Anja Jonuleit wuchs am Bodensee auf und ging dann einige Jahre ins Ausland. Sie studierte Italienisch und Englisch am Sprachen- und Dolmetscherinstitut in München. Anschließend arbeitete sie als Übersetzerin und Dolmetscherin, bis sie mit Mitte dreißig das Schreiben für sich entdeckte. Sie hat schon einige Bücher erfolgreich veröffentlicht, unter anderem: „Der Apfelsammler“, „Das Wasser so kalt“ und „Der andere Tod“.
Marion Martienzen wurde 1953 in Berlin geboren. Neben ihrer Arbeit als Schauspielerin steht sie als Sängerin auf der Bühne und ist als Synchron- und Hörbuchsprecherin aktiv. Sie besuchte von 1969 bis 1971 an der Schauspielschule „Arts Educational Trust Ltd.“ in London. Sie arbeitete bereits an zahlreichen Schauspielhäusern, unter anderem in Hamburg, Braunschweig und München. Für DAV las sie zuletzt „Der Apfelsammler“ ein.
Birte Schnöink wurde 1984 geboren. Sie studierte von 2006 bis 2010 an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin. Schon während dieser Zeit trat sie bei den Salzburger Festspielen und an der Berliner Schaubühne auf. Seit 2010 ist sie festes Ensemblemitglied am Thalia Theater Hamburg. 2014 wurde sie als beste Nachwuchsschauspielerin mit dem „Boy-Gobert-Preis“ ausgezeichnet.
Marie Gruber wurde 1955 in Wuppertal geboren. Sie ist eine deutsche Film-, Fernseh- und Theaterschauspielerin. Ihre Ausbildung zur Schauspielerin erhielt sie von 1979 bis 1982 an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin. Danach hatte sie Engagements in verschiedenen Theatern, unter anderem am Staatsschauspiel Dresden, an der Berliner Volksbühne und im Friedrichstadt-Palast in Berlin. Bekanntheit erreichte sie zunächst durch „Go Trabi Go“, wo sie an der Seite von Wolfgang Stumph spielte. Zu sehen war sie auch in über 40 Folgen der Krimiserie „Polizeiruf 110“. In zahlreichen Kinofilmen ist sie in Nebenrollen zu sehen ( „Das Leben der Anderen“). Sie hat einige Hörbücher eingelesen, beispielsweise „Blumen für Othello“, „Kurschatten“ oder „Rabenfrauen“.
Klappentext:
„Sommer 1959. Die Freundinnen Ruth und Christa verlieben sich in den jungen Freikirchler Erich. Als dieser nach Chile geht, um beim Aufbau einer christlichen Gemeinschaft, der Colonia Dignidad, zu helfen, folgt ihm die lebenshungrige Christa, während Ruth zurückbleibt. Was als Abenteuer beginnt, wird bald zum Albtraum. Noch Jahrzehnte später plagt Ruth das Schuldgefühl, die beiden nicht aufgehalten zu haben. „
Wichtige Informationen zum Hörbuch:
Autorin: Anja Jonuleit
Sprecherinnen: Marion Martienzen, Birte Schnöink, Marie Gruber
Erscheinungsdatum: 27.05.2016
ISBN: 978-3862316625
Verlag: DAV
Cover:
Auf dem Cover sieht man zwei junge Frauen in einem Kornfeld, was einen sehr intensiven Bezug zur Geschichte hat. Mir gefällt das Cover sehr gut und es hat mich gleich angesprochen.
