Kürzlich war der Welt-Downsyndrom Tag – ehrlich gesagt wusste ich gar nicht, dass es sowas gibt. Da ich mich aber im Rahmen der Blogtour zu „Töte und Lebe“ (Laura Wulff) mit dem Thema Trisomie 21 (Downsyndrom) auseinandergesetzt habe, öffnete sich plötzlich wie von Zauberhand mein Blick für diese Art Genommutation und ich bin dem Thema überall begegnet. Im Buch behandelt Kommissar Zucker den Fall eines Mordopfers, der das Downsyndrom hatte und  auf brutale Art verstorben ist. Traurig, vor allem, wenn man die Eigenheiten eines „Downie“ kennt….

Da ich persönlich noch nie mit einem Menschen mit Downsyndrom konfrontiert wurde (zumindest nicht aus nächster Nähe), habe ich unsere „Tante Vanja“ zugezogen. Vanja ist studierte Pädagogin, die bereits viel Erfahrung mit Trisomie 21 betroffenen Kindern gemacht hat. Auf meinem Blog wird sie nun aus dem Nähkästchen plaudern und darüber berichten, wie sie die „Behinderung“ empfindet und hinterlässt zudem ein paar wertvolle Ratschläge, wie man damit umgehen kann. Wenn ihr den persönlichen Part überspringen wollt und nur die „harten Fakten“ – „Was ist das Downsyndrom eigentlich?“ – lesen möchtet, springt einfach ans Ende des Artikels 🙂

Vanjas persönliche Erfahrungen mit dem Downsyndrom

Zunächst einmal, war für mich interessant, wann Vanja das erste Mal mit dem Downsyndrom in Berührung kam:

„Das erste Mal begegnete ich einem Menschen mit Downsyndrom im Alter von 3 Jahren. Bei mir direkt um die Ecke war und ist ein Heim für Geistig und Körperlich behinderte Menschen. Dort lebten auch Menschen mit Downsyndrom. Mit 3 nahm ich diese das erste Mal wahr. Meine Mutter erklärte mir, dass die Frau ein wenig langsamer ist als andere, und ihre Augen etwas anders aussehen. Mehr aber auch nicht. Für mich war es schon immer normal Menschen mit Downsyndrom zu begegnen und auch mit ihnen zu leben.“

Ihre Reaktion darauf war (laut ihrer Mutter) ein simples „Oh“. Danach war es auch gut, denn ihre Mutter erzog sie zu einem toleranten, offenem Menschen:

„Mir wurde schon als kleines Kind beigebracht, dass, nur weil ein Mensch anders aussieht, er/sie nicht anders als ich sein muss. Ich hatte auch keine Angst vor Menschen mit Downsyndrom. An den Straßenfesten haben wir zusammen mit Kreide auf die Straße gemalt und Kuchen gegessen =)“

Ich habe bis heute noch ein besonderes ( liebevolles) Verhältnis zu Menschen mit Downsyndrom: Ich mag sie einfach sooo gerne!

Eine Form von „Mensch sein“

In eigenen Worten beschrieben, ist das Downsyndrom einfach eine von vielen Form von „Mensch sein“ für sie:

„Jeder Mensch ist einzigartig. Mir behagt es nicht das Wort ,, behindert“ im gleichen Zug mit Downsyndrom zu nennen. Ich kann kaum ,, Behinderungen“ in den Menschen sehen, nein umgekehrt, die Menschen um die Downies herum behindern oftmals. Es ist traurig zu wissen, dass auch noch heute ca. 80-90% der Embryos mit Downsyndrom-Diagnose abgetrieben werden, weil die Gesellschaft immer noch der Meinung ist, dass diese niemals ein „normales“ Leben führen werden können etc.

Man nimmt diesen Kindern die Chance auf ein Leben das so schön, spannend, kreativ und liebevoll sein kann, wenn man sich nur darum bemühen würde ihnen den Weg zu ebnen.

Jeder Mensch ist gleichwer

Foto: pixabay.com

Aufklärung über Trisomie 21 ist noch mangelhaft

Mehr Aufklärung muss her, von Menschen mit Downsyndrom für Menschen mit und ohne Behinderungen.  Ich bin und werde immer ein großer Fan von Menschen mit Downsyndrom bleiben, denn diese Menschen zeigen mir immer wieder das kleine Dinge im Leben schön sind und man sich immer über etwas freuen kann.“

Da Vanja viel mit Kindern arbeitet, die das Downsyndrom haben, fand ich es spannend zu fragen, wie ihr Alltag mit ihnen aussieht:

„Das Erste was auffällt ist, dass Kinder mit Downsyndrom sehr anhänglich sind. In den Jahren in Kitas, Krippen und einer Schule für praktisch Bildbare habe ich eins gelernt: kuscheln! Als nächstes? Menschen mit Downsyndrom lieben Musik und sind sehr musikalisch. Ich habe oft mit meinen Schützlingen musiziert. Ein trauriger Aspekt den ich auch erleben musste: Wenn Eltern ihr Kind nicht akzeptieren können oder nicht fördern.

