Hallo ihr Lieben,

heute am dritten Tag der Blogtour zu Astrid Fritz neustem Werk „Die Räuberbraut“ begrüße ich Euch ganz herzlich zu einem spannenden Thema. Wir schildern Euch heute die Umstände bzw. erläutern einige Details zum Leben der Frauen innerhalb des Räubermilieus.

Juliana Blasius begegnete ihrem Schinderhannes eher zufällig, als sie zum Osterfest 1800 mit ihrer Familie zum Musizieren auftrat. Nur zwei Wochen später lud er sie und die Schwester nahe ihrem Heimatdorf in ein Waldstück ein, wo er mit Kumpanen beim Lagerfeuer saß. Die beiden jungen Frauen – Juliana war damals 18, ihre Schwester 20 Jahre alt – kehrten nicht mehr ins Elternhaus zurück, und schon bald wurde aus Julchen und Hannes ein Liebespaar. Die Schwestern hatten zuvor durchaus kleinkriminelle Erfahrungen gemacht, mit Laden- und Marktdiebstählen, doch was die nächsten Jahre folgen sollte, war noch einmal von einem ganz anderen Kaliber. Hannes und seine Leute lebten von Wegelagerei und Straßenraub, von Schutzgelderpressung und Hauseinbrüchen, und dabei gingen sie nicht zimperlich vor.

Materiell gesehen war Juliana besser denn je gestellt. Nach jedem geglückten Raubzug schwelgte man erst einmal im Luxus, mit neuen Kleidern und Schuhen, mit teuren Genussmitteln wie Tabak, Kaffee oder Kakao – alles Dinge, die sie und ihre Schwester sich niemals hätten leisten können. Doch der Preis hierfür war hoch: Bei jeder
Passkontrolle drohte aufzufliegen, dass ihre Papiere gefälscht waren, bei jedem Überfall konnte Hannes erwischt werden. Dabei hatte der oft mehr Glück als Verstand: Als die französische Besatzungsmacht im Rheinland schließlich massiv zur Räuberjagd blies und mit ihre Gendarmen und Landjäger etliche Komplizen verhafteten (auch ihre Schwester wurde geschnappt und ins Zuchthaus gebracht), blieb er zunächst noch unentdeckt. Aber Juliana musste in ständiger Angst um ihn gelebt haben, zumal sie selbst einmal, mit ihrem ersten Kind, in einem Unterschlupf entdeckt und für einen Tag und eine Nacht ins Arresthaus geschleppt wurde. Sie kam wieder frei, weil es zum Einmaleins des Räuberlebens gehörte, gegen solche Dinge gewappnet zu sein: An Hannes Seite hatte sie gelernt, wie mit der Obrigkeit umzugehen war, wie man log oder sich herausredete.

„Die Räuberbande Anton Rosenberger“ von Johann Baptist Pflug (c) Museum Biberach

Ihre Beziehung blieb bestehen, was unter Räubern wie unter Landfahrern durchaus nichts Ungewöhnliches war. Entgegen den moralisierenden Berichten der Bürgerlichen, die in den Räuberbräuten Huren und gefallen Mädchen sahen, waren solche Beziehungen erstaunlich stabil und Monogamie durchaus die Regel. Man kümmerte sich umeinander, bei aller Ruppigkeit im Umgang zeigte man auch Zärtlichkeiten, bekamen die Frauen Kinder, sorgten die Männer alle zusammen für das „Nest“. Wenigstens ein Stück weit vermittelte das eheähnliche Zusammenleben in diesem unsteten, gefahrenvollen Alltag Schutz und Beständigkeit. Und so waren auch Vergewaltigungen ein Tabu. Wer sich Frauen mit Gewalt näherte, verstieß gegen den Ehrenkodex und wurde von den andern gemaßregelt. Von Prostitution im Räubermilieu findet man in den Quellen kaum etwas.

