In meinem letzten Artikel über meine toxische Beziehung habe ich bereits über meine Gründe geschrieben, was mich (noch) hält. Aber das alles hat ja schon früh angefangen. Ich möchte heute über die leise Gewalt schreiben, die fast unsichtbar ist und deshalb schnell übersehen wird. Es sind die Kleinigkeiten. Ich wiederhole mich auch bestimmt, nehmt es mir nicht übel. Und es kommt auf euer Gefühl an. In jeder Beziehung gibt es Dinge, die nicht okay sind. Wenn ihr das aber klären könnt und es bleibt kein schales Gefühl, wird es okay sein.
Was also genau ist leise Gewalt?
Im letzten Artikel hatte ich bereits darüber geschrieben, dass alles schon sehr früh anfing. Gleich am ersten Tag. Ich gehe mal konkreter darauf ein und fange mit dem Absprechen an: Mein Mann hatte keine Kinder, als wir uns kennenlernten. Aber er gab an, viele Kinder zu kennen, sie betreut zu haben (vor allem seine Nichte) und deshalb Ahnung zu haben. (Spoiler: das war gelogen, er hatte seine Nichte sehr viel weniger gesehen und betreut, als er angab und mit den anderen Kindern hatte er zwar zu tun, aber nichts mit Erziehung).
Mein Kind war ein extrem schlechter Esser. Ist es heute noch. Teilweise saßen wir sehr lange am Esstisch, weil er wenig und langsam aß. Deshalb war er sehr dünn. Aber egal, was ich anbot oder was ich tat, er aß einfach nicht. Ich war Vegetarierin, trotzdem bekam er Fleisch. Hauptsache er aß irgendwas.
Du machst es falsch: Basta!
Mein Mann meinte, ich mache das falsch. Und gab mir Ratschläge, wie ich es besser machen konnte. Die Gewalt dabei war, dass er keine andere Meinung gelten ließ. Es musste quasi so gemacht werden, denn ich hatte ja keine Ahnung. Überhaupt war meine Erziehung grundsätzlich falsch. Ich ließ zu viel durchgehen, hatte keine Struktur, das Kind brauchte Konsequenz, Strafen und Disziplin. Was ich sagen will ist, egal was ich tat, es war falsch und er wusste es besser. Er kannte mein Kind besser als ich und verfügte darüber. Mich wehren oder dagegenhalten war kaum möglich.
Als er einmal auf der Toilette war, fragte ich ihn, ob er sich nicht die Hände gewaschen habe. Er ging mich direkt an, wie ich mir so eine blöde Frage erlauben könne und es gehe mich nichts an, was er macht und was nicht und es muss auch nicht jedesmal Seife benutzt werden, nach dem Pinkeln, warum auch? [Anmerkung der Redaktion: BÄÄÄÄH!] Er drückte mir seinen Lebensstil und „seine“ Normalität auf.
Kleidung, Make-Up, haushalt: Er diktierte alles
Zuhause mit Jeans? Geht garnicht, sofort nach dem nach Hause kommen gehöre eine Jogginghose an. Das sei Normalität und ich habe ja keine Ahnung. Und genau das meine ich: euch wird eingeredet, dass ich keine Ahnung habt, egal wovon. Er aber schon. Und wird euch seine Sachen aufzwingen. Dabei wird er allerdings absolut kritikunfähig sein.
Alles an euch wird falsch sein: wie ihr redet, was ihr sagt, was ihr anzieht, wie ihr euch schminkt (Er meinte letztens, als wir uns kennenlernten sah ich aus wie ein Clown. Dabei hatte ich mich nur etwas hübsch gemacht für ihn. Aber er möge keine geschminkten Frauen), wie ihr euch benehmt, was ihr für eine Haushaltsführung habt (2011 hatte ich eine Gutachterin da und sie schrieb, dass meine Wohnung viel zu sauber und schon fast klinisch rein war, er hingegen hielt es für einen Messie Haushalt, weil ich eine Schublade voller Kram hatte), wie ihr euch die Zähne putzt und sogar welche Mülltüten ihr benutzt.
