Attachement Parenting ist mir zu anstrengend

Die Rabenmutti schreibt über Attachment Parenting – ich sehe schon, wie sich einige Blogger die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, die Augen rollen und einfach in die Ecke kotzen. Ja genau! Abkotzen. Das Thema ist anscheinend schon „durch“ und, wer über AP schreibt meckert, will ja eh nur Klicks einholen, oder? Dabei will ich gar nicht meckern. Ich finde Nathalie hat in ihrem Artikel „Was ich an Attachment Parenting nicht mag“ den Nagel auf den Kopf getroffen.

Ich kann ihr da nur zustimmen und damit war das Thema für mich durch. Eigentlich. Denn irgendwie check ich es nicht. Dieses AP. Oder „Unerzogen“, „auf Augenhöhe“, „bindungsorientiert“, „beziehungsorientiert“ und dann gibt es auch noch „Slow Parenting“ (ach, fragt mich nicht, ich hab keine Ahnung und den Überblick verloren). Und einige andere scheinbar auch nicht. Es ist oft von Selbstaufgabe die Rede und das stößt so manch APler (oder soll ich vereinfacht „auf Augenhöhler sagen?) bitter auf: „Humbug!! Es werden Bedürfnisse ALLER betrachtet. Man gibt sich gar nicht selber auf!“ schallt es durch die Räume. Ich finde aber irgendwie ist der Tenor in Diskussionen anders. Ich will euch mal erklären, was mir Probleme macht.

 

Bei AP kommen alle Mal dran – oder so ähnlich

Das Internet der Dinge ist dafür bekannt, dass einfach jeder seine Gedanken abladen kann. Auch ich. Jeder kann sich informieren. Informationen sortieren, aufnehmen und verarbeiten – letztlich umsetzen. Ich versuche das seit geraumter Zeit mit AP – glaube ich. Denn irgendwie weiß ich selber nicht genau, wie man meinen Weg beschreiben kann. Ich möchte möglichst bindungs-bedürfnisorientiert agieren. Dabei die Bedürfnisse des Kindes wahrnehmen ABER auch meine eigenen Bedürfnisse beachten – und ja, manchmal auch über die des Kindes stellen.

Und da geht es los: Denn das ist nicht AP, das ist Egoismus, oder doch nicht? Einerseits höre ich: Man muss die Bedürfnisse ALLER Familienmitglieder wahren, andererseits komme ich in Diskussionen immer wieder an den Punkt an dem es heißt: „Ja du musst deine Bedürfnisse halt zurückstecken“. Was denn nun?!? Ganz ehrlich: Ich check es nicht. Ein Beispiel!

[Achtung] Vorweg möchte ich eines klarstellen: Ich spreche hier meist von Bedürfnissen eines 4 Jährigen Kindes. Dass einem Baby bis zum ersten Lebensjahr fast uneingeschränkt alle Bedürfnisse erfüllt werden, ist völlig klar für mich (zu den Ausnahmen komme ich im Artikel aber noch).

Bedürfnisorientiert geht nur, wenn du das Letzte bist!

Ich habe mal wieder andere Blogs gelesen. Dabei bin ich über diesen Beitrag gestolpert: Attachement Parenting aus Vatersicht. Mich haben dabei einige Aussagen ganz schön umgehaun. Zunächst einmal: Jo, Babys sind in den ersten Lebenswochen an erster Stelle. Das ist normal und absolut nicht falsch. Seh ich voll ein. Aber mit zunehmendem Alter, kann man auch die eigenen Bedürfnisse wieder beachten. Finde ich. In meinem Fall (Baby ist 11 Wochen alt) wäre das der wöchentliche Rückbildungskurs. Natürlich brauch ich den für meinen Beckenboden, damit die Gebärmutter mir nicht irgendwann durch die Vagina „Guten Tag“ sagt.

