Ein seltsames Jahr ist das. Ein Jahr mit besonderen Herausforderungen. Für uns persönlich nicht nur wegen „Corona“. Zum neuen Schuljahr sollte ein Schulwechsel anstehen. Wir waren ja umgezogen und auf Dauer hätte das Pendeln zwischen zwei Bundesländern für uns nicht funktioniert. Also entschieden wir uns zu einem ziemlich heftigen Schritt: Neue Schule, neues Glück. Damit wir dafür bestmöglich vorbereitet sind, haben wir einen Kurs zur Bindungsstarken Schulkindzeit mitgemacht.
Nach dem Schulwechsel ist vor dem Wechsel
Über diesen Kurs möchte ich euch heute erzählen. Und obwohl der Kurs wirklich wundervoll war, hat der Schulwechsel leider gar nicht so recht geklappt. Im Gegenteil. Bereits 1,5 Wochen nach dem Wechsel war klar – Das geht so nicht. Wir brauchen eine Lösung und zwar schnell und damit kam der zweite Wechsel. Und die wohl beste Entscheidung seit Langem. Doch alles nach der Reihe…
Ich habe von Familienbegleiterin Kiran einen „Newsletter“ zur bindungsstarken Schulzeit erhalten: Kiran gibt euch hierbei drei Bausteine an die Hand, um eine Basis zu schaffen. Diese Bausteine sind
- Die Wurzeln unserer Kinder: Die Verbundenheit
- Die Flügel unserer Kinder: Die Sicherheit
- Der Eisberg: Bindung stärken, Verhalten verstehen
Drei Bausteine einer bindungsstarken Schulkindzeit
Schon mit dem ersten Baustein kam ein richtig guter Tipp ins Postfach geflattert, der uns in der aktuellen Situation gute Impulse mitgegeben hatte:
Neue Herausforderungen können wir einladend und verbindend beschreiben. Statt „Heute musst du zur Schulhospitation“, können wir beschreiben: „Du bist eingeladen, deine neue Schule möchte dich kennenlernen, wie spannend, ich freue mich für dich“.
Auch Claire stand eine Hospitation bevor und allein diese Wortwahl lies diese sehr viel positiver erscheinen. Claire war zwar nervör, aber dann auch neugierig. Uff. Zwang ist nämlich gar nichts für sie und ihr zu sagen „du musst da jetzt hin“, hätte für Probleme gesorgt. Ich war sehr froh um Kirans Hilfestellung dazu…
Claires Wurzeln und Flügel
Durch den Newsletter habe ich mir Gedanken dazu gemacht, was Claires Wurzeln sind und wo ihr bereits Flügel gewachsen sind. Der bindungsstarke Ansatz geht davon aus, dass Kinder gut verwurzelt sein müssen, damit ihnen später Flügel sprießen können, mit denen sie über sich hinauswachsen können. Sie brauchen erst die Geborgenheit und die Sicherheit, um dann allen Widerständen trotzen zu können.
Da mich die Bausteine überzeugt haben, nahm ich Kirans Einladung an, an ihrem Kurs über eine bindungsstarke Schulkindzeit teilzunehmen. In diesem 6-wöchigen Kurs haben wir uns – der Kurs bestand aus mehreren Familien – intensiv mit der Schulzeit befasst.
Was diesen Kurs besonders macht
Was ich besonders toll fand: Die Kursteilnehmer konnten immer wichtige Impulse mitnehmen. Dabei war es egal, ob das Kind erst eingeschult werden sollte, Ängste vor einem Schulwechsel bestanden oder einfach so Problematiken im Schullalltag bestanden.
Kiran gab in jeder Woche Impulse zu festen Themen mit. Dabei wurden auch einige Basics der Bindungstheorie wiederholt, die ich so für mich nochmal wiederholen und festigen konnte. Dies Geschah in Form von Newslettern und Erklär-Videos, in welchen die Themen ausführlich aufgearbeitet wurden.
Auch hilfreich waren unsere wöchentlichen „Elternabende“. Wir trafen uns Online, um die Themen der Woche anzusprechen, Fragen zu klären und auch einfach den Kummer und die Sorgen von der Seele zu reden. Wir haben uns dann im kleinen Kreis gegenseitig „befruchtet“ und Erfahrungen und Ideen untereinander ausgetauscht – immer unter Anleitung von Kiran, damit alle zu Wort kommen konnten.
Die Reflexionen waren besonders wertvoll
Besonders praktisch fand ich Kirans Reflexions-Aufgaben: In jeder Woche sollten wir in uns gehen und teilweise intime Fragen für uns beantworten. Dabei wurden wir oft in unsere Schulkindzeit zurückgeworfen, konnten die Welt mit anderen Augen sehen.
Fragestellungen dieser Reflexionen waren beispielsweise: Welche Familienwerte haben in Deiner Herkunftsfamilie gegolten? Was macht dir ganz konkret Sorgen wenn du an die Grundschulzeit deines Kindes denkst? Wann hast du das letzte mal gegenüber deinen Kindern nicht so reagiert wie du es dir wünschen würdest?