Du bist so eine Schlampe!
Dabei wird jedes erdenkliche Register gezogen. Vom guten (bereits verletzendem) Zureden mit geheucheltem Verständnis (du hast das ja nie gelernt, woher sollst du das auch wissen? ich helfe dir), über Drohungen (wenn du so weitermachst, wirst du irgendwann alleine dastehen!) bis hin zu verbalen Übergriffen (du bist so eine [beliebige Beleidigung einfügen], dass ich mich überhaupt mit dir abgebe…) ist alles dabei. Im Endeffekt ist es SO(!), seine Meinung gilt. Punkt.
Abstruse Bemerkungen habe ich auch gehört. Zum Beispiel durfte mein Kind nie mit der Zahnbürste im Mund rumlaufen. Klar, es ist gefährlich, aber er meinte, er habe schon gesehen, wie Kinder elendig erstickt sind, weil sie mit der Zahnbürste hingefallen sind. Immer mit dem Zusatz, aber wenn ich meine, ich muss das so machen…
Messen mit zweierlei Maß
Kommen wir zu dem zweierlei Maß: Das, was für euch gilt, gilt für ihn noch lange nicht. Ich habe zum Beispiel während unserer Beziehung immer wieder mit dem Rauchen aufgehört. Habe ich dann wieder angefangen, oder wollte es, musste ich mir anhören, dass ich ja nicht mehr rauche und wie teuer das sei und wir uns das nicht mehr leisten könnten usw. Dabei rauchte er die ganze Zeit. Während ich dann auf Tabak umgestiegen bin, weil er das sinnvoller fand, um Kosten zu sparen (das war es allerdings tatsächlich), hat er normale Zigaretten geraucht, bei jeder Gelegenheit.
Während meine Freunde mies waren und er immer Gründe dafür fand, durfte ich gegen seine Freunde überhaupt nichts sagen. Tat ich es, wurde ich beleidigt und mir wurde vorgehalten, was für blöde Freunde ich hatte.
War er krank, war es immer ganz schlimm. War ich krank, sollte ich mich nicht so anstellen.
Neu ist doof, oder auch nicht
Wollte ich ein neues Putzmittel/Waschmittel wasauchimmer probieren, war das immer schlecht. Wollte er eines, wurde es ungefragt gemacht. Ich habe schon viele Dinge einführen wollen. Selbstgemachtes Waschpulver zum Beispiel. Das ist günstiger, besser für die Umwelt und wäscht genauso gut. Er fand es bald doof, meinte, es wurde nichts richtig saubermachen und ich mache damit die Waschmaschine kaputt.
Auch andere Mahlzeiten sind sehr schwierig. Egal was ich Vorschläge, entweder er mag es nicht, oder die Kinder würden es nicht essen oder es passt sonst irgendwas nicht damit. Gleichzeitig probiert er aber Neues aus (ab und zu) und wenn es nicht schmeckt, wusste er das natürlich vorher aber ich wollte ja unbedingt was Neues.
Immer einmal mehr als du!
Zeit haben. Während er arbeiten geht, sich (selten) mit Anderen trifft, oder alleine einkaufen geht und andere Besorgungen erledigt, muss ich für jede Stunde Me-Time kämpfen. Macht er ja auch nicht. Und habe ich sie dann (meine Therapie-Stunden mitgerechnet) hält er mir vor, dass ich ja (genug) Zeit für mich habe und ich könne ja mehr haben, wenn ich nur wollte. Aber er will auch, dass wir Zeit miteinander verbringen.