Kinder mit Dowsyndrom können alles lernen, aber auch nur wenn ihre Umgebung positiv und fördern ist.

Manchen Kleinen wurde dies nicht zu Teil. Sie konnten kaum verbal oder non-verbal kommunizieren, hatten große Schwierigkeiten im Sozialverhalten und waren latent-aggressiv.“

Die Erscheinungsmerkmale und was sie bewirken

Vanja sieht mehr als nur ein „behindertes Kind“ in einem Downie und erklärt besondere Erscheinungsmerkmale und woher sie rühren:

„Allgemein kann man sagen, dass Kinder mit Downsyndrom sehr anhänglich sind, man sagt auch ,,klebrig“ dazu , denn sie klammern oft regelrecht an ihren Bezugspersonen (aber auch an Fremden 😉 ). Durch ihre Hypertonie ist ihre Muskulatur schlaff, was bedeutet diese Kinder können sich verbiegen ohne Ende. Leider können sie durch diese Hypotonie auch ihre Mundmuskulatur (anfangs) nicht richtig kontrollieren. Die Zunge ist oft kurz und dick, deshalb sieht es so aus als ob diese Kinder einem die Zunge rausstrecken. Durch die schlaffe Muskulatur ist die körperliche Entwicklung etwas langsam, aber mit Physiotherapie und z.B Schwimmen kann man das gut ausgleichen. Durch die flache Nase bekommen Menschen mit Downsyndrom schnell Entzündungen der Nasen/Nebenhöhlen, Halsentzündungen, Mandelentzündungen, Schnupfen und Husten.  Wie schon erwähnt sind die Kids sehr musikalisch und künstlerisch interessiert. Mit Musik kann man sehr gut die Sprache fördern, eine logopädische Behandlung rundet alles ab.“

Alles in allem kann ich sagen: Kinder/Menschen mit Downsyndrom sind besonders: liebevoll, kreativ, wissbegierig und wenn ihre Umwelt eben „ganz Normal“ mit ihnen umgeht, sind sie  von ihrer Umwelt auch nicht gehandycapt.

Diagnose Downsyndrom: Keine voreilige Entscheidung

Mädchen mit Downsyndrom

Foto: pixabay.com

Für Eltern, die darüber entscheiden müssen, ein Kind mit dem Downsyndrom auszutragen oder nicht, empfiehlt Vanja keine voreiligen Entscheidungen zu fällen:

„Es ist schwierig zu akzeptieren ein „behindertes“ Kind auf die Welt zu bringen. Eltern würde ich vorschlagen schon vor der Geburt sich zu informieren, mit anderen Eltern von Kindern mit Downsyndrom in Kontakt zu treten, Krabbelstuben und Kitas besuchen um zu sehen wie dort mit Kindern mit Downsyndrom umgegangen wird. Die Diagnose Downsyndrom ist kein Stigma!

Es gibt Menschen mit Downsyndrom die einen ganz normalen Schul-Werdegang haben. In Spanien lebt ein Professor der Pädagogik (und Psychologie) mit Downsyndrom. Es gibt wunderbare Vereine die tolle Infoveranstaltungen anbieten. Ärzte und Hebammen sollten den Eltern Mut zusprechen.“

Freut Euch auf Euer Kind! Egal ob Downie oder nicht, ein Kind ist immer besonders!

Mit den Downies „richtig“ umgehen

Auch für Außenstehende, die vielleicht nur indirekt mit dem Downsyndrom zu tun haben, oder im Alltag auf Menschen mit Trisomie 21 treffen, hat sie ein paar Tipps parat:

„Als Außenstehender sollte man versuchen eine offene Haltung gegenüber allen Menschen zu haben. Natürlich ist es irritierend, wenn sich ein (behindertes) Kind plötzlich eng an einen schmiegt. Oder man die Sprache nicht versteht. Was hilft? Das Kind ansprechen um zu signalisieren:  Ich höre dir zu! Und dann die Eltern mit dazu nehmen. Meist werden diese von allein schon anfangen zu reden. Immer sinnvoll ist es auch Sommerfeste oder generell Feste von Vereinen, Heimen oder Schule zu besuchen. Dort kann man ebenfalls auf ,,Tuchfühlung“ gehen.“

Denkt dran: Down Syndrom ist nicht ansteckend. Kleine Kinder mit Down Syndrom zeigen durch Körperkontakt und genereller Kontaktaufnahme ihre Zuneigung und Neugier.