Inhalt:
Ich kannte vorher kein anderes Werk von der Autorin Anja Jonuleit. Mich hat das schwierige, aber gleichzeitig interessante Thema sehr gereizt. Angesprochen werden die Machenschaften und das Leben in der Colonia Dignidad, die mich zutiefst schockiert haben. Man erfährt hier ja nur stellenweise, die grausamen Methoden, die die „Oberhäupter“ der Gemeinschaft angewandt haben, um ihre Mitglieder zu kontrollieren. Aber alleine diese Szenen haben mich sehr erschrocken zurückgelassen. Wie kann man Menschen so hörig sein, dass man als junge Mutter, ohne an dessen Sinn zu zweifeln, sein Kind in fremde Hände gibt? Das ist nur eines der Beispiele, die ich als höchst seltsam empfinde. Missbrauch und Gewalt gegen die Mitglieder scheinen dort an der Tagesordnung zu sein. Damit ein zweifelndes Mitglied nicht fliehen kann, gibt es etliche Vorkehrungen, wie Stolperdraht, Bewegungssensoren und danach die gefürchteten Hunde, die auf die fliehenden Menschen losgelassen werden. Die Colonia Dignidad wurde 1966 unter Paul Schäfer, der gleichzeitig der Anführer der Gemeinschaft war, gegründet. Schäfer versprach ein „urchristliches Leben im gelobten Land“ und prophezeite eine angeblich drohende russische Invasion in Deutschland, um Zögernde und Ängstliche umzustimmen. Die Kolonie war streng abgeschottet und empfang nur ausgewählte Besucher. Paul Schäfer entführte auch, wie in der Handlung des Hörbuchs anhand von Hans Bottke geschildert, Kinder und Jugendliche, deren Eltern im Glauben waren, sie wären auf einer Chorfreizeit. Versuche, die Kinder aus Chile zurückzuholen, waren vergeblich. Das ist nur einer der Punkte, wegen denen Paul Schäfer letztendlich im Jahre 2004 angeklagt und schuldig gesprochen wurde. Ich versuche immer wieder zu verstehen, wie sehr der Gruppenzwang innerhalb einer solchen Organisation eine Rolle spielt, aber ich denke, dass auch Faktoren wie Selbstbewusstsein und möglicherweise auch Intelligenz miteinbezogen werden müssen. Anhand von Ruth, die hier in der Geschichte ja schnell den Sinn vieler Geschehnisse, die die Gemeinschaft um Paul Schäfer, hinterfragt, wird dies ein wenig deutlich. Sie hat ihre eigene Meinung und läuft nicht wie ein „Schäfchen“ mit. Paul Schäfer merkt, wieviel sie infrage stellt, daher wird sie schnell ausgegrenzt. Christa, die ihre beste Freundin ist, verliebt sich Hals über Kopf in ein Mitglied der Gruppe und ist völlig von den Machenschaften geblendet. Wenige Zeit später, bereut sie ihre positive Einstellung zur Colonia Dignidad, wobei es da dann schon zu spät ist. Aus dem fröhlichen jungen Mädchen wird eine verzweifelte Frau, die sich allein gelassen und bedroht fühlt. Auch ihre anfängliche Liebe endet von einem Tag auf den anderen, denn in der Kolonie sind Beziehungen streng verboten. Kinder, Männer und Frauen leben getrennt voneinander.
Aufbau, Struktur & Stil:
Die Handlung setzt sich aus drei Erzählsträngen zusammen. So erfährt man als Hörer, die Schilderungen von Anne, die durch Zufall auf ehemalige Bewohner der Colonia Dignidad trifft. Wir erfahren die Lebensgeschichte von Ruth, die durch die Gemeinschaft ihre beste Freundin Christa verloren hat und ganz besonders schockierend war die Schilderung aus Christas Sicht, die innerhalb der Sekte schlimmstes erleiden muss. Die Kapitel sind deutlich voneinander abgegrenzt, sodass ich zu keiner Zeit Probleme hatte, den Handlungen zu folgen. Mich hat die Geschichte tief berührt, schockiert und sehr nachdenklich gemacht, denn ich habe mich natürlich gefragt, wie es möglich sein kann, dass solche Geschehnisse über 20 Jahre von den Regierungen ignoriert werden konnten. Das macht mich wütend und die Autorin hat es wahnsinnig gut hinbekommen, dass eine emotionale Bindung zu den Protagonisten aufgebaut wird. Es ist keine nüchterne oder sachliche Geschichte, sondern eine sehr tief greifende Erzählung. Die Auswahl der Sprecherinnen ist für mich ebenfalls sehr gelungen, mir gefällt es auch sehr gut, dass jede Frau eine eigene Stimme erhalten hat. Die Sprecherinnen vermitteln die Stimmungen der Charaktere sehr authentisch, für mich sind sie wirklich optimal besetzt worden. Die Spannung wird auch durch ihre stimmlichen Facetten noch gesteigert und die Qualen der Menschen aus der Kolonie werden gut verdeutlicht.
Fazit:
„Rabenfrauen“ erzählt eine tief greifende, schockierende und authentische Geschichte, die mich sehr berührt hat. Das solche Dinge, in der Gesellschaft tatsächlich geschehen sind und solange ungeahndet waren, lässt mich fassungslos zurück.
Ich gebe fünf von fünf Funkelchen.