Seine Familie ist ihm heilig, meine ist Dreck. Egal, was seine Familie getan hat, wie sie sind und wie sie sich Verhalten, es gibt vielleicht das Zugeständnis, dass sie „nicht ganz so toll“ sind, aber gegen das, was deine Familie macht, was sie getan hat und wie sie sich verhält ist das natürlich was ganz anderes. Auch wenn sich Verhaltensweisen ähneln oder gleich sind, ist es was anderes. Was ganz anderes. Seine Vergangenheit ist auch viel schwieriger als deine gewesen. Aber du hast ja keine Ahnung. Während er für sich beansprucht, dass du sein Leben ja nicht gelebt hättest und keine Ahnung hast, ist es umgekehrt natürlich so, dass er voll Bescheid weiss über dich. Er erlaubt sich Meinungen darüber, während du nichtmal darüber sprechen darfst.
Er hat Recht. Immer. Auch wenn er nicht Recht hat, hast du einfach unrecht.
Ich hab´s dir doch gesagt!
Wie ich das hasse. Ehrlich. Egal was ist, er wußte es vorher. Immer. „Das habe ich ja gesagt“ ist einer seiner Lieblingssprüche. Wenn ich z.B. vorschlage der Kurzen über Nacht zwei Windeln draufzumachen, weil sie gerne überpinkelt, ist es Quatsch. Wenn sie dann nachts nass ist und ich sie umziehen muss, hat er es ja vorher gesagt.
Aktuell suche ich mir gerade einen Job. Ws nicht leicht ist, weil er Schichtarbeiter ist, für eine Fortbildung lernen muss und Zeit mit uns verbringen will. Auerdem müsste sich der Arbeitgeber nach mir richten, meine Ausbildung zu lange her ist und es hier wenige Teilzeit-Stellen gibt. Bevor wir umgezogen sind, hatte ich so einen Job. Er war toll und ich habe es geliebt dort zu arbeiten. Er versprach mir, dass ich wieder einen finden würde.
Natürlich finde ich keinen, aber das hätte er mir vorher gesagt.
Fähnchen im Winde
Bevor wir umgezogen sind hat er mir oft gesagt, wir haben hier Hilfe durch seine Familie und sind nicht so alleine. Weder das eine noch das andere ist es geworden. Aber auch das wusste er vorher. Oder, je nach Gespräch, wusste er es auch nicht. Er kann innerhalb eines Satzes seine Meinung und Ansichten mehrmals ändern.
Ihr kommt da nicht gegen an. Ein „Hattest du nicht was anderes gesagt?“ führt zu Herabsetzungen von euch, eurer Wahrnehmung und eures Urteilsvermögens, bis hin zu Beleidigungen, wie dumm ihr seid o.ä.
Das Ding mit den Haustieren
Als ich ihn kennenlernte, hatte er einen Hund. Es war ein toller Hund, aber dieser wurde sehr streng reglementiert. Zum Gassi gehen gab es ein Würgehalsband. Einmal habe ich sogar mitbekommen, wie er den Hund so stark schlug, dass er laut aufjaulte. Er wollte etwas Kuchen stibitzen. Ich hatte zu dem Zeitpunkt zwei Katzen und eine pinkelte in den Wassernapf des Hundes. Er packte sie und hielt sie unter kaltes Wasser.
Das Schlimme daran ist, dass er es schaffte, dass ich mich genauso verhielt. Bis ich sie abgab. Weil wir das erste Mal umgezogen waren und er die Katze nicht mitnehmen wollte. Ich musste beide abgeben. Kurz nach unserem Umzug schenkte er mir eine kleine Katze zum Geburtstag. Meine Einwände, dass zwei besser seien, wegen Einsamkeit und so, wurden beiseite gefegt.
Er suchte die Katze aus. Sie kam als Kitten zu uns und immer, wenn sie spielte und ihm zu doll wehtat, packe er sie fest und tat ihr weh.
Keine Haustiere mehr!
Sie hatte zudem ein langes Fell und kämmen mochte sie garnicht. Er zwang sie dazu. Irgendwann konnte ich durchsetzen, dass sie rasiert wurde. Vorher hieß es immer, ich solle sie halt kämmen, wenn sie wieder viel Fell verlor. Wenn wir in den Urlaub fuhren, kümmerte sich ein Nachbar darum, dass sie genug essen und Wasser hatte, ansonsten war sie den ganzen Tag alleine. Nachts weinte sie, weil sie zu uns ins Bett wollte, aber das ließ er nicht zu.