Aber ich brauch den Abend auch für mich. 2 Stunden Auszeit von den Kindern. Einfach nur ich, meine Gedanken, Stressabbau, keine Kinder.  Sport und auspowern! Ich könnte bedürfnisorientiert handeln und mein Baby mitnehmen – sie will die Mama immer um sich haben. Hier lege ich meine Bedürfnis nach Ruhe aber über die ihren. Dabei ist Marie erst 11 Wochen alt – Rabenmutter, werden viele jetzt speien. Das ist mir klar. Und womöglich müsste auch Heiner von Vaterwelten jetzt mit der Stirn runzeln. Er sieht das nämlich so:

„Also sich selbst nach ganz hinten stellen und das Kind nach vorne, anders läuft „bedürfnisorientiert“ nicht! Wenn das Kind versorgt ist, kann man sich um die Beziehung kümmern und ganz zum Schluss um sich selbst.“

Hier geht es nicht um ihn persönlich (sonst würde da ja „ich“ stehen). Das klingt allgemeingültig. Wie eine Vorgabe: AP funzt nur, wenn du der/die/das Letzte bist. Flupps gesagt. Und DA liegt der Hase im Pfeffer begraben. Es heißt ja immer „Ja nee, AP muss Bedürfnisse aller betrachten“ und „Ich weiß ja nicht wie dieser Eindruck der Selbstaufgabe immer entsteht“. Leider so. Genau so. Hätte ich das vor einem Jahr gelesen, wäre ich in Tränen ausgebrochen. Es hätte mich fertig gemacht. Denn ich (Rabenmutter) habe schon Bedürfnisse im Babyalter „durchgedrückt“. Ich habe Auszeiten genommen. Ich stand auch mal auf Platz 1.

Müde Rabenmutti auf der Couch

Was ist Selbstaufgabe für mich?

Vielleicht sollten wir an dieser Stelle aber klären, was ICH unter Selbstaufgabe verstehe: Das Aufgeben oder hintendran stellen all meiner Bedürfnisse für das Kind – zu jedem Zeitpunkt. Also Immer. Immer, immer, immer. Hinten dran heißt nämlich meistens, dass sie nach hinten über wegkippen. Ruhe und Freizeit beispielsweise wären passé, würde ich nur die Bedürfnisse meiner Mädels beachten. Bei ihm scheint das ja irgendwie zu klappen, dass er auchmal Zeit für sich findet. Es ist Typsache, ob das ausreicht, denke ich.

Ich möchte Heiner jetzt gar nicht dafür angreifen oder so. Nein! Ich möchte nur mal aufzeigen, wie der Eindruck entsteht, AP (oder bedürfnisorientiert) würde eine Selbstaufgabe abverlangen. Weil es da (für mich) steht! Weil es einige Menschen tatsächlich einfordern. Weil man es tatsächlich so lesen kann – vor allem dann, wenn man noch ganz „neu“ ist. Da liest man einfach das Zitat und denkt sich: „Jo alles klar. Immer in die letzte Reihe mit mir, wo ich hingehöre“.

Vielleicht nichtmal böswillig, weil es für sie in dem Moment keine Selbstaufgabe bedeutet. Weil es für sie ok ist, alle Bedürfnisse ihrer Kinder zu erfüllen und eigene hintenanzustellen. Das ist ja auch ok. Aber, dann braucht man sich eben nicht wundern, dass Menschen, die sich noch selber im Fokus haben (man munkelt manchmal Egoisten) sprechen da von Selbstaufgabe. Zerbrechen daran sogar. Kommen zum Burn-Out.

„Das Kind steht ganz oben auf der Liste, dann kommt lange nichts und dann die Beziehung! Erst an dritter Stelle kommt man selber mit seinen Bedürfnissen und Sorgen und Wünschen und so weiter.“

Kuscheln statt Zocken

Heiner spricht hier deutlich die Männer an (Schatz, ließ den Blogbeitrag doch bitte auch mal^^), aber ich denke, das kann man gut auf Frauen ummünzen. Attachement Parenting soll keine Selbstaufgabe sein, aber ich erlebe die so oft als solche. Vielleicht definieren die APler Selbstaufgabe ja total anders als ich, und deswegen kommt es zu diesem Auseinanderklaffen der Eindrücke? Ich habe es selbst in zwei Twitter-Diskussionen erlebt:

Ich hatte eine Art Hilferuf gepostet (die gesamte Diskussion ist mit Klick auf den Ausangspost zu finden): Die Große tut sich seit Wochen schwer mit dem ins Bett gehen. Eine Twitterin wollte helfen (Danke, ich weiß das zu schätzen und möchte es nicht schlechtreden).  In erster Linie ist es völlig klar und verständlich was sie mir sagen möchte! Ja natürlich ist ein Abend kuscheln erstmal wichtiger, als Zocken! JAHA!!! Das große „aber“: Es ist derzeit jeden Abend so, dass Claire das Zubettgehen hinauszögert. Bis 21/22/23 Uhr gibt es hier Party. Wir kommen nicht zur Ruhe. Ja, ich verstehe sie. Sie sucht Nähe, die Entthronung ist schwierig. Wir müssen den Flow finden.  Ich versuche auch immer wieder gegenzusteuern, mehr (Exklusiv-)Zeit zu haben, mal 5 grade sein zu lassen. Aber manchmal, sind die Akkus leer. Da will ich Ruhe. Mein Bedürfnis ist Ruhe. Ihr Bedürfnis ist Schlaf (auch, wenn sie es selber nicht begreifen mag). Und dann?

Bitte hinten anstellen, junge Frau!

Dann kommt der Ratschlag: Stell dein Bedürfnis hinten an. Puff. So viel zum Thema, alle Bedürfnisse sind wichtig. Mal wieder wird das Kind hervorgehoben. Kann man machen. So… ein zweimal. Und dann? Das Problem is ja auch: Irgendwas ist ja IMMER! Ist es nicht die Entthronung, ist sie vieleicht krank, hat einen Schub, sitzt ein Pups quer. Es gibt nur wenige Phasen, in denen alles mal wirklich läuft. Muss ich mich jetzt jedes Mal hintenanstellen? Dann sind wir wieder am Punkt Selbstaufgabe angekommen. Denn Marie schläft auch erst gegen 24/1 Uhr so richtig gut und da hab ich dann auch keine Zeit mehr für mich oder meinen Mann. An welchem Punkt gewichtet man also die Bedürfnisse des Kindes anders? Ab wann darf ich mich auch nach vorne stellen? Wann darf ich Himmeleinsnochmal auch an MICH denken? Den Stopp-Knopf drücken? Ich kapier es nicht.- Ganz von alledem abgesehen: Morgens ist sie so müde, dass sie absolut nicht aufwacht! Das geht halt auch gar nicht….(Kita Kind)

Jetzt geht es sogar einen Schritt weiter. Nachdem ich ein Zitat aus Heiners Artikel gepostet habe, entstand eine Diskussion um das Thema. Es wurde der Einwand (bitte lest die gesamte Diskussion, die kann ich hier leider nicht abbilden, da Twitter alles zerstückelt) erhoben, dass es halt Heiners Sicht von AP sei. Und ja, da hat sie natürlich Recht. Das Problem ist nur: Wenn das jemand liest, der sonst wenig kennt und das als sein Nonplusultra verifiziert, fängt die Kacke an zu dampfen. Immerhin ist der Blogpost eher allgemeingültig formuliert – finde ich.

 

Ist Egoismus gleich Egosimus?

Jetzt hat sich allerdings eine längere Diskussion entwickelt, die mich ehrlich gesagt etwas verletzt hat. Wir halten fest: Es geht darum, dass man als Mutter auch mal sich nach vorne stellt und die eigenen Bedürfnisse erfüllt. Hier klingt es so, als sei man dann ein Egoist. Was erstmal ok ist, jeder darf egoistisch sein. Gesunder Egoismus ist gut! Hier klingt es aber recht negativ belegt: „Bedürfnisse sind ach so wichtig“. Ja ok, schwieriges Thema. So viel wie ich nun verstanden habe, darf ich als Mama Bedürfnise haben bei AP – ja. Die müssen aber hinten angestellt werden. Wenn die Bedürfnisse des Kindes ausreichend gedeckt worden sind (was auch immer das heißen mag) DANN darf ich als Mama meine Bedürfnisse erfüllen. Sonst bin ich ein Egomane. Oder wie jetzt?