Allgemeine Infos zum Downsyndrom

Das Downsyndrom kommt bei Menschen vor, die unter einer Genommutation leiden. Dadurch ist das 21. Chromosom in Teilen oder Ganz dreifach im Körper vorhanden. Dies wirkt sich dann auf das äußerliche Erscheinungsbild und kognitive Fähigkeiten aus, teilweise werden Betroffene als geistig behindert bezeichnet, bzw. eingestuft. Meistens geht mit der Trisomie 21 auch ein angeborener Herzfehler (ihr erinnert euch, jedes 100. Kind erleidet den AHF) einher. Hierfür gibt es dann spezielle Beratungsstellen, wie den BVHK, die den Eltern helfen mit der Doppelbelastung fertig zu werden.

Äußere Merkmale des Downsyndroms sind beispielsweise: Brushfield-Spots (Sprenkel auf der Außenseite der Regenbogenhaut der Augen), eine sichelförmige Falte an den inneren Augenwinkeln, „mandelförmige“ Augen (ausgelöst durch geschrägte Lidachsen) oder aber auch „Sandalenücken“ (großer Abstand zwischen erster und zweiter Zehe).

Rund 90% der Mütter tragen ein Kind mit diagnostiziertem Downsyndrom nicht aus*, es erfolgen sogar Spätabtreibungen. Früher war die Diagnose des Downsyndroms nur schwer möglich: Es war eine invasive Punktion durch die Bauchdecke erforderlich (Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie). Das löste allerdings viele Fehlgeburten aus. Seit dem Sommer 2012 ist der sogenannte PraenaTest®  verfügbar, den Schwangere ab der 12. Schwangerschaftswoche machen können. Dabei wird das mütterliche Blut untersucht und die Trisomie 21 kann zur 95%-iger Treffsicherheit (laut Hersteller) festgestellt werden.

*vgl. auch: S. Achermann, M.-C. Addor, A. Schinzel (2000): Der Anteil pränatal erfasster Fälle von ausgewählten Fehlbildungen in der EUROCAT-Studie

Persönlich kann ich meine Hand nicht dafür ins Feuer legen, wie ich mich entscheiden würde, wäre ich nochmal schwanger und würde die Diagnose Downsyndrom erhalten. Daher möchte und werde ich niemanden verurteilen, egal, wie seine Entscheidung ausfällt. Man steckt nie drin in der Geschichte der Menschen, also maße ich es mir nicht an, bei einer solchen Entscheidung zu urteilen. Eines ist gewiss: So lang man sich entscheidet, ohne es sein Leben lang zu bereuen, war es die richtige Entscheidung.

Gewinnspiel zu Töte und Lebe!

Im Thriller Töte und Lebe von Laura Wulff wird das Downsyndrom thematisiert, wenngleich vielleicht nicht ganz so liebevoll, wie von Tante Vanja 🙂 Dennoch möchte ich euch das Buch nicht vorenthalten: Ihr könnt es ganz einfach gewinnen, indem ihr mir schreibt, ob und welche Erfahrungen ihr mit dem Thema Downsyndrom gemacht habt.

Töte und Lebe Gewinnspiel

Bild: Britt Toth (Blogtouren.de)

  • Teilnahmeschluss ist am 29. März um 23:59 Uhr.
  • Teilnehmen kann jeder, der über 18 Jahre alt ist und einen Wohnsitz innerhalb Deutschland hat.
  • Der Gewinner wird via Mail benachrichtigt, bitte hinterlasst eine aktive Mailadresse ;)
  • Für den Versand wird keine Haftung übernommen.
  • Der Rechtsweg sowie die Barauszahlung des Gewinns sind ausgeschlossen.
  • Alle Daten werden ausschließlich für die Durchführung des Gewinnspiels erhoben und verarbeitet. Sie werden vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben.

Ihr wollt mehr zur Blogtour lesen? Dann besucht doch Buchstabenfängerin, die euch den Mira Verlag vorgestellt hat. Morgen könnt ihr bei Silke etwas zum Thema „Handicap/Behinderung“ lesen.