Seine Mutter erzählte letztens, sie habe seine Katzen aufgenommen, die er früher hatte, weil er wegging und sie alleine ließ. Wenn ihr euch jetzt fragt, warum ich nichts getan habe: Ich habe es versucht. Und wurde dann so niedergemacht (du hast ja keine Ahnung, wie blöde bist du eigentlich etc), dass ich es irgendwann ließ. Diese Katze haben wir auch weggeben, der Hund war krank und musste eingeschläfert werden und jetzt kommt kein neues Haustier mehr hier rein.
Was ist Verständnis?
Hat er nicht. Also, was dich angeht. Du bist müde? Aber wovon? Du bist krank? Ist doch nur eine kleine Erkältung. Du hast Depressionen. Ja dann musst die eben behandeln lassen und nicht rumjammern. Du bist überfordert mit Kindern und Haushalt? Wieso, du machst doch nichts. Immer begleitet von Vergleichen. Das kann er am Besten. Seine eine Freundin, die ist nie müde und hat viel mehr zu tun als du. Als er krank war, hat er nebenbei noch gearbeitet und den Haushalt gemacht. Alle Leute, die er kennt und die Depressionen hatten, waren einmal bei der Therapie und sind nun glücklich und alles ist gut. Du warst schon mehrmals? Dann hast du die falschen Therapeuten gehabt.
Sehr gerne auch immer wieder mit dem Verweis, dass du in eine Klinik gehörst, wenn es dir sooo schlecht geht. (Aber da gehörst du eh hin, du bist ja auch gestört, aber er meint es nur gut!). Er versteht deine Überforderung nicht, alle anderen Mütter, die er kennt, gehen noch arbeiten, kümmern sich um Kinder und Haushalt und jammern trotzdem nicht so viel wie du. Und selbstverständlich ist es auch bei ALLEN ANDEREN so, mit denen er redet. Sie geben ihm grundsätzlich IMMER Recht.
Vergleiche, wo man nur hinsieht
Mein Kind wurde auch sehr oft verglichen mit den vielen anderen Kindern, die er kannte. Sie konnten grundsätzlich alles besser, schneller und toller. Sie waren nicht so langsam, aßen besser, schliefen besser, lernten besser und schneller, konnten dies und das und jenes und waren überhaupt grandios. Und mein Kind war rückständig, dumm und natürlich war das meine Schuld, weil ich keine gute Mutter war. Und die des Vaters, meiner Eltern und allen anderen, die mit ihm zu tun hatten. Dagegen waren seine Eltern, seine Schwester und alle, die Kinder hatten, quasi perfekt. Natürlich.
Und er hat auch für alles eine Lösung. Immer. Und natürlich hat er von allem DIE Ahnung. Ihr wisst es besser? Kann nicht sein.
Ich hab zB mit einem Studium der Ernährungswissenschaft angefangen (leider nicht zuende gebracht), wusste also ein wenig über Ernährung. Er wusste es grundsätzlich besser. Das Kind hat damals sehr viel und oft geweint. Das war natürlich meine Schuld, weil ich es immer trösten musste (heute weiss ich, dass es Ausdruck seiner Not war). Also musste ich aufhören und es wurde besser. Klar, weil es alles unterdrückt hat. Aber er hat es sich aufs Brot geschmiert, er hatte ja recht.
Klingt unlogisch, ist aber so
Verständnis für mein Kind, mich oder unsere Situation war nicht vorhanden. Es war ja alles selbst verursacht. Also kam er mit den abstrusesten Ideen. Wenn ich sie nicht umsetzte oder umsetzen wollte, wurde ich so lange mit den o.g. Mitteln unter Druck gesetzt, bis ich nachgab. Ihr habt keine Ahnung, seid aber für alles Zuständig, während er erzählt, dass er für alles Zuständig sei. Klingt unlogisch? Ja, ist es auch.
