist und die Korruption im Land.
Dennoch hat sie einen gut lesbaren Schreibstil und hinterfragt oft die gesellschaftlichen sozialen Zustände in Brasilien. Ein Pluspunkt also.

FAZIT:
Wer Krimis mit hohem Spannungsbogen und Mitfiebern bis zur Unerträglichkeit mag, der kommt hier nicht auf seine Kosten!
Ich würde es auch nicht unbedingt als leichte Abendlektüre empfehlen.
Mir hat es gefallen, dass man neben interessanten, menschlichen Geschichten mit spannenden Anteilen einen sehr (sozial-)kritischen Einblick in die brasilianische Gesellschaft bekommt. Gleichzeitig zeigt es auf, wie schnell sich menschliche Abgründe auftun können bzw. wie erschreckend schnell seine eigenen moralischen Ansichten in einer neuen Lebenslage anpassbar sind.
Ich vergebe 3 von 5 Punkten, auch wenn es nicht die Art von Roman war, die ich erwartet hatte.

3-funkelchen