Ein Beispiel: Morgens bin ich bis mittags mit Marie beschäftigt und stille all ihre Bedürfnisse: Kuscheln, Stillen, Windeln wechseln. Dabei passiert es immer wieder, dass ich vor 12 Uhr gar nicht zum Frühstücken komme, da sich ein ewiger Stillen-Wickeln-Kreislauf ergibt. Mein Bedürfnis zu Essen, auf Klo zu gehen, mich anzuziehen und Co. stelle ich hier erstmal hinten an. Marie ist ein Arm-Tragling – sprich, sie will eigentlich nur im Arm getragen werden. Es sei denn ich habe das Glück sie schläft ein und lässt sich dann in die Nonomo oder Trage legen (passiert leider nicht so oft, wie ich es mir wünschen würde). Nachdem ich nun Oberarme wie Popeye habe, könnt ihr euch denken, wie viele babyfreie Minuten ich so am Tag habe…

Das Ende der Fahnenstange

Mittags hole ich Claire nach dem Mittagessen in der Kita ab. Meist besuchen wir den Spieplatz, gehen spazieren oder eine Freundin besuchen bzw. laden eine Freundin ein. Wir verbringen so den ganzen Nachmittag – natürlich muss ich währenddessen auch Maries Bedürfnisse erfüllen! Gegen Abend kommt mein Mann – ich bereite das Abendessen vor. Manchmal kann er mir Marie abnehmen; aktuell eher weniger. Ich stehe also seit dem Aufstehen unter Strom, bin froh, wenn ich es mal schaffe zu essen und erfülle brav alle Bedürfnisse. Und dann kommt der Abend, das Kind will nicht ins Bett und ICH dreh durch, weil ich mein Bedürfnis nach Ruhe (und vielleicht mal was zu essen?!) nicht erfüllen kann.

Und jetzt bin ich egoistisch, weil ich lieber chillen möchte, statt mit dem Kind noch eine weitere Stunde im Bett zu liegen? Dann war es das mit AP, weil ich abends ausgebrannt bin? Habe ich das jetzt richtig verstanden? Dann, meine Lieben, habe ich mich selbst aufgegeben. Weil ich dann nur noch für die Kinder lebe. Immerhin wartet Baby Marie ja auch noch auf mich (ok, eigentlich wartet sie auf meine Titties). Vielleicht habe ich irgendwo einen Denkfehler. Vieleicht gehört Egoismus zu AP dazu? Ich weiß es nicht, ich kapier es nicht. Aber eines weiß ich: Genau so passiert es, dass Attachement Parenting als Selbstaufgabe – sei es nun so, oder auch nicht – wahrgenommen wird. Und so lange es in Diskussionen immer wieder heißt: Stell deine Bedürfnisse zurück. Das Kind kommt immer zuerst! So lange wird Attachment Parenting auch mit Selbstaufgabe in Verbindung gebracht werden.

(Hier sollte ein Screenshot sein: Der Account wurde zwischenzeitlich auf privat gestellt. Daher habe ich den Screenshot herausgenommen. Leider kann auch der Originalverlauf der Diskussion so nicht mehr online eingesehen werden, sondern nur via Screenshot.).

Darum möchte ich gar kein Attachment Parenting betreiben. Ich möchte die Bedürfnisse meiner Kinder wahrnehmen, mit den meinen abwägen und dann entscheiden, was wichtiger ist – situativ. Das kann sein, dass ich dann mal eine Runde auf den Spielplatz gehe – oder eben auch nicht, weil ich zu kaputt bin. Dann lege ich abends eine Extra-Kuschelrunde ein – oder mache die klare Ansage, dass ich nun einen freien Aben will. Wie man meinen Stil nennt? Keine Ahnung: Den Rabenmutti-Style? Oder ist das jetzt doch AP? Wann hab ich den Anschluss verpasst? Oh, ich weiß es nicht. Was ich aber weiß: Ich finde es ist absolut kein Wunder, dass man AP (und alles, was Ähnlich ist) mit Selbstaufgabe in Verbindung bringt. Sofern man Selbstaufgabe so wie ich definiert hat 😉 Auf Augenhöhe findet ich es übrigens auch nicht, wenn man seine eigenen Bedürfnisse immer dem Kind unter ordnen soll. Denn dann ordne ich mich unter und bin mehr hörig, als eigentsändiger Mensch. Oder meine Bedürfnisse digitieren zu den Kindsbedürfnissen – finde ich ebenso bedenktlich. Hach, ihr merkt. Ich werde damit nicht mehr grün. So lang man mir immer wieder sagt: Denk zuerst ans Kind, so lang ist das für mich ebene Selbstaufgabe. Ich fände Tipps besser, die wirklich dafür sorgen, dass wir als Familie den Flow finden – gemeinsam! WIE man das nennt – ist mir dann auch egal.

Probleme mit Attachement Parenting