Als wir zusammenzogen, war ich verantwortlich für den Haushalt (er geht ja schließlich arbeiten bzw machte er zu diesem Zeitpunkt eine Ausbildung), für das Kind (war ja schließlich meines), seinen Hund, wenn er arbeiten war und für alles drumherum. Bis auf die Finanzen – die kontrollierte er. Ich fing auch eine Ausbildung an (im gleichen Metier). Also waren wir eigentlich gleich gestellt. Am Anfang ging mein Kind in die Betriebskita, die war aber eine Katastrophe und wir wechselten zu einer Tagesmutter. Da wechselten wir uns auch noch ab mit bringen und abholen, allerdings wurde dann nur wieder schlechtes geredet. Was das Kind nicht gegessen hat, wie es sich falsch benommen hat etc.
Nicht gleichwertig
Obwohl wir also eine ähnliche Ausbildung machten, kümmerte ich mich noch um den Haushalt. Vergaß ich etwas oder machte es nicht richtig, bekam ich Ärger. Er hielt mir dann vor, dass er das wohl besser alleine machen solle, bevor es wieder nicht richtig ist. Einmal erzählte er sogar meiner Freundin, dass ich die Toilette falsch geputzt hatte und was genau falsch war. Immer musste ich mir anhören, dass ich 34 sei und es nicht sein könne, dass ich nicht wüsste, wie ein Haushalt zu führen ist! (Es war übrigens weder jemals dreckig noch vollgemüllt.) Auch wenn ich abends müde und kaputt von der Arbeit kam, diskutierte er noch mit mir, was ich wieder alles vergessen hatte und wie furchtbar mein Kind war. Manchmal wollte er dann auch mehr und war beleidigt, wenn ich nicht wollte.
Es gab immer irgendetwas zu meckern. Bei Twitter gab es einen Thread (Datum anklicken), der genau das wunderbar beschreibt:
Ich war den Silvestereinkauf erledigen, habe aufgeräumt und zwei aufwändige Essen gekocht.
Und erwische mich bei dem Gedanken, dass ich noch abwaschen muss, bevor der Mann kommt, wenn ich nicht wieder Ärger haben will.
15 Jahre Manipulation.
Der Mann ist weg.
Die Angst bleibt.— RandalePaula (@notzitrot)
Genau das ist sehr typisch und als ich das las, habe ich mich und meine Situation sofort wiedererkannt.
Er findet das Haar in der Suppe
Aber auch, wenn nichts zu finden ist, findet er was. Letztens musste ich mir anhören, dass ich den Boden von der Mülltonne reinigen sollte. Und, wenn ich rauchen bin, sollte ich den Schlüssel nicht in der Tür stecken lassen, wenn ich vergesse ihn wieder abzunehmen, habe er schon zweimal beobachtet. Natürlich gelten für ihn andere Regeln, denn er lässt den Schlüssel immer stecken, schließlich vergisst er ihn auch nicht. Und für den Haushalt bin ich zuständig, schließlich geht er ja arbeiten.
Während ich also den Haushalt und zwei kleine Kinder stemme, geht er arbeiten. Und hat natürlich jedes Recht sich aufzuregen, wenn ich mal was nicht geschafft habe. Beschwere ich mich, heisst es schnell, dann solle ich eben arbeiten gehen, gerne auch 80 Stunden die Woche, dann würde ich wenigstens annähernd soviel verdienen wie er und würde hier nicht mehr stören. Und andere Mütter mit kleinen Kindern schaffen das auch. Ihr wisst schon.
Ach ja, die Kinder.