Wie ich schon zu den Landfahrern ausgeführt hatte, finden sich also auch hier „bürgerliche“ moralische Tugenden wie Treue, Fürsorge, Großzügigkeit und Mitleid. Aber im Gegensatz zu ihren bürgerlichen Geschlechtsgenossinnen konnte sich die Frauen im Räubermilieu von ihren „Mackern“ aus freien Stücken wieder trennen oder suchten sich einen neuen Gefährten, und so gab es unter den Räuberbräuten (im Behördenjargon damals Beischläferinnen genannt) nicht wenige, die mehrere Kinder von verschiedenen Vätern hatten. Tatsächlich genossen sie also mehr Freiheiten und waren wohl auch um einiges selbstbewusster. Schließlich war man aufeinander angewiesen, und sie als Frauen hatten wichtige Aufgaben inne: Neben der Versorgung der Truppe (deren Zusammensetzung übrigens häufig wechselte) verhökerten sie, als Krämerinnen getarnt, das Diebesgut oder verrichteten Boten- und Kundschafterdienste. Wohl gab es auch Räuber, die ihre Frauen zu Markt- und Taschendiebstahl ausschickten, während sie selbst im Wirtshaus soffen, aber im Umfeld des Schinderhannes war dies verpönt. Nur selten nahmen sie aktiv an Raubüberfällen oder nächtlichen Einbrüchen teil, und wenn, dann um die Beute abzutransportieren oder Wache zu halten. Zwar wurde auch Juliana im legendären Schinderhannesprozess die zweimalige Beteiligung an einem gewalttätigen Einbruch vorgeworfen, diese Anklagepunkte wurden dann aber fallengelassen.

Juliana und Hannes führten also de facto ein Eheleben, am Ende sogar mit eigenem Hausstand und einer Magd, wenn auch ohne Trauschein. Eine Heirat war ihnen natürlich verwehrt, aber Hannes setzte immerhin durch, dass ein Pfarrer sie vor Gott traute (in meinem Roman tut jener Pfarrer dies halb unter Zwang, halb im Alkoholrausch). Ihr erstes Kind, eine Tochter, kam während einer längeren Fluchtperiode auf die Welt und starb kurz darauf, das zweite, der Bub Franz Wilhelm, während ihrer Mainzer Gefängniszeit.

Gewiss hatte Juliana an Hannes‘ Seite ungeahnte Freiheiten und materiellen Wohlstand genossen, doch musste sie jeden Tag um ihre Freiheit, ja sogar um das Leben von Hannes bangen, und immer häufiger waren sie auf der Flucht. Ihr Glück währte denn auch nur zwei Jahre und zwei Monate und endete mit dem Mainzer Prozess. Juliana wurde, wie ihre Schwester und die meisten ihrer Bandengenossinnen, zu einer mehrjährigen Zuchthausstrafe verurteilt, die Männer hingegen traf es ungleich härter. Nach ihrer Rückkehr aus dem Genter Arbeitshaus blieb sie dem kriminellen Milieu fern, kam wieder auf die Beine und erreichte das hohe Alter von fast siebzig Jahren.

Ich hoffe, ihr fandet die Ausführungen genauso interessant und spannend, wie ich und habt nun noch mehr Lust „Die Räuberbraut zu lesen 🙂 !!

Hier gibt es zur Übersicht noch unseren Blogtourplan :

  1. Juli Von der Musikkneipe zum Buchprojekt 

rowohlt.de

  1. Juli Mit einem Bein im Gefängnis (I): Frauen im fahrenden Volk

die-rezensentin.blogspot.de

  1. Juli Mit einem Bein im Gefängnis (II): Frauenleben im Räubermilieu zwischen Angst und Emanzipation

dierabenmutti.de

  1. Juli Astrid Fritz’ Reise durch den idyllischen Hunsrück – mit der Kamera auf den Spuren der Schinderhannesbande

klusiliest.blogspot.com

  1. Juli Schinderhannes‘ Schauplätze im Spiegel der Zeit

nichtohnebuch.blogspot.de

  1. Juli Was Astrid Fritz zum Schreiben braucht: ihren PC, viel Ruhe und eine Tüte Haribo

buecherecke8.blogspot.de

  1. Juli Astrid Fritz im Gespräch – ein Interview

fraugoetheliest.wordpress.com

  1. Juli Astrid Fritz liest «Die Räuberbraut» – ein Video

goldkindchen.blogspot.com

Dank des Verlags darf ich nun unter allen, die mir die Frage auf dem Blog beantworten, ein Exemplar des Buchs verlosen !!

Beantwortet mir doch bitte, bis zum 21. Juli 2017 18:00 Uhr, welche Aufgaben die Frauen innerhalb der Gemeinschaften hatten.