Die Reflexionen halfen dabei viel über mich selbst, meine Glaubenssätze und alten Muster zu erfahren. Und das widerrum half mir, mein Kind mit anderen Augen zu betrachten. Wertschätzender. Verständnisvoller.
Katia Saalfranks Eisbergmodell
Für mich sehr wichtig und lehrreich war die „Eisberg-Woche“. Kiran hatte uns das Eisbergmodell von Katharina Saalfrank vorgestellt (für mich war es eine Wiederholung). Im Wesentlichen geht es darum, hinter das Verhalten zu schauen.
„Ein Verhalten ist immer die Eisspitze und was darunter liegt, können wir zunächst nicht sehen.“ (Kiran Deuretzbacher)
Oft ist es so, dass ich den Wutanfall sehe. Oder die Verweigerung. Dann sehe ich, wie sie aus Frust Gegenstände durch den Raum wirft. Laut wird, schreit. Oder ich sehe, wie sie meine Bitten oder Regeln ignoriert und dennoch „ihren Willen durchsetzt“. Natürlich könnte ich mich davon angegriffen – oder verletzt – fühlen und dann meine Machtposition ausüben: Lass das! Sei jetzt still! Hör auf das, was ich sage!
Aber das wäre ja Quatsch, denn das würde im besten Fall das Symptom bekämpfen, nicht die Ursache. Wie wir Ursachenforschung betreiben, lernen wir durch das Eisbergmodell. Wir sehen nicht nur das Verhalten, sondern auch das Gefühl und emotionale Grundbedürfnis was dahinter steht.
Der Streit um die Arbeitsplatte
Ein Beispiel: Claire ist immer wieder auf die Arbeitsplatte der Küche geklettert. Ich bat sie mehrere Male darum, es nicht zu tun. Es ärgert mich, da sie nunmal barfuß unterwegs ist und mit ihren dreckigen Füßen dann dort klettert, wo später Lebensmittel liegen. Ich mag das nicht! Ich war sogar so weit ihr ein „Küchenverbot“ zu erteilen… Das widerspricht meinen Werten sehr, ich war total verzweifelt.
Und dann habe ich unterbewusst das Eisbergmodell angewandt:
- Ich sehe das Verhalten: Sie klettert gegen meine Bitten auf der Küche herum.
- Welches Gefühl könnte dahinter stehen? Stolz? Weil sie selbst an ein Glas gekommen ist?
- Welches emotionale Grundbedürfnis könnte es sein? Selbstwirksamkeit?
Claire hatte sich immer Gläser oder Teller geholt. Sie wollte uns nicht fragen. Sie wollte selbstständig sein. Einen Stuhl zu holen, war ihr zu aufwendig. Schnell hochklettern ist viel einfacher für sie. Letztlich wollte sie einfach „groß“ sein.
Nachdem ich das erkannt habe, habe ich die Küche umgeräumt. Nun ist alles, was sie täglich braucht, in Griffhöhe. Seither gibt es keinen Streit mehr. Und noch etwas hat sich geändert: Wenn sie nun doch etwas braucht, was weiter oben ist (eine Küchenwaage zum Beispiel), dann nimmt sie völlig selbstverständlich den Stuhl und klettert nicht (zumindest in 99% der Fälle). Ohne das Eisbergmodell wäre ich nicht in der Lage gewesen ihe Bedürfnis zu erkennen. Es ist echt großartig!
Wehmut nach 6 Wochen Gemeinsamkeit
Um den Kurs abzurunden, hatte Kiran zusätzlich eine Facebook-Gruppe erstellt. Hier konnten wir uns über die Elternabende hinaus austauschen, Probleme besprechen und Organisatorisches klären.
Ehrlich gesagt war ich schon ein bisschen traurig, als der Kurs nach 6 Wochen vorbei war!
Ich habe dabei aber auch eine ganz liebe Mama kennengelernt, mit der ich nun häufig Kontakt habe. Da sie auch ein gefühlsstarkes Kind hat (vermute ich), sind unsere Probleme recht ähnlich. Der Austausch tut gut.
Der ganze Kurz war für mich eine echt gute Vorbereitung auf den bevorstehenden Schulwechsel. Ich hatte das Gefühl, dass ich Claire dazu gut an die Hand nehmen konnte und ihr den Schulwechsel trotz all der Trauer, Wut und Frustration schmackhaft machen konnte. Doch dann kam alles anders…
Der gescheiterte Schulwechsel
Die beste Vorbereitung hilft leider nichts, wenn man gegen Windmühlen ankämpft. Die Schule – die anfangs einen guten Eindruck hinterlassen hatte und mich zuversichtlich gestimmt hat – ist leider nichts für Claire. Die Erwartungshaltung der Schule – sehr leistungsorientiert – kollidierte mit dem, was Claire geben konnte.