Ich bin Tag und Nacht für sie zuständig, 24/7 quasi. Kümmert er sich um sie, wird der Fernseher angemacht. Und dann muss ich mir anhören, dass es doch kein Thema sei und wieso ich mich immer so beschwere. Klar, bei ihm sind sie kooperativ und reissen sich zusammen, oder fliehen ins Zimmer, weil er wieder nur schimpft, droht oder lauter wird. Er sagt dann, wenn sie das machen und brav spielen, solle ich mich kurz aufs Sofa setzen, dann hätte ich doch Zeit für mich. Klar. Eine Minute oder so.
Oder er sagt, dann solle ich eben gehen, wenn er da wäre, ich habe doch die Möglichkeit. Dass er mir aber in den Ohren liegt, dass ER das ja nicht hat und auch nicht braucht (Zack, schlechtes Gewissen), ich aber Zeit für mich hätte (während meiner Therapie), er aber eigentlich lernen müsse und wozu ich das eigentlich bräuchte, wird gerne vergessen.
Dabei zählt er auch gerne auf, was er alles für euch macht, um euch zu entlasten (die Kinder mit zum Einkaufen zu nehmen ist aber schon zuviel) und wie undankbar ihr seid und das andere Mütter dies auch nicht hätten.
Er ist die Sonne.
Grundsätzlich muss sich alles um ihn drehen. Wenn er da ist, bin ich wie eine Bogensehne angespannt. Denn egal was ich mache, wenn er ruft, muss ich kommen. Sofort. Sage ich warte, wird er wütend. Es kann nichts Wichtigeres neben ihm geben. Auch nicht die Kinder. Ausserdem muss ich dann sehr darauf achten, was ich sage und wie, denn je nach seiner Laune ist es falsch. Das, was er gestern noch witzig fand, kann heute schon zu einem dicken Streit führen. Auch was ich ihm erzähle kann zu einem Streit führen. Wenn ich sage, dass ich müde bin, weil die Nacht schon wieder kurz war, sagt er, er hat es mitbekommen (schnarchend) und er sei auch müde, aber er müsse ja noch arbeiten nebenbei und würde sich auch nicht beschweren.
Früher habe ich noch Sachen von meinen Eltern oder meinem Kind erzählt und jedes Mal gab es einen dicken Streit. Weil sie in seinen Augen falsch sind und waren und sowieso nur böses im Sinn hätten. Egal, was ich sagte, es zählte nicht. Das macht es übrigens sowieso nie. Weil ich ja keine Ahnung habe. Aber das sagte ich ja bereits.
Die Lügen und so.
Er lügt. Viel. Oft. Das muss er auch, um sich sein kleines Weltbild aufrecht zu erhalten. Er erzählte mir, dass er seine beste Freundin verlor, als er Jugendlicher war, weil sie sich umbrachte. Er gab sich selber die Schuld, hatte deshalb jahrelang Therapie und weinte bei bestimmten Liedern im Radio. Das war gelogen, diesen Menschen gab es zwar, aber er hatte nichts mit ihr zu tun. Er erzählte, dass er Lieder schrieb und eine Band unterstützte, die relativ erfolgreich war. Sie traten sogar bei der Vorauswahl zum Eurovision Song Contest an, aber weil sie nicht das Lied nahmen, was er empfahl, kamen sie nicht weiter.
Das war gelogen. Er kannte die Band. Mehr nicht. Er hat erzählt, er sei Landesmeister beim Kickboxen gewesen. Das war gelogen, es war seine Schule, er kann nichtmal Kickboxen. Es gibt noch viel, viel mehr. Alles Dinge, die er besonders gut kann oder konnte, oder die besonders schlimm waren. Eben besonders. Wurde eine Lüge aufgedeckt, hielt er daran fest. Eisern, bis heute. Und natürlich folgen dann die üblichen Beschimpfungen wie, ich habe keine Ahnung, ich war nicht dabei, die anderen wüssten nichts davon usw.
