Ich möchte euch heute eine positive Erfahrung schildern. Claire und ihre Schwester gerieten in Streit. Die Kleine hatte ein Spielzeug gegriffen und gespielt. Claire fand das Spielzeug plötzlich auch ganz spannend (ihr kennt das bestimmt) und wollte es ihr wegnehmen. Ihr Papa hat klar gesagt: „Das hat deine Schwester jetzt. Lass sie bitte damit spielen. Du kannst es danach haben.“ Bäm. Wutanfall incoming.
Meine Wut vs. Claire Wutteufel
Claires Gesicht verzog sich zu einer wütenden Miene. Sie hat laut ihren Frust (Blöde Marie!!) herausgelassen und gegen den Schrank gehauen. Früher hätte ich sie dafür gemaßregelt á la:“ Sowas sagt man nicht! Hör auf zu schlagen!“. Bis vor Kurzem hätte ich mit ihr über „die Tat“ gesprochen: „Das ist gemein sowas zu sagen, du hast sie doch lieb… Du bist wütend, aber bitte schlag nicht um dich!“.
Dabei hätte ich in BEIDEN Fällen schon eine innere Wut verspürt. „Warum haut sie? Wieso motzt sie ihre Schwester an? Warum will sie überhaupt das Spielzeug haben?“
Diese Wut hätte sich gesteigert, wenn Claire nicht wie gewünscht kooperiert hätte. Wie zu erwarten gewesen wäre. Stattdessen wäre sie meist noch wütender geworden, es wäre eskaliert, ich wäre laut geworden. Nicht schön, nicht hilfreich. Mittlerweile habe ich mich mit dieser schlummernden Wut auseinandergesetzt – mit meinem inneren Kind – und habe erkannt, warum ich in manchen Situationen so emotional reagiere (dazu werde ich noch bloggen, nur so am Rande).
Verstehen statt verurteilen
Ich habe es diesmal anders versucht. Das ging, weil ich ruhig bleiben konnte und gar nicht wütend geworden bin diesmal. Was habe ich getan? Ich habe mich zu ihr gesetzt, die Arme nach ihr ausgestreckt und gefragt: Brauchst du ein bisschen Trost? Erst hat sie abgelehnt und wollte nach mir hauen und an mir vorbeirauschen. Dann sagte ich: Es ist schon ärgerlich manchmal, wenn man Geschwister hat, oder? Sie schaut mich an und nickt. „Möchtest du vielleicht kuscheln?“ Sie verneint nicht, ist aber noch unschlüssig.
„Ich verstehe dich total. Als große Schwester muss man immer so viel auf die Kleinen Acht geben und kann nicht immer tun was man will, oder? Weiß du, ich bin ja auch große Schwester und kann das total verstehen, wie Geschwister nerven können.“
Sie kuschelt sich in meine Arme. „Ja, das ist doof, ich wollte das haben!“ „Verstehe ich. Als große Schwester steckt man manchmal ziemlich zurück, gell? Und dann bekommt man auch noch so viel Verantwortung manchmal… Ich hatte 5 Geschwister und so viel Verantwortung. Das war mir manchmal echt zu viel…“ Sie nickt wieder, kuschelt sich in den Arm und zeigt dann auf eine Zeitschrift. „Liest du mir vor?“
Endlich auf Kurs?!
Ich fange an Sprechblasen vorzulesen und der Wutanfall ist verpufft. Einfach so. Früher gab es hier richtig laute heftige Auseinandersetzungen, da sie dafür angemeckert wurde, dass sie a) ihrer Schwester was wegnimmt und b) auch noch wütend reagiert. Das hat sich hochgeschaukelt. Völlig unfair. Diesmal lief es ganz anders. Ich hatte mich in ihr wiedererkannt und konnte sie wirklich richtig gut verstehen. Ich habe mich in ihr gesehen. Vorher ging das nicht, da stand meine Wut im Weg. Ich glaube, wir sind so langsam auf dem richtigen Weg…
Wow, das klingt, als hättest du einen kleinen Meilenstein in deiner persönlichen Entwicklung erreicht! Diese eigenen, heftigen Emotionen in ruhigere Bahnen zu lenken ist wirklich eine hohe Kunst und wenn es einmal geschafft ist, klappt es bestimmt auch wieder. Und deine Tochter scheint dir sofort zu zeigen, dass ihre Bedürfnisse (nach der gelasseneren Mama? Dem Gesehenwerden ohne verurteilt zu werden?…) damit erfüllt wurden und wieder Frieden einkehren konnte. Mein allerliebstes Mama-Mantra ist in diesen Situationen übrigens folgendes Zitat: „When little people are overwhelmed by big emotions, it’s our job to share our calm, not to join their chaos“ Alles Gute… Read more »
Danke für deinen Kommentar. Ja, ich denke, damit ist ein weiterer Knackpunkt erreicht worden. Wie so viele in den letzten Jahren. Ich bin nicht mehr, die, die ich mal war. Schon lange nicht mehr. Zumindest in vielen Belangen. In manchen Punkten bin ich noch immer ich – und leider nicht in den guten Punkten^^“
Mein Mantra ist eher: Es ist keine Absicht! Kurz und knackig 🙂
Ein interessanter Ansatz! Ich bin gerade etwas unsicher, ob es richtig ist, positive Signale zu setzen, indem man das unerwünschte Verhalten mit Zuwendung ,,belohnt“. Ich fand aber super, wie Du Dein Kind abgeholt hast, wo es steht. Auf der anderen Seite hätte ich dann vielleicht die positive Stimmung dazu ausgenutzt, zu klären, dass man ein Spielzeug nicht einfach wegnehmen kann, auch, wenn man es haben möchte und warum nicht. Aber vielleicht hast Du das ja indirekt getan?! Vielleicht hätte man sie fragen können, wie sie es empfunden hätte, wenn man ihr einfach Spielsachen weggenommen hätte … Aber es ist natürlich… Read more »
Hi Nessy, ich erziehe Bedürfnisorientiert. Hier gibt es kein belohnen oder bestrafen. Nur „sehen“ der kindlichen Bedürfnisse. Spielzeug einfach wegnehmen ist nicht Ok, ja. Das weiß sie aber auch. In Dr Situation sind ihre Emotionen hoch gekocht und die galt es zu verstehen. Mehr nicht. In der Situation hilft es nicht, dem Kind Vorträge zu halten. Warum auch? Es ist frustriert. Wenn ich frustriert bin, braucht mein Partner mir auch keine Vorträge halten. Er soll die Klappe halten und mich in den Arm nehmen ? klären kann man das immernoch. PS: grundsätzlich ist es zudem so, dass sie ihr Spielzeug… Read more »
Liebe Yasmin!
Ich freu mich grad so mit Dir! Was für eine wunderbare Entwicklung. Ich lese ja schon lange mit und jetzt gerade berührt mich der Text sehr. Das klingt richtig gut.
Herzliche Grüße,
Steffi