Claire ist der Typ Mensch, der bei Druck mit Gegendruck reagiert. Es musste einfach so kommen, dass eine totale Verweigerung einsetzt.
Der Versuch eines klärenden Gesprächs und Neuanfang unter anderen Bedingungen (weniger Druck, weniger Erwartungen) für Claire endete leider nicht gut. Wir haben schnell gesehen, dass die Bedürfnisse der Schule nicht mit denen von Claire vereinbar sind. Eine bindungsstarke Schulkindzeit konnte hier nicht erfolgen. Wir fingen an uns täglich mit ihr zu streiten, verloren die Bindung zueinander. Wir hielten dem Druck von außen nicht stand. Zunächst.
Wir standen also vor der Wahl, ob wir versuchen dem Kind so viel Wurzeln mitzugeben, damit es auf Biegen und Brechen durch die Schule kommt und ihr dabei gezwungenermaßen die Flügel herausgezerrt werden… Oder aber wir drehen uns um 180 Grad und suchen eine andere Lösung.
Ihr Leben gerät aus den Fugen
Wieder kam das Eisbergmodell zum Einsatz: Warum verhält sich Claire so? (Hausaufgaben Verweigerung, wenig Mitarbeit in der Schule). Sie wollte den Wechsel nicht. Nie. Wir haben über ihren Kopf entschieden und es durchgesetzt. Damit ging ein kompletter Machtverlust für Claire einher. Ihr ganzes Leben war aus den Fugen geraten – Umzug, neues Baby, neue Schule…
Diese Machtlosigkeit führte zur Verweigerung. Sie wollte wieder selbst bestimmen. Sie wollte wieder über ihr Leben bestimmen können. Das tat sie so gut sie eben konnte und auf dem Weg, den sie dafür sah. Das Gefühl: Machtlosigkeit, auch Verzweiflung. Auch hier steht ihr emotionales Grundbedürfnis der Selbstwirksamkeit wieder im Vordergrund. Wie können wir das nun erreichen? Auf dieser Regelschule schon Mal nicht.
Eine spontane Entscheidung mit Folgen
Im Inneren gefestigt vom Kurs war ich mir sicher: Hier werden wir nicht glücklich. Hier verliert Claire die Freude an der Schule und die Lust am Lernen. Was tun? Wir haben eine Alternative gesucht und von Heute auf Morgen die Schule gewechselt. Again. Mittlerweile geht sie auf eine freie Montessori Schule – und kommt täglich mit einem Strahlen nach Hause und freut sich auf den nächsten selbstbestimmten Schultag.
Ob das der richtige Weg ist? Weiß ich nicht. Ich habe keine Glaskugel und weiß nicht, was in einem Jahr sein wird.
Ob sie das Grundschulziel in den nächsten 3 Jahren erreichen wird. Hm, vielleicht. Oder auch nicht. Aber ich erlebe mein Kind nun plötzlich völlig anders. Leichter, glücklicher. Wir haben keinen Streit mehr bezüglich Hausaufgaben. Vielleicht mag ihr Lebensweg nicht ganz „straight“ sein. Aber muss er das sein? Ich denke nein.
Danke für Alles Kiran
Ihr Lebensweg sollte geprägt von Sicherheit sein. Liebe, Verständnis, Freude am Lernen und Leben. Und ich denke, dass wir das mit unserer Entscheidung in die Wege geleitet haben. Alles andere wird sich fügen.
Danke Kiran für deinen wundervollen Kurs (den es Anfang 2021 wieder geben wird <3). Danke für einen achtsamen, wertschätzenden Blick auf unser Schulkind. Danke für die Strategien, um Probleme im Alltag zu bewältigen. Danke für die Reflexionen und Danke für ein immer offenes Ohr!
Falls euch das neugierig gemacht hat, könnt ihr gern mal in meine Artikel zur Impulsberatung bei Kiran reinlesen 🙂 Sie macht übrigens auch Paarberatungen – aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es mal kriseln kann, wenn man versucht ein Kind großwerden zu lassen 😉
Kleine Werbung für Kiran: Am 21. September bietet Kiran einen kostenlosen Workshop über bindungsstarke Kinder an. Vielleicht möchtet ihr diesen nutzem, um Kirans Arbeit mal unverbindlich kennenzulernen?
Vielleicht steigt ihr dann auch direkt ab 28. September bei ihrem neuen 8-Wochen Kurs für bindungsstarke Familien mit ein. Es geht darum, was wir als Eltern brauchen, um unsere Kinder bindungsstark zu begleiten und zu bestärken. Unabhängig von dem Alter der Kinder.
Soooooo schön geschrieben ❤
Und es ist so schön zu hören, dass es Claire so gut gefällt ❤
Danke, dass du immer deine Erfahrungen mit uns teilst.
Ich finde Kiran auch sehr toll ❤
Liebe Grüße ?