Es ist so, dass diese Dinge in der Gesamtsumme wahnsinnig toxisch sind. Aber ich persönlich finde etwas anderes fast noch gefährlicher: Die guten Seiten
Außen hui, innen pfui
Er ist ein wahnsinnig guter Mensch. Überall wird er gelobt, wie lieb, fürsorglich, freundlich, charmant und großartig er ist. So war er auch mal zu mir. Er hat mich aus dem Sumpf gerettet, in dem ich war. Um mich in seinem eigenen Sumpf ertrinken zu lassen. Er hat mein Kind immer zu den Umgängen gefahren und wieder abgeholt (mit mir zusammen, um mir, bis heute, vorzuhalten wie anstrengend das war und was es ihm abverlangt hat). Er war für mich da, wenn ich traurig/fertig war (um mir dann zu sagen, weswegen das so war und natürlich war er nie Schuld daran. Ausserdem hat er diese Gelegenheit genutzt um gegen meine Familie zu hetzen). Er entschuldigte sich nach einem Streit und suchte das Gespräch. Egal ob ich es wollte oder nicht und natürlich wollte er mir nie was böses und nur das Beste.
Er kaufte mir Sachen, die ich gerne aß um mir eine Freude zu machen. Auch, wenn ich sagte, ich will abnehmen, weil er mich ja kennen würde, das hielt eh nie lange und dann würde ich mir eh was kaufen.
Er tat alles für mich. Dachte ich. Das sagte er immer jedenfalls. Und ich glaubte es. Weil er tatsächlich viel für mich tat. Das andere, das verletzende, herabwürdigende, runtermachende und toxische, wurde dabei ausgeblendet. Von mir, denn er fand ja für alles, was er sagte und tat einen guten Grund.
Genau das ist mein Grund für diesen Artikel. Ich sehe es jetzt anders und ich hoffe, jemanden zu erreichen. Wenn du dich wiedererkennst, dann suche dir Hilfe. Mach die Augen auf und vor allem – lass sie auf! Ich habe bestimmt ein paar Punkte vergessen, wenn ihr noch welche habt, schreibt sie unter diesen Artikel als Kommentar. Je mehr, desto besser. Ich denke, ich kann den Begriff der leisen Gewalt auf einen Nenner runterbrechen:
Sie ist deshalb leise, weil sie sehr gut unter der Oberfläche der Fürsorge versteckt ist. Flüstert, sie hat Zeit. Sie zerstört dich. Und du wirst glauben, dass du selber daran Schuld bist.
Hallo du liebe Person, ich habe deine beiden Gastbeiträge zu deiner toxischen Beziehung mit einem Narzissten auf diesem Blog gelesen. Beide Texte haben mich sehr gerührt und bewegt. Sie erinnern mich an eine Person, die ich sehr geliebt und verloren habe. Sie war für mich eine mütterliche Freundin. Ihre Ehe mit einem krankhaften Narzissten hat sie letztendlich umgebracht. Davon bin ich überzeugt. Ich habe beschlossen, dir ihre Geschichte aufzuschreiben (Ich befürchte, der Text wird etwas länger). Es ist ihre Geschichte, so wie sie sie mir in vielen Gesprächen erzählt hat. Ich fasse viel zusammen und springe auch etwas hin und… Read more »
Hallo Natalie, WOW Danke für deinen ausführlichen Kommentar! Ich gebe das an die Gastautorin weiter 🙂
Darf ich deinen Kommentar vielleicht in einem Blogbeitrag – gern ebenfalls – anonym posten? Ich glaube, dass die Geschichte von Patty helfen kann, auch andere wachzurütteln 🙂
Liebe Grüße
Yasmin
Liebe Natalie, die Autorin bat mich den Kommentar zu posten:
„Liebe Natalie, vielen lieben Dank für Deine Offenheit und Deinen Mut, die Geschichte von Patty aufzuschreiben. Sie hat mich zu Tränen gerührt und es ist unglaublich, wie stark Deine Freundin war. Ich hoffe, es geht ihr jetzt gut,da wo sie ist. Ich werde mir diese Geschichte vor Augen halten und sie mir zu Herzen nehmen. Ich danke Dir vielmals ❤️ Liebe Grüße, Die Autorin“